Charlaine Harris: Midnight, Texas - Geisterstunde (Buch)

Charlaine Harris
Midnight, Texas - Geisterstunde
(Dayshift, 2015)
Übersetzung: Sonja Rebernik-Heidegger
Titelbild: Patrick Knowles
Heyne, 2018, Taschenbuch, 430 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-453-31915-8 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Texas ist für Vieles bekannt: seine Weite, die Hitze, die Ölfelder und seine überaus stolzen Bewohner etwa. Doch es gibt auch eine andere Seite, abseits von Dallas oder Houston: einen kleinen Ort im Niemandsland, den kaum jemand kennt, der gerne übersehen wird. Hier in Midnight finden besondere Menschen eine Heimat - Wesen mit außergewöhnlichen Gaben.

Eines Tages, ganz früh morgens, beginnt ein Trupp Arbeiter von außerhalb das halb verfallene Hotel in der einen Straße der Ortschaft zur renovieren. Ein paar Monate später wird es eingeweiht. Neben den Saisonkräften des in der Nähe gelegenen Internet-Providers sollen hier betuchte Senioren ihre Wartezeit bis zum Freiwerden des gewünschten Pflegeplatzes in einer netten Umgebung verbringen. Hier, ausgerechnet in Midnight? Und dann Senioren, die für ihre Unterkunft gar nichts bezahlen müssen - das geht doch nicht mit rechten Dingen zu!

Als der in Midnight ansässige Hellseher Manfred zu einem Außentermin nach Dallas reist, trifft er im Hotel zufällig die undurchsichtige Olivia. Kurz darauf ist das Paar, mit dem Olivia im Restaurant zusammensaß, tot.

Dumm, dass auch Manfreds Klientin bei der Séance stirbt. Ihr Sohn bezichtigt den Hellseher, den Schmuck seiner Mutter gestohlen zu haben. Die Polizei und die Medien beginnen sich zunehmend für Midnight und dessen Bewohner zu interessieren. Dies kann weder Manfred, der ob seines Berufs auf Diskretion Wert legt, noch Olivia, die mit einem Vampir das Haus und Bett teilt, recht sein. Auch dem Reverend, der einen Jungen bei sich aufnimmt, der etwas 20 mal so schnell wächst wie normal, kann an Aufmerksamkeit nicht gelegen sein.

Es gilt, die Anschuldigungen aus der Welt zu schaffen und für Ruhe zu sorgen - und dafür schließen sich alle Einwohner des Städtchen zusammen und bringen ihre Gaben ein…


Charlaine Harris wird man immer mit ihrer enorm erfolgreichen „True Blood“-Reihe verbinden. Sowohl die Romane um Sookie, die Gedanken lesenden Kellnerin, als auch die TV-Umsetzung haben Kult-Status, so dass ein Neuanfang schwer fällt.

Nach einem Ausflug ins Reich der Toten, der „Harper Connelly“-Reihe bei dtv, versucht sie nun mit den Romanen um die texanische Kleinstadt und deren Bewohner zu punkten. Der erste Band wurde fürs TV verfilmt, eine zweite Season bereits in Auftrag gegeben.

Abweichend von der TV-Adaption, die Vieles aus dem Auftakt-Roman simplifiziert oder gar wandelt, nutzt die Autorin den Platz im Buch, um uns ihre Figuren ausführlich vorzustellen. Und sie hat so Einiges in petto: Hellseher, Hexen, sprechende Katzen, Engel, Vampire und Werwölfe - scheinbar verbirgt ein jeder der Bewohner irgendein absonderliches Geheimnis vor der Welt.

Wie auch im ersten Teil steht erneut der Hellseher Manfred im Zentrum des Geschehens. Über und durch ihn betrachten wir die anderen Bewohner, lernen sie, ihre Motivation sich in dem Ort zu verstecken und ihre Gaben kennen - und schätzen. Irgendwie beeindruckt den Leser diese Gemeinschaft der Andersartigen, ihr Wille zusammenzustehen, sich gegenseitig zu stützen und ihr Refugium zu verteidigen.

Das entfaltet zwar - noch - nicht dieselbe Faszination, wie das wunderbar stimmig beschriebene Leben in und um Bontemps, Louisiana, mit seinen typischen Lebensgewohnheiten der Südstatten, besticht dafür aber mit sehr interessanten, weil abseits des Üblichen ausgeführten übernatürlichen Wesen.

Dies übertüncht auch die letztlich etwas limitierte stilistische Gabe der Autorin, wobei die Übersetzerin, ob ihres Versuchs die gröbsten Patzer auszubügeln, zu loben ist. Natürlich sind dies immer noch recht eindimensionale Gestalten, erst nach und nach werden diese mit Hintergrund und Charakter ausgestaltet, was aber der Spannung, was nun hinter dem Hotel steckt, wie der vermeintliche Diebstahl der Juwelen und das daraus resultierende Interesse der Medien und der Gesetzeshüter eingeschläfert werden kann, keinen Abbruch tut.

Letztlich also ein durchaus kurzweiliger, wenn auch nicht überwältigender Roman, der dem Fan der Urban Fantasy einige neue Ansätze vermittelt und das Interesse an der Fortsetzung wach hält.