Nana Rademacher: Wir waren hier (Buch)

Nana Rademacher
Wir waren hier
Ravensburger, 2016, Hardcover, 344 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-473-40139-0 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Christel Scheja

Die 1966 geborene Nana Rademacher studierte Sozialpädagogik und arbeitete lange Jahre als Regieassistentin und Lektorin für den NDR. Inzwischen ist sie beim Südwestrundfunk angestellt und schreibt. Sie ist vor allem im Bereich der Jugendromane tätig und passt sich den Trends an, was man auch „Wir waren hier“ anmerkt.

 

Anna kann selbst nicht mehr sagen, was ihre Welt verändert hat, sie weiß nur, dass es inzwischen nur noch um das nackte Überleben geht. Denn Berlin liegt in Trümmern, Strom und Internet funktionieren nur noch sporadisch und Essen ist nur schwer zu bekommen. Außerdem wird die Stadt vom Militär abgeriegelt und wenn die Soldaten durch die Stadt ziehen ist Verstecken angesagt, denn die kennen keine Gnade. Vor allem allein lebende Jugendliche werden getötet oder verschleppt.

Dennoch hat Anna den Mut einen Blog zu beginnen und trifft im Netz schon bald den gleichaltrigen Ben. Doch kann sie diesem wirklich trauen? Erzählt er ihr nicht irgendwelche Lügen? Als er nach Berlin kommt, ist es somit an ihr, sich ihm zu erkennen zu geben oder nicht. Doch was hat sie für eine Wahl, als weder ihr Vater noch ihre Mutter die nächste Zeit der Not und Kälte überleben? Und welche Zukunft hat sie jetzt noch, wo sie ganz alleine auf der Welt ist und niemanden mehr hat - außer ihm?


Nana Rademacher zeichnet keine nette und freundliche Zukunft, in der alles Friede, Freude und Eierkuchen ist, sondern eine, die durchaus möglich werden könnte, wenn es so weiter geht. Dabei spart sie sich allerdings, zu erklären, wie es überhaupt erst dazu gekommen ist und konzentriert sich ganz auf Anna und ihre kleine Welt, die sich erst nach und nach ein Stück vergrößert.

Akribisch beschreibt sie, wie das Mädchen den Kampf ums Überleben mitbekommt und dadurch langsam aber sicher erwachsen wird. Liebe spielt zwar auch eine Rolle, aber die ist eher Nebensache, weil der Fokus vor allem auf Anna bleibt, die nach und nach lernen muss, mit Verlust und Schmerz fertig zu werden, Angst und Hoffnungslosigkeit als zuverlässige Begleiter. Immerhin scheint sich das Blatt zu wenden, nachdem es erst ganz böse aussieht, als sie in die Gewalt von Soldaten gerät und dann die Härte des neuen Regimes miterlebt, dass vor allem die Mädchen zu Gehorsam erziehen will.

Hier kann man sehr interessante Parallelen zu diktatorischen Regimes der Realität ziehen, denn gerade die Indoktrination der Jugendlichen ist nicht von schlechten Eltern.

Das was die Geschichte aber wirklich aus der Masse vergleichbarer Werke heraushebt, ist der kleine aber feine Twist am Ende, der alles in Frage stellt, was zuvor gewesen ist, aber umso passender wirkt.

Die Figuren selbst sind einfach gestrickt, um es den jungen Lesern möglich zu machen, sich mit ihnen zu identifizieren, auch Feindbilder sind meistens recht klar gezeichnet. So ist das Buch eine feine Sache, die in sich rund bleibt.

„Wir waren hier“ ist eine düstere Dystopie, die Berlin in einer Zukunft zeigt, das wohl niemand gerne erleben möchte, aber gar nicht so unwahrscheinlich ist, wenn die Entwicklungen so weiter gehen. Anna und Ben sind glaubwürdige Protagonisten, denen das Erwachsenwerden nicht gerade einfach gemacht wird, was bei den intensiven Schicksalen umso erschütternder wirkt.