Tad Williams: Der Drachenbeinthron – Das Geheimnis der Großen Schwerter 1 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 19. Juni 2010 10:16
Tad Williams
Der Drachenbeinthron
Das Geheimnis der Großen Schwerter 1
(The Dragonbone Chair)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Verena C. Harksen
Klett-Cotta, 2010, 976 Seiten, 24,90 EUR, ISBN 978-3-608-93866-1
Carsten Kuhr
Sieben Generationen ist es her, dass die Menschen von Norden her das Reich der Sithi einnahmen und die letzten Elfen aus ihrer angestammten Heimat vertrieben. Auf dem Thron sitzt der greise Johan Presbyter, der aus den Knochen des von ihm erschlagenen Feuerdrachen Shurakai seinen Herrschersitz errichten ließ.
Als Johan stirbt hinterlässt er sein Reich seinen beiden Söhnen. Elias, der ältere, wird neuer Hochkönig von Osten-Ard, der jüngere Prinz Joshua verschwindet im Kerker des Hochkönigs. Pryrates, der Berater des neuen Königs, hat den Nornen, einem verstoßenen Zweig der letzten Elfen, dessen Leben als Gegenleistung für die Überlassung für „Leid“, eines der drei magischen Schwerter, versprochen. Was als Bund zum vermeintlich gegenseitigen Nutzen beginnt, das verändert Elias immer mehr. Er zieht sich von seinen Untertanen zurück, entwickelt sich zum despotisch sein Volk knechtenden Herrscher.
Im Hochhorst, der königlichen Feste, die auf den Ruinen einer Sithi-Festung erbaut wurde, wächst unbemerkt von den Mächtigen des Reiches der rothaarige Simon Mondkalb auf. Als Waisenkind nehmen sich die Diener seiner an, auch wenn er mit seiner tapsigen Art deren Geduld oft stark strapaziert. Als Tagträumer geht er durchs Leben, träumt von einer Zukunft als mächtiger Krieger oder Magier und wirft dabei ein ums andere Mal Rüstungen um oder zerdeppert Inventar. Sein Leben ändert sich erst, als sich der Gelehrte Doktor Morgenes ihn als Lehrling annimmt. Statt aber große Zaubersprüche zu lernen, mit denen sich finstere Wesen besiegen ließen, heißt es zunächst schreiben, lesen und rechnen zu meistern. Als er eines Tages im Verlies den dort eingekerkerten Prinz Joshua entdeckt und zur Flucht verhilft, ahnt er noch nicht, dass auch sein Leben sich radikal ändern wird. Verfolgt von den Schergen des Hochkönigs flieht er aus dem Hochhorst, verbündet sich mit dem Troll Binabik und der Wölfin Qantaqa. Zusammen machen sie sich auf die gefahrenvolle Reise zur Burg Naglimund, in der Joshua seine Getreuen um sich schart. Um die drohende Wiederkehr des dunklen Elfenmagiers Inekulis Sturmkönig zu verhindern, müssen die drei von diesem geschmiedeten magischen Schwerter zusammengebracht werden. Zusammen mit Binabik und weiteren Kriegern begibt sich unser Held auf die Queste gen Norden, doch die Häscher der Nornenkönigin sind ihnen bereits auf den Fersen ...
Tad Williams oft gelobtes, ja begeistert gefeiertes Werk um Osten-Ard wird nach Jahren endlich neuaufgelegt. In den 80ern im Krüger Verlag als damals noch für Fantasy-Romane ungewöhnlichem Hardcover herausgekommen, danach vom Fischer Verlag in Taschenbüchern wiederaufgelegt war die vierbändige Saga lange Zeit nicht zu haben. Nun hat Williams Hausverlag Klett-Cotta sich entschlossen, die Zeit bis zum dritten und letzten „Shadowmarch“-Band mit der Neuauflage der vier Bände zu überbrücken.
Was den Leser erwartet, das ist nüchtern betrachtet nichts wirklich umwerfend Neues. Einmal mehr geht es darum, einem jungen, unbedarften Helden ins Abenteuer zu folgen. Zusammen mit andersrassigen Gefährten muss dieser sich in einer archaischen Welt bewähren, um das drohende Böse aufzuhalten. Es gibt die verzauberten Objekte, es werden weidlich Anleihen bei nordischen Mythen genommen, und selbst das Christentum findet, verkleidet als Usires Ädon, einen Platz im Werk. Dazu kommt, dass gerade der Beginn des Auftaktbandes sich zunächst zieht. Die ersten gut einhundert Seiten lesen sich, seien wir einmal ehrlich, nicht eben packend.
Williams lässt sich viel Zeit, seine Personen und die Bühne auf der er diese agieren lässt, einzuführen. Insbesondere der doch gerade am Anfang sehr tollpatschig agierende Simon strapaziert die Geduld des Lesers. Sobald unser Held die Hochburg aber verlassen hat und das Abenteuer so richtig ins Rollen kommt, zieht nicht nur das Tempo an, auch das solide Fundament, auf das Williams den Plot gestellt hat, zeigt Wirkung. Die parallel verlaufenden Handlungsstränge bieten dem Autor die Möglichkeit ein umfassendes Bild der Geschehnisse zu entwerfen, in das sich die vielen Details nahtlos einfügen. Zudem beweist der Autor, dass er der geborene Erzähler ist. Mit einer Mischung aus bekannten Versatzstücken und detailreichen Darstellungen der Völker und Landschaften seiner Welt gelingt es ihm. seine Leser immer tiefer in die Handlung zu ziehen. Neben den altbekannten Wesen und Handlungsabläufen sorgen auch Eigenkreationen, wie etwa die phantastisch fremdartig beschriebenen Sithi, dafür, dass ein ganz besondere Atmosphäre aufkommt. Dazu gesellen sich witzige Dialoge zwischen Simon und dem Troll, interessante Charaktere und immer wieder Ausflüge in eine unbekannte, teilweise fremde, dann wieder an Vorbilder erinnernde Welt, die in sich stimmig wirkt.
Insgesamt fügen sich diese Elemente zu einer Lektüre für Fans großer, in sich stimmiger Weltengebilde und einem Leseerlebnis, das beeindruckt.