David Mealing: Die Seele der Welt - Linien der Macht 1 (Buch)

David Mealing
Die Seele der Welt
Linien der Macht 1
(Soul of the World, 2017)
Übersetzung: Simon Weinert
Titelbild: Christophe Dessaigne
Piper, 2018, Hardcover, 812 Seiten, 25,00 EUR, ISBN 978-3-492-70483-0 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Hunger geht um in den Straßen der Hauptstadt des Saressantischen Reiches. Während die Stadtbewohner darben, werden die eigentlich dringend benötigten Vorräte an die Front gekarrt. Dort, an fremden Gestaden, wird taktiert, gekämpft und gestorben. Unruhe macht sich breit unter den Bewohnern, eine Rebellion liegt in der Luft.

Die junge, talentierte Sarine lebt in einer Kirche. Mittels ihrer Begabung Szenen, Gesichter und Ereignisse mittels Kohlestift auf die pergamentenen Seiten zu bannen, hält sie sich und den Pfarrer, der sie aufgenommen hat, über Wasser.

Am Besten verkaufen sich die Raubzüge eines in ein rotes Cape gewandten Diebes, der sein Raubgut unter den Armen der Stadt verteilt und ein Blick auf das Leben der Adeligen und Reichen. Dank ihrer Gabe, Kräfte aus den Linien zu knüpfen und sich damit quasi unsichtbar zu machen, gelingt es Sarine immer wieder, sich bei Freizeitvergnügen der Herrschenden einzuschleichen und diese zeichnerisch festzuhalten. Niemand, weder das Reich noch die Kirche, hat das Recht, sie und ihre Gaben zu prüfen und sie zum Krieg einzuziehen - das hat sie sich fest vorgenommen. Als auf einem Ball ein Ungeheuer auftaucht, rettet sie die Anwesenden mittels ihrer Gaben - und findet sich im Verlies wieder …

Erris ist als Todknüpferin eine der angesehensten Kriegerinnen des Reiches. Zwar wird aus ihr, aufgrund ihrer bürgerlichen Abstammung, nie ein General, doch ihr Talent für Taktik, ihr Wissen um Menschenführung und ihr Instinkt, wann es besser ist sich zurückzuziehen, haben ihr insbesondere unter den Soldaten unter ihrer Führung einen fast schon legendären Ruf eingebracht.

Arak’Jur, ein Schamane der Naturvölker, hat eine ganz eigene Art, die Leylinien anzuzapfen und zu nutzen. Zusammen mit seinem Stamm versucht er den Handel mit den Reichen aufrecht zu halten, die anderen Stämme zu unterstützen und für Frieden und bescheidenen Wohlstand zu sorgen - bis Neid und Missgunst auch im ewigen Wald Einzug halten…


Carsten Polzin hat, seitdem er vor mehr als einem Jahrzehnt die Aufgabe übertragen bekommen hat für Piper eine phantastische Reihe aufzubauen, gute Arbeit abgeliefert. Als ausgewiesener Kenner insbesondere der Fantasy versuchte er Neuauflagen toller Reihen (Farmers „Flusswelt“-Zyklus, LeGuins „Erdsee“-Tetralogie oder Hugharts „Meister Li“-Romane sind hier zu nennen) mit Originalausgaben („Gezeitenwelt“ von Hennen/Finn/Witzko/v. Wieser oder Monika Feltens Romanen) und etwas anderen, besonderen Titeln zu kreuzen.

Neben Erfolgen - hier sind insbesondere die Zyklen eines Alexej Pehov oder Richard Schwartz zu nennen-– gab es auch tolle Angebote, die der Leser leider nicht goutierte. Vorliegend ist exemplarisch de Castrells Tetralogie um die Greatcoats zu nennen, dessen abschließender vierter Teil, mangels Zuspruch der Leser, nicht mehr erscheinen wird, oder die „Newbury“-Romane von George Mann.

Wenn ein solcher Kenner der Materie den Auftaktroman eines bis dato unbekannten Autors ankauft und gleich mit einer edlen, teuren Hardcover-Ausgabe auszeichnet, dann muss er von dem Manuskript überzeugt sein.

Die äußere Aufmachung ist vorbildlich, das Cover stimmig, die handwerkliche Ausführung ansprechend, zumal der Leser für seinen Obolus mit gut 800 Seiten einen veritablen Wälzer an die Hand bekommt.

Wobei ich auch gleich bei meinem ersten Kritikpunkt angelangt wäre. Achthundert Seiten wollen gefüllt sein, doch statt uns gleich mit dramatischen Geschehnissen zu überrollen, nutzt der Autor diesen Raum, um uns seine Figuren sehr dezidiert vorzustellen. Entsprechend ist das Tempo eher etwas langsam, Spannung, Faszination kommt zu Beginn - und damit meine ich die ersten gut 200 Seiten! - kaum auf. Der Perspektivwechsel zwischen den drei Protagonisten tut ein Übriges, den Lesefluss kaum einmal begonnen wieder abrupt abzubremsen.

Hierzu gesellt sich die Besonderheit, dass Mealing viel mit Andeutungen arbeitet, statt uns die Geschehnisse ausführlich vorzukauen. Dies erfordert viel Mitdenken, Mitarbeiten vom Rezipienten. Gleichzeit bleibt trotz der Fülle der Worte die Welt, ihre Besonderheiten und die Magie lange Zeit recht undeutlich.

Ich muss zugeben, dass mich der Plot, der sich eigentlich nicht uninteressant anbietet, letztlich nicht wirklich fesseln konnte. Gute Ansätze - die Verbundenheit zu den beiden weiblichen Erzählerinnen auf der einen Seite - mischten sich mit dem Frust ob der Präsentation. Um es klar zu sagen, man hätte deutlich mehr aus den Ideen machen können, Ansätze sind vorhanden, allein ich kam mit der merkwürdig distanzierten Erzählweise des Autors nicht zurecht.