Alessandra Ress: Liminale Personae (Buch)

Alessandra Ress
Liminale Personae
Titelbild: Mark Freier
Amrun, 2016, Taschenbuch, 108 Seiten, 6,90 EUR, ISBN 978-3-95869-201-5 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Willkommen in der Welt nach der großen Katastrophe. Die wenigen Überlebenden haben sowohl den Untergang als auch die Zombie-Bedrohung überstanden und sich auf eine Insel zurückgezogen. Hier leben sie, wohlbehütet von starken Mauern und geleitet von den sechs Gesichtslosen.

Nihile gehört zu den Jungen, die gegen die Autorität aufbegehrt. Wir lernen sie kennen, als sie an einer - natürlich ungenehmigten - Demonstration teilnimmt. Die nächste Nacht wird sie aus ihrem Bett geholt, gefesselt und mit verbundenen Augen in ein Verhörzimmer gebracht. Zwei Maskierte warten auf sie, befragen und urteilen über sie. Sie wird aus der Stadt verbannt, soll sich in der Wildnis klar darüber werden, was sie verloren hat.

Dort trifft sie auf Leidensgenossen, die sich wie sie mit dem Status Quo nicht abfinden wollen. In einem Dorf, das von einer Königin regiert wird, erfährt sie mehr und muss erkennen, dass eine Monarchie als Regierungsmodell auch nicht unbedingt das Gelbe vom Ei ist.

Wofür wird Nihile sich entscheiden – für die scheinbare Demokratie, die Monarchie oder…?


Vorausschicken möchte ich, dass es sich bei der Novelle nicht um ein Zombie-Werk handelt, sondern eine Coming-of Age-Geschichte auf den Leser wartet.

In einem sehr intensiven, gefälligen Stil berichtet uns die Autorin von ihrer Protagonistin, die sich wichtigen Fragen gegenübersieht. Müssen Regeln sein? Warum können Menschen nicht friedlich ohne eine gewisse Art von Direktive zusammenleben, warum muss sich die Individualität so manches Mal dem Allgemeinwohl unterordnen? Kann man die Mauern, sowohl die realen wie die im Kopf, abreißen - und soll man dies? Fragen, die sich nicht nur unsere Hauptperson sondern die Leser stellen.

Die phantastisch angehauchte Umgebung, die Katastrophe, die die Menschen auf die Insel gebracht und dort festgesetzt hat, dient hier nur als relativ unwichtige Kulisse. Es geht mehr darum die Entwicklung Nihiles aufzuzeigen, ihre anfängliche Verbohrtheit, ihr Nihilismus, das behutsame Erkennen und Begreifen, letztendlich das Reifen zu einer eigenständigen Persönlichkeit.

Das liest sich intensiv, macht nachdenklich, regt an, sich selbst mit den aufgeworfenen Fragen zu befassen, sich zu platzieren und bietet tiefgründige Unterhaltung für ein paar wenige Stunden.