Nnedi Okorafor: Lagune (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 16. November 2016 10:09
Nnedi Okorafor
Lagune
(Lagoon, 2014)
Übersetzung Claudia Kern
Titelbild: Greg Ruth
Cross Cult, 2016, Taschenbuch, 410 Seiten, 18,00 EUR, ISBN 978-3-86425-873-2 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Christel Scheja
Nnedi Okrafor ist die Tochter zweier nigerianischer Einwanderer und in den USA aufgewachsen, aber sie lässt es sich trotzdem nicht nehmen, immer wieder die Kultur der Heimat ihrer Eltern in aufrüttelnden Szenarien einzubringen, deren Figuren sich länger einprägen. „Lagune“ entstand aus dem Gedanken heraus, den Erstkontakt mit einer außerirdischen Rasse einmal in einem ganz anderen Licht darzustellen als in dem südafrikanischen Film „District 9“.
Drei Menschen, eine Frau und zwei Männer, werden am Strand von Lagos aus heiterem Himmel von einer Welle ins Meer gerissen. Das wäre zwar eine Meldung wert, aber nicht so erstaunlich wie die Tatsache, dass die Biologin Adaora, Anthony und Agu, Rapper und Soldat, bald wieder putzmunter auftauchen. An ihrer Seite ist nun eine Frau, Ayodele, die Botschafterin einer fremden Macht, deren Schiffe bereits auf der Ende gelandet sind.
Schon bald verbreitet sich die Nachricht durch einige Videos auf YouTube rund um die Welt - und das Chaos bricht aus. Zwar versuchen die Anführer religiöser Vereinigungen und das Militär die Nachrichten zu stoppen, um selbst handeln zu können, aber es ist schon zu spät, der Wahnsinn nicht mehr zu stoppen.
Die Angst regiert viele Menschen, vor allem die Führungspersönlichkeiten, die darüber beraten, wie man die Eindringlinge vor Lagos ausschalten kann, ehe sie zu gefährlich werden. Denn niemand weiß, was sie eigentlich hier wollen. Nur eine könnte ihnen Antwort geben - doch würde sie Gelegenheit dazu bekommen?
Man merkt, dass Nnedi Okrafor mit viel Liebe von der Kultur spricht, in der sie vielleicht nicht aufgewachsen ist, aber die sie vermutlich durch ihre Eltern und viele Besuche bei Verwandten verinnerlicht hat. Die nigerianische Lebensart und Denkweise in all ihren Facetten schimmert nämlich sehr lebendig durch und sorgt für die intensive und zum Teil auch exotische Atmosphäre, die die Geschichte zusammenhält.
Auch wenn sich die Handlung meistens um ihre vier Hauptpersonen dreht, die drei Menschen die alle einen bestimmten und wichtigen Aspekt der nigerianischen Gesellschaft verkörpern oder mit diesem verbunden sind, so gibt es doch immer wieder Szenen, in denen sie das Geschehen an anderer Stelle schlaglichtartig beleuchtet. So bekommt der Leser ein rundes Bild von der Situation und kann sich ganz und gar auf die Entwicklungen konzentrieren. Denn die spannende Frage, was die Außerirdischen eigentlich auf der Erde wollen wird erst gegen Ende enthüllt. Zuvor darf man mit den Menschen rätseln ob die Ankunft von Wesen aus einer anderen Welt nun Fluch oder Segen ist. Und dabei hilft manchmal auch das eigene Selbstverständnis von Leben und dem Fremden.
Die Geschichte findet eine ganz eigene Lösung für den Umgang mit den Fremden und schlägt besinnliche Töne an, so dass man auch am Ende noch eine Weile über das Gelesene nachdenkt. Eingebettet ist das natürlich in eine poetische Sprache mit klug gewählten Worten und Bildern, die die Wertung dem Konsumierenden überlassen und ihn so ein weiteres Mal herausfordern.
„Lagune“ ist eine eigenwillige Interpretation des Erstkontakts mit fremden Wesen, der faszinierend ist, weil die Autorin die Gelegenheit nutzt, auch Elemente der nigerianischen Wirklichkeit mit pointierter Feder einzubringen, die das fiktive Geschehen umso realistischer machen.