Matt Ruff: Lovecraft Country (Buch)

Matt Ruff
Lovecraft Country
(Lovecraft Country, 2017)
Übersetzung: Anna Leube & Wolf Heinrich Leube
Titelbild: Edward Hopper
Hanser, 2018, Hardcover, 428 Seiten, 22,00 EUR, ISBN 978-3-446-25820-4 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Einst kämpften sie Seite an Seite in Korea - Schwarze und Weiße waren durch grünolivfarbene Tarnanzüge und Stahlhelm miteinander verbunden - die auf sie zufliegenden Kugeln taten ein Übriges, Rassenvorurteile außer Kraft zu setzen. Als sie dann ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten zurückkehrten, war es vorbei mit der Toleranz.

Wir schreiben das Jahr 1954. Atticus Turner beendet sein Dasein als GI und begibt sich, einem Brief seines Vaters folgend, aus den Südstaaten zurück nach Chicago. Schon auf der Fahrt muss er erkennen, dass der Rassismus nach wie vor gut verwurzelt ist in den Gehirnen der weißen Bevölkerung, dass der Klan nach wie vor mehr als präsent ist. Auch wenn er dem von seinem Vater herausgegebenen Atlas, dem „Safe Negro Travel Guide“ für Schwarze folgt, sind die Ressentiments hin bis zu aktiver Verfolgung durch weiße Gesetzeshüter unübersehbar; schließlich ist das DWB, „driving while being black“, den weißen Gesetzeshütern nach wie vor suspekt.

In Chicago angekommen, muss er erkennen, dass sein Vater nicht auf ihn gewartet hat. Sein Onkel berichtet von einem mysteriösen Geburtsrecht Atticus’, das von seiner verstorbenen Mutter auf ihn übergegangen sei. Mit seinem Onkel und Letitia, seiner Freundin aus Kindheitstagen, machen sie sich auf nach Ardham, ein vergessenes Kaff mitten im Jim-Crow-Gebiet.

Und auch auf dieser Reise werden sie mit Rassismus der besonders gewalttätigen Art konfrontiert. Als der Sheriff eines nahe Ardham gelegenen Kaffs versucht sie umzubringen, verhilft etwas Unbekanntes aus dem Wald ihnen zur Flucht. Zwei weiße Deputys bleiben tot zurück.

In Ardham werden sie bereits erwartet. Im Herrenhaus von Mr. Baithwaite wartet maßgeschneiderte Kleidung, ihre Lieblingsbücher und luxuriöse Zimmer auf die Besucher. Als sich unsere Drei den Ort näher anschauen, beginnen die seltsamen Geschehnisse. Unsere Reisenden befinden sich in den Fängen der Adamiten, einer Sekte, die Atticus für ein Ritual benötigt. In der Folge werden sie in Geschehnisse um ein Spukhaus, ein magisches Buch, ein Observatorium, Monster und Zauberer verwickelt…


Was ist das für ein Buch, das äußerlich ganz auf Pulp-Ära zurechtgemacht geschickt mit dem Lovecraft’schen Mythos der Großen Alten spielt?

Es gibt phantastische Geschehnisse, die episodenhaft aufgezogen den Leser mit Themen verwöhnen, die wir aus gängigen Horror-Romanen kennen und schätzen. Doch diese Geschichten in der Geschichte, die gerüchteweise auf den Plan einer entsprechenden Fernsehserie zurückzuführen sind, bilden nur das Gerüst für die eigentliche Botschaft, das Thema des Buches. Es geht schlicht darum, ein auch in Einzelheiten überzeugendes Bild des Rassismus in den USA der 50er Jahre zu malen. Und dieses Bild, das sich dem Leser hier, „wohl verpackt“ in schaurigen Topics erschließt, ist weit beängstigender als die Grusel-Themen. Die Vorurteile, die Diskriminierung die gerade in ihrer Alltäglichkeit nie hinterfragt oder kritisiert, auch von den betroffenen Schwarzen, gelebt wird, ist erschreckend. Zumal diese Zustände gerade wieder im Kommen zu sein scheinen.

So ist das Buch bei all seiner zeitgenössischen Akkuratesse auch als Warnung vor dem Wiedererstarken entsprechender Tendenzen zu verstehen, unterhält trotz des ernsten Themas aber ebenso in einem erstaunlich lockeren Tonfall spannend und kurzweilig.