Bobby Derie: Sex und Perversionen im Cthulhu-Mythos (Buch)

Bobby Derie
Sex und Perversionen im Cthulhu-Mythos
(Sex and the Cthulhu Mythos)
Übersetzung: Michael Siefener
Festa, 2017, Hardcover, 512 Seiten, 36,80 EUR, ISBN 978-3-86552-474-4 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Howard P. Lovecraft wird in aller Regel als puritanischer Mensch beschrieben. Nur zwei Jahre hat seine Ehe gehalten, ob sie in dieser Zeit auch in körperlicher Hinsicht als glücklich zu bezeichnen war, das bleibt offen, darf aber bezweifelt werden. Über solch einen Autor ein Buch zu verfassen, in dem es um Sex im Werk geht, ist eine Herausforderung. Sicherlich, die Frau aus Dunwich muss sich mit Yog-Sothoth eingelassen haben, die Bewohner Innsmouths durften Unzucht mit Wesen aus den Tiefen der Ozeane treiben - der Rest aber wird jeweils, ganz der Zeit geschuldet, schamvoll verschwiegen.

Nun, Bobby Derie untersucht, beurteilt und spekuliert im ersten Teil des umfangreichen Buchs über jede Geschichte des Autors. Vorher geht er auf die Gerüchte über eine eventuell homosexuelle Neigung Lovecrafts ein, die er letztlich verneint, zeigt aber auch auf, dass Lovecraft tolerant auf bekennende homosexuelle Kollegen zuging und diese akzeptierte.

So entsteht das Bild eines Mannes, der dem Zeitgeist folgend die Sexualität als etwas, worüber man nicht sprach, das man versuchte zu unterdrücken und über das man als Autor der wahrgenommen, der veröffentlicht wurde und der hoffte anerkannt zu werden, nicht schrieb. Ein Kind seiner Zeit könnte man titulieren, wobei Derie, als er sich dann die einzelnen Geschichten dezidiert vornimmt und untersucht, immer wieder überraschende Hinweise und verborgene Ansätze entdeckt.

Im zweiten Teil wendet er sich dann Zeitgenossen und Autoren zu, die Lovecraft inspiriert haben, aber auch Nachfolgern im Geiste (Robert E. Howard, Clark Ashton Smith, Ramsey Campbell, W. H. Pugmire und Caitlín R. Kiernan).

Dabei wird nicht nur deutlich, dass der Autor ein enormes Wissen um den Lovecraft’schen Schaffenskosmos besitzt, dass hier ein Mann seine Stimme erhebt, der etwas zu berichten weiß, sondern auch, dass er sich umfassend, wissenschaftlich fundiert mit der Materie aber auch anderen Autoren beschäftigt hat. Dass sich das Gebotene beileibe nicht trocken oder langweilig anbietet, dass die Lektüre eher interessant zu nennen ist, sei erstaunt und bewundernd angemerkt.

Natürlich richtet sich das Buch in erster Linie an Fans des Einsiedlers aus Providence, die tiefer in die Materie eintauchen, den Menschen und Autor aus einer ungewohnten Sichtweise verstehen wollen. Diese werden so manche Anregung erhalten, die eine oder andere Geschichte nochmals hervorzuholen und erneut zu goutiere und dabei erkennen, dass Derie so manches überraschende Detail aufgespürt und angemerkt hat.