Cassandra Clare: Lord of Shadows - Die Dunklen Mächte 2 (Buch)

Cassandra Clare
Lord of Shadows
Die Dunklen Mächte 2
(Lords of Shadows, 2017)
Übersetzung: Franca Fritz und Heinrich Koop
Titelbild: Cliff Nielsen
Goldmann, 2017, Hardcover, 832 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-442-31425-6 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Eigentlich sollte Emma Carstairs endlich zur Ruhe kommen, kennt sie nun die Umstände, unter denen ihre Eltern starben, zumal der Mörder tot ist. Aber genau das ist er nicht und attackiert das Institut der Schattenjäger in Los Angeles, das Heim der Blackthornes, weil er das Blut eines der ihren benötigt, um seine verstorbene Liebste ins Leben zurückzuholen. Der vorgebliche und kranke Institutsleiter Arthur opfert sich, um die Kinder zu beschützen, die nach London fliehen. Annabel Blackthorne steht tatsächlich von den Toten auf und bringt den Mann um, den sie so sehr liebte und der sie grausam enttäuscht hat.

In Annabels Besitz befindet sich das ‚Buch der Toten‘, das die Elbenkönigin des Lichten Hofs genauso begehrt wie ihr Gegner vom Dunklen Hof. Julian Blackthorne lässt sich auf einen Handel mit der Königin ein, die im Gegenzug die Schattenjäger in ihrem Kampf gegen den Dunklen Hof unterstützen und Julian verraten will, wie er den Parabatai-Fluch aufheben kann, der verbietet, dass er und Emma sich lieben dürfen.

Allerdings gibt es eine Gruppierung innerhalb der Schattenjäger, die jegliche Bündnisse mit den Elben und anderen Schattenwesen ablehnt, im Gegenteil, sogar restriktive Gesetze verordnen will, die jenen keinerlei Freiheiten mehr erlauben. Infolgedessen scheinen die Bemühungen der Blackthornes und ihrer Freunde ins Leere zu laufen, die Kräfte aller gegen den wahren Feind zu einen, dessen Macht nicht nur das Reich der Elben sondern auch das der Menschen in Mitleidenschaft zieht und die besonderen Talente und Waffen der Schattenjäger egalisiert.

Vor diesem Hintergrund finden Emma und Julian endlich zueinander, obwohl jeder den anderen durch ein Lügengeflecht vor dem Parabatai-Fluch hatte schützen wollen. Sie sind jedoch nicht die Einzigen, deren Herzen verwirrt sind. Mark, Julians Bruder, der einst der Wilden Jagd angehörte, empfindet sehr viel für seinen damaligen Gefährten, den Elben Kieran, aber auch für Emmas beste Freundin Cristina, die von ihrem Freund Diego bereits zwei Mal enttäuscht wurde. Die Zwillinge Ty und Livvy erweitern ihren Kreis um Kit Rook alias Christopher Herondale, der nach dem Mord an seinem Vater Aufnahme im Institut fand.

Die Verhandlungen, die eine versöhnliche Lösung und ein Bündnis mit dem Lichten Hof ermöglichen sollen, eskalieren. Es kommt zu Auseinandersetzungen mit den Gegnern dieser Politik der Vernunft, und auch auf Seiten der Blackthornes gibt es Opfer…


Der Roman folgt dem bereits eingeschlagenen Pfad des vorherigen Bands (sowie der Prequel-Titel) und schildert, wie die jungen Schattenjäger erkennen müssen, dass nicht alles so ist, wie sie immer geglaubt hatten. Tatsächlich müssen sie einige unangenehme Entdeckungen machen und Kämpfe ausfechten, durch die sie an ihre persönlichen Grenzen getrieben und zu unerwarteten Entscheidungen gezwungen werden.

Die menschlichen Konflikte stehen ohnehin im Vordergrund, denn sie machen alle Protagonisten angreifbar und sorgen für unerwartete Wendungen. Beispielsweise bekennen sich Emma und Julian zu ihrer verbotenen Liebe und suchen nach einer Möglichkeit, als Paar zusammenzubleiben, ohne alle Schattenjägerpflichten und -rechte aufzugeben. Cristina, die Diego verloren glaubt, findet sich in einer Art Dreiecksbeziehung mit Mark und Kieran wieder. Sogar zwischen Kit, Ty und Livvy wird eine angedeutet. Hinzu kommt ganz neu Dru, die bisher bloß auf ihren jüngsten Bruder aufpassen sollte, nun aber mit mysteriösen Jungen konfrontiert wird. Allein Tavvy, inzwischen sieben Jahre alt, wird von der Autorin nach wie vor wie ein Kleinkind geschildert (das herumgetragen und rundum betreut wird, glücklich mit Krabbelkindern spielt, statt sich weiterzuentwickeln - man hält ihn eher für einen maximal Vierjährigen).

Genau genommen sind es diese persönlichen und romantischen Konflikte, die den Hauptteil des Buchs ausmachen und für die meiste Spannung sorgen - die Kämpfe sind notwendiges Beiwerk, werden schnell abgehandelt, wirkend mitunter wenig realistisch und werden nicht selten per Zufall beziehungsweise von deus ex machina (z. B. Hexenmeister Magnus Bane) entschieden. Man wundert sich eh, dass die Protagonisten in heiklen Situationen Zeit für Liebesgeflüster haben, statt dass beziehungsweise bevor sie koordiniert vorgehen.

Die Handlung, die im Bereich der Urban Fantasy zu verorten ist, dient lediglich als Gerüst für mehrere romantisch-komplizierte Beziehungen, die mal in die eine, mal in die andere Richtung tendieren. Neben der traditionellen het-Liaison bietet die Autorin nun gendergerecht alle möglichen Varianten: Es gibt zwei Dreiecksbeziehungen, von denen vermutlich eine mit boy x boy, eine mit boy x girl enden wird. Ferner finden sich je eine girl x girl- und boy x boy-Verbindung. Ergänzt wird mit einer Transgender-Romance inklusive Geschlechtsumwandlung. Das ist alles in Ordnung, wirkt aber gleichzeitig sehr bemüht, quotengerecht und nach political correctness heischend. Selbst eingefleischten girls love- und boys love-Fans dürfte das zu dick aufgetragen sein.

In seiner Gänze betrachtet, wirkt der Roman wie ein typischer ‚Mittelband‘, der die verschiedenen Themen ein wenig vorantreiben, aber keine Lösungen offerieren darf. Tatsächlich endet er auch recht abrupt, weniger rund als Band 1, „Lady Midnight“, und hinterlässt viele offene Fragen, sodass man die Fortsetzung kaufen muss, will man erfahren, ob die Hauptfiguren die ihnen drohenden Gefahren abzuwenden vermögen.

Der Schutzumschlag mit Metallic-Effekten und erhabener Schrift ist dem des Vorgängerbandes nachempfunden, wirkt aber nicht ganz so spektakulär mit dem kleinen Schwertkämpfer in der Ecke vor einem diffusen Hintergrund.

Im Innern (Cover-/Backcover-Innenseite) ist der Stadtplan von Alicante nebst den Abbildungen einiger Gebäude zu sehen.

Hat man Gefallen gefunden an den Büchern von Cassandra Clare, wird man auch diesen Band erwerben wollen, um das Schicksal der Schattenjäger weiter zu verfolgen. Die Serien wenden sich in erster Linie an Leserinnen ab 13 Jahre, die Titel wie „Harry Potter“, „House of Night“, „Vampire Diaries“ und so weiter schätzen, welche mehr Teenie-Drama als handfeste, fantastische Kämpfe liefern, bei den Beziehungen clean bleiben und kurzweilige Unterhaltung für letztlich alle Lesergruppen in einer Art ‚Pilcher-Fantasy‘ bieten.