Ralf Isau: Der Mann, der nichts vergessen konnte (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 11. Juli 2010 10:07
Ralf Isau
Der Mann, der nichts vergessen konnte
Titelgestaltung von Anke Koopmann unter Verwendung von Motiven von Shutterstock
Piper, 2008, Hardcover, 450 Seiten, 19,90 EUR, ISBN 978-3-492-70141-9
Christel Scheja
Der 1956 geborene Ralf Isau war lange aus Informatiker tätig, bis er sich dem Schreiben zuwandte. Sein bevorzugtes Genre ist der Mystery-Thriller, auch wenn er bereits phantastische Jugendbücher verfasste, unter anderem in der „Phantasien“-Reihe. Immer wieder stehen bei ihm Menschen mit außergewöhnlichen Begabungen im Mittelpunkt der Geschichte, so auch in „Der Mann, der nichts vergessen konnte“.
Wie wäre es, alles was man sieht, hört, liest oder mit seinen anderen Sinnen wahrnimmt, auf ewig in seinem Geist zu bewahren und abrufen zu können? Tim Labin ist ein Mensch, der mit einer solchen Gabe ausgestattet ist, was ihn zu einem anerkannten Wissenschaftler, Sprachgenie und Schachmeister gemacht hat. Nur ein Ereignis ist gänzlich aus seinem Geist gelöscht wurde: der Tag, an dem seine Familie ermordet wurde und den er selbst nur knapp überlebt hat. Letztendlich ist er froh, dass er sich an die schrecklichen Momente nicht erinnern kann, denn das macht sein Leben um einiges leichter. Doch er ahnt nicht, dass sein neuer Auftrag genau die Auseinandersetzung mit der Tragödie verlangen wird.
Die NSA tritt in Gestalt der Computerspezialistin Jamila Jason, genannt JJ, auf ihn zu und bittet ihn, eine über zweihundert Jahre alte codierte Schrift zu entschlüsseln. Bisher ist das weder Menschen noch Maschinen gelungen, aber man hofft nun, dass es ihm, dem ‚Savant‘, gelingt. Zunächst ist Tim Labin sehr skeptisch, da er mit Regierungen nicht viel am Hut hat, dann aber erfasst ihn der Ehrgeiz, sich des Rätsels anzunehmen, denn es fordert seine Sinne mehr als alles andere, mit dem er sich jemals beschäftigt hat, heraus.
Tatsächlich gelingt es ihm schon bald, den sogenannten ‚Beale-Chiffre‘ zu knacken. Dieser enthält brisante Informationen: Neben Hinweisen auf einen großen Schatz deutet das alte Schriftstück auch an, dass die bekannte Unabhängigkeitserklärung von 1776 gar nicht echt ist. Es soll irgendwo das viel längere Original geben. Mit diesen Neuigkeiten treten Tim und JJ eine größere Lawine los, als sie ahnten. Schon bald müssen sie um ihr Leben fürchten, denn es gibt jemanden, der die Weitergabe des Wissens um jeden Preis verhindern will. Dabei erkennt Tim, dass seine Familie enger mit allem verbunden ist, als er auch nur vermutet hätte.
„Der Mann, der nichts vergessen konnte“ hat die Anlagen zu einem spannenden und dramatischen Thriller, denn die Mischung der Geheimnisse und Gefahren stimmt, ebenso der Weg dorthin. Allerdings ist es für den Leser nicht immer leicht, die Überlegungen der Hauptfiguren nachzuvollziehen, denn das eine oder andere wirkt aus der Luft gegriffen. Das nimmt dem anfangs sehr spannenden und dramatischen Thriller gerade im Mittelteil sehr viel an Kraft und der Geschichte an Dramatik. Die ersten Hinweise sind sehr gut eingesetzt, nur wenn es um Tims Familie geht, erlaubt sich der Autor zu viele Sprünge und Freiheiten, die er nicht logisch begründen kann. Immerhin erhalten die Figuren ein gewisses Profil, so dass man Sympathie und Nähe zu ihnen entwickeln kann. Die Mystery-Elemente sind glücklicherweise sehr verhalten eingesetzt, der Autor übertreibt nicht so ganz wie etwa Dan Brown und bleibt im Rahmen des Glaubwürdigen.
Alles in allem liefert Ralf Isau mit „Der Mann, der nichts vergessen konnte“ einen solide geschriebenen Thriller ab, der zwar nur wenige phantastische Elemente enthält, diese aber nachvollziehbar vermitteln kann, so dass auch Krimi-Fans ihre Freude haben, wenn sie bereit sind, die genannten Schwächen in Kauf zu nehmen.