Heike Knauber: Najaden - Das Siegel des Meeres (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 04. Oktober 2018 16:48
Heike Knauber
Najaden - Das Siegel des Meeres
Titelbild und Karten: Melanie Korte
Blanvalet, 2018, Paperback mit Klappenbroschur, 608 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-7341-6143-8 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Irene Salzmann
Als die Aššuner die Handelsstadt Glarnos einnehmen, verliert die junge Meliaé ihre Familie und ihre Heimat. Die Brüder Sayaf und Khayam, Heerführer der erfolgreichen Armee und Thronanwärter, nehmen sie gefangen, hoffend, von dem Mädchen ein großes Geheimnis zu erfahren, welches ihr Vater mit in sein Grab nahm. Allerdings weiß Meliaé nichts - und wird dennoch zum Objekt der Begierde der beiden Männer.
Sayaf empfindet Mitleid mit ihr und bald schon tiefere Gefühle. Er will sie zu seiner Frau machen, um sie vor Khayam zu beschützen. Dieser interessiert sich nur für Meliaé, weil er davon überzeugt ist, dass er ihr das Geheimnis, das für das Bestehen von Aššu wichtig ist, irgendwie entreißen kann, wenn nötig durch Folter.
Meliaé überlegt, wie sie die Pläne der Aššuner durchkreuzen kann, da sie für die Mörder unzähliger Menschen keine Sympathien hegt. Unverhofft erhält sie Hilfe von Miltiades, einem Najaden-Fürsten, der sie entführt und jenseits des Weltengürtels in Sicherheit bringt. Nun erfährt sie, dass sie selbst „das Siegel des Meeres“ ist und man erwartet, dass sie ihre Bestimmung erfüllt.
Die Ruhe ist nicht von Dauer. Meliaé hat den Fehler begangen, Sayaf die alten Legenden zu erzählen, so dass er ihr Versteck aufspürt, um sie zu sich zu holen. Diesmal hilft ihr niemand, denn sie soll Khayams Frau werden, um Einfluss auf die Aššuner zu nehmen zum Schutz von Najadis.
In ihrem Debüt-Roman „Najaden - Das Siegel des Meeres“ kreiert Heike Knauber eine Welt, in der sie Wesen aus der griechischen (Najaden, Kentauren) und ägyptischen/orientalischen (Gestaltwandler mit Schakalköpfen, Ifrit) Mythologie vermischt und zudem Rituale, die an jene der Südsee-Kulturen (Menschenopfer, um einen Vulkan zu beruhigen) erinnern, mit einbindet. An sich nichts Neues, nur in dieser Kombination ungewöhnlich.
Auch das Motiv ist bekannt: Eine junge Frau steht zwischen zwei Männern. Der eine ist grausam und machthungrig, der andere freundlich und nobel, aber beide wollen sie benutzen, um ihr Reich vor dem Untergang zu bewahren, nachdem sie erkannt haben, dass ihre Kriegsbeute der Schlüssel zur Rettung ist. Allerdings eröffnen sich der Protagonistin bald Möglichkeiten, die es ihr erlauben, gegen das ihr zugedachte Schicksal aufzubegehren. Und obwohl sie sich dagegen sträubt, verliebt sie sich in einen ihrer Feinde.
„Najaden - Das Siegel des Meeres“ bietet gängige Themen und Figuren des Fantasy-Genres. Der Roman beginnt in der laufenden Handlung, denn Glarnos ist bereits eingenommen, ein Teil der Bevölkerung und ihre Schätze werden auf Schiffe verschleppt, um nach Aššu geschafft zu werden. Auf diese Weise umgeht die Autorin langwierige Beschreibungen von Kriegshandlungen, an denen sie offensichtlich wenig Freude hat, und kann sich auf die Einführung der wichtigsten Charaktere und ihre Beziehungen zueinander konzentrieren.
Das tut sie sehr ausführlich, damit zum einen die Unterschiede zwischen Sayaf und Khayam früh deutlich werden und zum anderen Meliaé viel Raum erhält, um Fehler zu begehen, Entscheidungen zu treffen und wieder zu verwerfen, die Dinge aus neuen Blickwinkeln zu erfassen und ihr Schicksal selbst in die Hände nehmen zu wollen - auch um den leidenden Menschen Frieden zu bringen und jene zu beschützen, die ihr wichtig sind.
Infolgedessen kommt es zu einigem Hin und Her, in das sich durchaus so manche Länge einschleicht. Dennoch folgt man den Geschehnissen neugierig, da es regelmäßig Wendungen gibt, die man nicht vorhersehen konnte, so dass es keinen direkten Durchmarsch zum Ziel gibt. Am Ende ist so manches Problem gelöst, aber vieles blieb offen, so dass mit wenigstens einem weiteren Band zu rechnen ist.
Die Protagonisten erfüllen ihre Rollen erwartungsgemäß und ohne für große Überraschungen zu sorgen: Meliaé entwickelt sich vom aufmüpfigen Mädchen zur aufmüpfigen jungen Frau, die das Richtige tun und ihr eigenes Leben führen will. Sayaf und Khayam repräsentieren den guten und den bösen Bruder. Sie sind in alten Traditionen und Verpflichtungen gefangen, was es Sayaf erschwert, Meliaé den Schutz zu bieten, den sie braucht und den sie lange ablehnt. Dadurch machen sie es einander unnötig schwer und spielen Khayam sogar in die Hände, nachdem er mit allen Regeln gebrochen hat. Natürlich gibt es eine Vielzahl weiterer Figuren, die Meliaé und Sayaf unterstützen beziehungsweise zusätzliche Konflikte mitbringen. Nicht alle bleiben für immer an der Seite der beiden.
Obschon man Anteil an den Schicksalen nimmt, entwickelt man nicht wirklich eine Beziehung zu den Figuren oder empfindet tiefe Sympathie, denn sie wahren Distanz, und wenn, dann eher zu einigen Nebenrollen wie Ayu und Áris, die spritziger und natürlicher wirken als ihre gebeutelten Herrschaften.
Die Namensgebung, auch von Orten, wirkt recht willkürlich und keinen konkreten Regeln folgend. So klingen zwar die Benennungen der Aššuner dem Arabischen entlehnt, die der Najaden entfernt griechisch und die der Feuerinselnbewohner hawaiianisch, doch wie man sie aussprechen soll, bleibt ein Geheimnis der Autorin, die sich mit vielen, vielen Sonderzeichen vergnügt. Ein bisschen lästig ist das schon. Da es ein kleines Glossar am Schluss gibt, hätte man gewiss noch eine Seite für die Aussprache der Eigennamen unterbringen können.
Der Titel liegt als dickes Paperback mit Klappenbroschur vor. Cover und Backcover sind - dem Thema entsprechend - in Blau gehalten, d. h., von dem weißen Hintergrund heben sich die Motive (Meliaé auf einer Welle, auf der Rückseite die Vulkane, über allem der Himmel) in einer Nuance, die an Meerwasser erinnert, ab. Für den Schriftzug wurde Foliendruck spendiert.
„Najaden - Das Siegel des Meeres“ ist ein Fantasy-Roman, der mit mythologischen Figuren aus verschiedenen Kulturkreisen und traditionellen Konflikten inklusive einer Liebesgeschichte mit vielen Hindernissen aufwartet. Hat man Spaß an den genannten Hintergrundszenarien, sehr ausführlich geschilderten persönlichen Problemen und einem Verlauf, der genretypisch ist, kommt man ganz auf seine Kosten. Angesprochen werden in erster Linie Mädchen ab ca. 15 Jahre und junge Frauen, die von glutäugigen Männern aus „Tausend und einer Nacht“ träumen.