S. T. Joshi: H. P. Lovecraft - Leben und Werk Band 1 (Buch)

S. T. Joshi
H. P. Lovecraft - Leben und Werk Band 1

(1890-1924)
(I am Providence - The Life and Times of H. P. Lovecraft)
Übersetzung: Andreas Fliedner
Titelbild: benswerk
Golkonda, 2017, Hardcover, 734 Seiten, 39,90 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Was ist los, das muss man sich als Fan der unheimlichen Literatur und Bewunderer von Lovecrafts Schöpfung um die Großen Alten schon fragen, wenn innerhalb eines recht kurzen Zeitraums nicht weniger als vier sekundärwissenschaftliche Bücher über den Mann aus Providence, Rhode Island, erscheinen? Nachdem Festa zunächst mit Frank Belknap Longs „Mein Freund Lovecraft“ im Herbst 2016 begann, Tor mit Leslie Klingers „H. P. Lovecraft - Das Werk“ nachzog und wiederum Festa mit Bobby Deries „Sex und Perversion im Cthulhu-Mythos“ nachlegte, das findet im Golkonda Verlag nun seine Fortsetzung.

Eine weitere Abhandlung über Lovecraft, dieses Mal, des Umfangs wegen aufgeteilt in zwei Bänden, wartet mit der wohl umfassendsten Biographie auf den Interessierten.

Warum nun ausgerechnet in letzter Zeit das Interesse am Autor und seinem Werk so befeuert wurde, das ist logisch nicht richtig zu greifen. Sicherlich gab es Neuübertragungen, Festa legte ebenfalls eine neu übersetzte Werksausgabe vor und die Edition Phantasia versorgte die Begüterten mit einer in graues Samt gebundenen Liebhaberausgabe. Das alles mag aber als Erklärung für den Hype ein wenig mager aussehen; freuen wir uns trotzdem, dass Lovecraft und seinem Werk so viel Interesse entgegengebracht wird.


S. T. Joshi ist der wohl profundeste Kenner des Autors und dessen Werk. Joshi hatte Zugang nicht nur zu den erhalten gebliebenen Manuskripten, sondern auch zum umfangreichen Briefwechsel Lovecrafts und seinen Notizen, die in der Bücherei der Brown University aufbewahrt werden.

Zunächst stellt uns der Autor den jungen Lovecraft vor, geht dann chronologisch über in dessen Jugendzeit und seine ersten Versuche als Journalist. Sein latenter Rassismus wird dabei ebenso beleuchtet wie seine nicht unbedingt lesbaren Versuche als Vers-Dichter.

Danach wendet sich Joshi jeder einzelnen Geschichte zu. Er berichtet über die jeweilige Inspiration, über Quellen die Verwendung fanden und die Einordnung der jeweiligen Erzählung im Werk.


Man muss Joshis Wertungen nicht immer teilen, auf jeden Fall aber spricht hier ein umfassendes Wissen aus dem Text.

Allerdings liebt es Joshi auch, mit seinem Wissen und seinen Einsichten zu prahlen. Sehr oft schiebt er sich, seine Meinung in den Vordergrund statt diese, wie es Usus ist im kritisch-wissenschaftlichen Kreis, im Hintergrund zu platzieren. Auch fällt auf, dass er seine persönliche Einschätzung gerne als unverrückbar hinstellt und den Leser ein wenig zu bevormunden versucht.

Unbestritten ist die Detailfülle die er präsentiert, die Quellen aus denen er schöpfen kann und das Wissen, das er sich über den Menschen und dessen Werk angeeignet hat. Auch wird immer wieder deutlich, wie sehr Joshi die Texte schätzt, mit welcher Begeisterung, ja fast schon Obsession er an diese umfangreichste Biographie gegangen ist.

Als Fazit bleibt mir, dass diese Biographie weit detailreicher ist als die früheren in deutsch vorliegenden Versuche, Lovecrafts Leben und Werk einzuordnen (Lyon Sprague de Camp). Dabei erreicht er allerdings naturgemäß weder die Intimität von Long, der mit Lovecraft persönlich befreundet war, noch die kritische Distanz Klingers.