Oliver Henkel: Im Jahre Ragnarök (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 30. Mai 2010 14:29
Oliver Henkel
Im Jahre Ragnarök
Titelbild: Timo Kümmel
Atlantis, 2009, Paperback mit Klappenbroschur, 216 Seiten, 12,90 EUR, ISBN 978-3-941258-05-1
(auch als Hardcover mit Lesebändchen nur direkt beim Verlag erhältlich, 14,90 EUR)
Armin Möhle
„Im Jahre Ragnarök“ ist nach „Die Zeitmaschine Karls des Großen“ (Accra, 2001) und „Kaisertag“ (Accra, 2002) der dritte Alternativwelt-Roman Oliver Henkels. Für die ersten zwei Romane erhielt der Autor den Deutschen Science Fiction Preis des SFCD.
Der neue Roman des Autors schildert ein Deutschland, das sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges anders entwickelte als in unserer Realität. Stalin verstarb vor dem Ende des Krieges, Ostdeutschland wurde nicht von den Russen besetzt. Stattdessen wurde der Morgenthau-Plan verwirklicht. Deutschland ist wirtschaftlich bedeutungslos und ein politischer Flickenteppich, aufgeteilt in eine britische und in eine amerikanische Besatzungszone. Westlich des Rheins existiert die Rheinische Republik von Frankreichs Gnaden.
John Tubber ist ein drittklassiger britischer Geheimagent, der nach einem verpatzten Auftrag nach Deutschland geschickt wird, um einen Fall von Kunstschmuggel aufzuklären. Tubbers Weg führt zunächst von Hamburg nach Kassel, wo er meint, einer Verschwörung einer getarnt agierten Nazi-Organisation auf die Spur gekommen zu sein, die sich durch den Verkauf von Kunstwerken finanziert. Gegen den Widerstand seiner Vorgesetzten und eines klischeehaft gezeichneten US-amerikanischen Agenten gelangt Tubber über Potsdam, Dresden und Pirna in das Erzgebirge, wo er tatsächlich einen Nazi-Stützpunkt entdeckt.
„Im Jahre Ragnarök“ ist routiniert geschrieben; die Welt, die Oliver Henkel schildert, wirkt authentisch. Ein vom Morgenthau-Plan gezeichnetes Deutschland hat zwar Thomas Ziegler bereits in seinem Roman „Die Stimmen der Nacht“ (Ullstein, 1984) geschildert. Das ist freilich die einzige Parallelität zu „Im Jahre Ragnarök“, da „Die Stimmen der Nacht“ einen gänzlichen anderen Plot aufweist.
Der Alternativweltentwurf ist nicht der einzige Inhalt des Romans, mindestens genauso gewichtig ist die Aufdeckung der Nazi-Verschwörung in Form eines Agenten-Thrillers. Oliver Henkel gelingen einige Gags, in dem er diverse, kulturschaffende Personen unserer Realität (wie zum Beispiel Jack Kerouac) in einem anderen Kontext auftreten lässt, andere wiederum, historische Personen vor allem, werden karikiert. Es überrascht natürlich nicht, dass die Nazis ihren Plan zur Übernahme der Weltherrschaft verfolgen. Das Mittel, das sie dazu einsetzen, ist probat und dem klassischen Repertoire der Science Fiction entlehnt. Es belastet die Plausibilität des Romans, dass es Mitte der 40-er Jahre theoretisch erkannt und zur Zeit der Handlung, zu Beginn der 60-er Jahre, einsatzfertig gebaut wurde.
Thomas Ziegler ist in „Die Stimmen der Nacht“ nicht diesen einfachen Weg gegangen und hat die Grenzen der SF überschritten (zumindest in ihrem klassischen Verständnis).
„Im Jahre Ragnarök“ ist auch der dritte Alternativweltroman, den der Atlantis Verlag publiziert, der die nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands variiert: Der Parodie „Und morgen der ganze Weltenraum!“ (2007) von Stefan T. Pinternagel und dem ambitionierten, aber nicht völlig logischen Roman „Alles bleibt anders“ (2008) von Siegfried Langer folgt mit „Im Jahre Ragnarök“ von Oliver Henkel nun die Action-Variante.