Ralf Boldt: Was kostet eine Raumstation? (Buch)

Ralf Boldt
Was kostet eine Raumstation?
Ökonomische Themen in der Science Fiction
2015, Taschenbuch, 238 Seiten, 9,99 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Armin Möhle

„Was kostet eine Raumstation?“, fragt Ralf Boldt in seinem Sachbuch. Nun, er gibt auch die Antwort darauf: 100 Milliarden US-Dollar hat der Bau der ISS beansprucht. Aber das ist nicht das Thema des Buchs; freilich hätten Titel wie „Was kostet Deep Space Nine?“ oder „Was kostet die Basis?“ vermutlich markenrechtliche Probleme heraufbeschworen. Aber warum ist auch unter Umständen ein prägnanterer, treffenderer Titel nicht möglich gewesen…?! Es geht nämlich um „Ökonomische Themen in der Science Fiction“, so der Untertitel.

 

Das Buch beginnt mit einem theoretischen Exkurs, über ökonomische Grundbegriffe, über Wirtschaftstheorien, von Merkantilismus über den Keynesianismus bin hin zu der partizipatorischen Ökonomie. Das ist für das Verständnis der folgenden Passagen sicherlich sinnvoll, nimmt aber zunächst fast die erste Hälfte des Bandes ein… Aufgelockert wird dieser Part nur, wenn der Autor Beispiele aus SF-Romanen und -Filmen anbringt.

Danach steigt Ralf Boldt aber ein - in das Genre. Er untersucht etwas mehr als ein Dutzend Science Fiction-Romane, in denen ökonomische Aspekte im Mittelpunkt der Handlungen stehen. Die Darstellungen sind selbstverständlich nach den Phasen in der Entwicklung der Science Fiction sortiert, was auch sinnvoll ist. Es überrascht freilich, dass der Autor im ‚Goldenen Zeitalter‘ nur einen einschlägigen SF-Roman gefunden haben will… In der klassischen und modernen Epochen des Genres dagegen deutlich mehr. Es zeigt sich, dass die Ökonomie im Genre ein Randthema ist, das dennoch einige bekannte und herausragende Romane hervorgebracht hat, sowohl international wie auch national (beispielsweise „Planet der Habenichtse“ von Ursula K. LeGuin oder „Eine Billion Dollar“ von Andreas Eschbach).

Der Autor stellt auch drei große SF-Serien vergleichend nebeneinander: „Perry Rhodan“, „Star Wars“ und „Star Trek“, die drei unterschiedliche Wirtschaftsentwürfe repräsentieren: die Projektion des realen ökonomischen Systems in die Zukunft, eine Wirtschaft, die an modernen Theorien gemessen, völlig veraltet ist, und einen partizipatorischen Ansatz.


„Was kostet eine Raumstation?“ ist eine beeindruckende und kompetente Fleißarbeit. Es muss zugegeben werden, dass der Leser den Band nicht benötigt, um die Lektüre von SF-Romanen und -Kurzgeschichten, den Konsum von Kinofilmen und TV-Serien genießen zu können. Das findet durchaus seine Entsprechung auf der Produzentenseite: Die wenigsten Autoren und Filmemacher stellen Überlegungen darüber an, wie ihre zukünftigen Welten - ökonomisch - funktionieren.

Ökonomische Aspekte können in der Science Fiction nicht nur unbeachtet bleiben, sondern auch  irrelevant werden. In den „Kultur“-Romanen des verstorbenen schottischen Autors Iain Banks können die Menschen der Zukunft auf schier unerschöpfliche Ressourcen zurückgreifen. Handel, das Streben nach Gewinn und Reichtum, der Besitz von Privateigentum werden obsolet. Es bedarf nur die Verwertung der Ressourcen, ihre Umwandlung in fertige Produkte. Und das besorgen die KIs und so weiter. des „Kultur“-Universums. Was, zugegebenermaßen, in dieselbe Richtung wie die Ökonomie im „Star Trek“-Universum weist, aber konsequenter und in einem größeren Maßstab.

Wer dennoch, als Leser, über Lektüre oder den Kinobesuch hinaus mit Ralf Boldt in die Ökonomie in der Science Fiction einsteigen will, ist mit „Was kostet eine Raumstation?“ gut bedient. Nichtsdestotrotz ist anzunehmen (zu befürchten?), dass „Ökonomische Themen in der Science Fiction“ auch in Zukunft (sic!) Seltenheitswert besitzen werden.