Die Chroniken von Elduin und Donestan 1: Verloren im Schnee (Comic)

Velvet Toucher

Die Chroniken von Elduin und Donestan 1
Verloren im Schnee
(Lost in the Snow, 2014/2015)
Übersetzung: Patricia Krätschmer, Sandra Gundelach
Fireangels, 2015, Paperback, 144 Seiten, 22,00 EUR, ISBN 978-3-939309-48-2

Rezension von Irene Salzmann

In einer dem europäischen Mittelalter nachempfundenen Welt kämpfen zwei Halbbrüder um Leben und Tod. Goduin, der legitime Sohn des Lord von Breye, gilt als Verräter. Elduin, der Bastard des Fürsten, hofft, wenn er siegreich ist, seine Position zu verbessern. Tatsächlich überlebt er und wird schwerverletzt von Donestan, einem Gefolgsmann, gefunden.

Dieser bringt Elduin zu einer einsamen Hütte, deren Bewohner nicht mehr am Leben sind, und pflegt ihn gesund. In den Wochen, die sie eingeschneit auf engstem Raum verbringen, kommen sie einander näher. Zunächst ist es reine körperliche Begierde, doch dann beginnt sich Elduin für seinen Retter zu interessieren, der sich schwer tut, die Standesunterschiede zu überwinden, aber offenbar tiefere Gefühle für seinen Herrn hegt.

Nach zwei Monaten kehren sie an den Ort zurück, an dem der Kampf stattgefunden hat, und Elduin vertraut Donestan an, was wirklich geschehen ist. Überdies bittet er ihn, bei ihm zu bleiben als sein treuer Ritter…


Nun, man verrät kein großes Geheimnis, wenn man erklärt, dass die Handlung in erster Linie dazu dient, zwei Männer an einen einsamen Ort zu bringen, an dem sie keine andere Abwechslung haben als Sex im Bett, auf dem Boden, auf dem Tisch, auf… und so weiter. Das ist bei 18+ Titeln nichts Ungewöhnliches. Dennoch überzeugt der Ablauf mehr als in manch anderen Mangas, denn aus hurt & comfort wird zögerlicher, aber einvernehmlicher Sex, zu dem sich schließlich Gefühle gesellen.

Was auch positiv auffällt, ist, dass die beiden Protagonisten keine Bishonen sondern Biseinen sind, d. h., junge Männer, die über zwanzig Jahre alt sind, Bartstoppeln und Körperbehaarung haben, sich durch kantigere Gesichter und muskulöse Körper auszeichnen -  also, echte Männer und keine Milchbubis und schon gar nicht mit Shojo-Attributen wie großen, verträumten Augen oder sonstigem kawaii-mou-niedlich-Gedöns.

Weil dies so ganz anders ist, als das, was man von nahezu allen Boys-Love-Mangas gewohnt ist, die bei den ‚großen‘ Verlagen erscheinen und an ein erwachsenes Publikum adressiert sind, ist man in seiner Überraschung geneigt, den Titel eher einem männlichen Manga-Künstler aus dem Westen zuzuschreiben, wo man Vergleichbares eher findet. Aber weit gefehlt! Velvet Toucher ist eine japanische Mangaka, deren Werk den westlichen Geschmack - was Story und Zeichenstil angeht -, deutlich besser trifft als das mancher ihrer Kolleginnen und Kollegen.

Die Abbildungen sind äußerst explizit. Weder gibt es ein ‚Weichzeichnen‘ noch schwarze Balken oder Sprechblasen über pikanten Stellen. Es wird wirklich alles gezeigt, nichts bleibt der Fantasie überlassen, und das auf ganz vielen Seiten, auf denen es so richtig ‚zur Sache geht‘. Die schwarz-weißen Illustrationen wirken mit ihren Grau-Nuancen sehr realistisch, die Anatomie der Charaktere stimmt, sehr schön sind auch die einzelnen perspektivischen Bilder, die wie bei einer Fotografie einen klaren Vordergrund (das Hauptmotiv) und einen leicht verschwommenen Hintergrund haben.

Die Story ist so angelegt, dass sie sich leicht fortsetzen lässt, und das ist auch geplant („Verloren im Schnee“ startete als Webcomic). Ob die Handlung in späteren Episoden etwas mehr in den Vordergrund rückt und nicht bloß als Gerüst für die erotischen Szenen dient, bleibt abzuwarten. Über die Protagonisten erfährt man hier bloß einige wesentliche Details, doch sind sie und ihre Beziehung entwicklungsfähig.
Ganz hübsch sind die beigefügten Goodies: ein großformatiger Druck und vier Postkarten, auf denen Elduin und Donestan zu sehen sind. Für Vorbesteller gab es noch einen zweiten Druck.

„Verloren im Schnee“ ist eine von vielen positiven Überraschungen, die das Programm des Fireangels Verlag bietet. Die Geschichte und die Akteure haben Potenzial, die Zeichnungen sind sehr gefällig und dazu überaus explizit, sodass man den Titel erwachsenen Kennern des Genres empfehlen möchte.