Helmuth W. Mommers: Anderzeiten (Buch)

Helmuth W. Mommers
Anderzeiten
Titelbild: Lothar Bauer
p.machinery, 2018, Hardcover, 580 Seiten, 23,90 EUR, ISBN 978-3-95765-125-9 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Helmuth W. Mommers gehört zu den Pionieren der deutschsprachigen Science Fiction. Schon als junger Bub war der gebürtige Wiener von den grellen Titelbildern und den faszinierenden Geschichten um Aliens und Robotern fasziniert, brachte sich als Übersetzer und Herausgeber in die Szene ein.

Nach einigen Jahrzehnten, in denen er der Phantastischen Literatur den Rücken gekehrt hatte, entdeckte er vor rund einem Dutzend Jahren seine alte Passion wieder und machte als Ideengeber, Herausgeber, Initiator und Autor wieder von sich reden.

Zwar war es ihm nie vergönnt, seine große Vision eines deutschsprachigen, regelmäßig erscheinenden Story-Magazins zu verwirklichen, seine literarischen Beiträger aber genossen und genießen Hochachtung und Anerkennung.

Mittlerweile ist seit der Publikation eines ersten Sammelbands („Sex, Love, Cyberspace“) wieder einige Zeit ins Land gegangen; Zeit, die Mommers genutzt hat, weitere Erzählungen zu verfassen.

Dabei ist er seinem Faible für die Kurzgeschichte treu geblieben. Er, der gerne und viel zusammengestellt hat, der immer eine Lanze für die kurzen, pointierten Geschichten brach, zeigt anschaulich und vorbildlich, wie man mit Ideen spielt.

Angesichts der Kürze, die dem Autor bei einer Story zur Verfügung steht, muss sich dieser konzentrieren. Platz für große Charakter-Studien und -Entwicklungen hat er dabei ebenso wenig, wie für eine ausführliche Vorstellung des Handlungsorts. Umso mehr kommt es auf die Idee an, die er aufgreift und umsetzt. Und Mommers nutzt alte wie neue Ideen auf ganz eigene Art und Weise.


Sei es, dass er Zeitreisende in einer Art Zeitschlaufe, die uns an den genialen Film „Und täglich grüsst das Murmeltier“ erinnert, eine Familie im 22. Jahrhundert besuchen lässt, vor den Marketing-Strategen der KI-Programme warnt, die uns mit allen Mitteln - auch unter der Gürtellinie - zu ködern versuchen, ihnen das schwer verdiente Geld in den Rachen zu schmeißen, oder von einer Familie erzählt, die von Aliens entführt wird, immer überrascht er uns mit einer so nicht vorhersehbaren Wendung. Der persönliche, auf den Leib geschriebene Android kann die ungeliebten Aufgaben in Zukunft für uns übernehmen, in verlorenen Kolonien hat sich ein Matriarchat errichtet, Untermieter bevölkern unser Gehirn und wollen partout die Kündigung und die Zwangsräumung nicht akzeptieren - die Ideen sind mannigfaltig, die Umsetzung mustergültig.


Neben drei bereits im Sammelband „Sex, Love, Cyberspace“ enthaltenen Geschichten warten 23 neue Beispiele Mommers’scher Erzählkunst darauf, dass sich der Leser sich ihnen öffnet.

Und dafür sollte man sich Zeit nehmen. Wie bei einem guten Glas Wein, wollen die Storys verkostet werden. Immer einmal wieder einen Happen, der dann auch die Zeit hat, sich zu setzen, auf den Leser zu wirken, erst dann bemerkt man die Feinheiten und Botschaften, die der Autor eingearbeitet hat.

Immer stellt der Autor dabei den Menschen ins Zentrum seiner Beiträge, bricht eine Lanze für Mitgefühl und hebt oft aber nie oberlehrerhaft den warnenden Zeigefinger.