Oliver Henkel: Wechselwelten (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 29. September 2016 09:13
Oliver Henkel
Wechselwelten
Titelbild: Timo Kümmel
Atlantis, 2014, Paperback, 162 Seiten, 11,90 EUR, ISBN 978-3-86402-106-0 (auch als Hardcover und eBook erhältlich)
Rezension von Irene Salzmann
In „Wechselwelten“ präsentiert Oliver Henkel acht mehr oder minder kurze Erzählungen, in denen historische Ereignisse nicht ganz so ablaufen, wie man es aus den Geschichtsbüchern kennt. Im Gegensatz zu anderen Autoren, die sich ebenfalls mit alternativen Welten befassen, konzentriert er sich jedoch weniger bis gar nicht auf das Danach, sondern auf den Augenblick, der die Veränderung herbeiführt und lässt die Konsequenzen offen beziehungsweise überlässt sie der Phantasie seines Publikums.
Als Background wählt Oliver Henkel verschiedene Orte, Zeitalter und fiktive Begebenheiten, beispielsweise den Aufstieg und das Ende von Alexander dem Großen, einen Prozess Abraham Lincolns vor dem Sezessionskrieg, die Verhandlungen Adolf Hitlers mit Al Capone vor dem Zweiten Weltkrieg und so weiter. Gelegentlich kommt er dabei sogar auf bereits von ihm beschriebene Szenarien zurück.
Die längste und auffälligste Story ist „Die Unsterblichkeit des Harold Strait“. In dieser nehmen ausgesuchte Studenten an einem Zeitreise-Projekt teil. Persönliche Motive veranlassen den Titelhelden, gegen die Regeln zu verstoßen, was ungeahnte Konsequenzen hat, vor allem für ihn.
Zu viel möchte man nicht verraten, da sonst die Überraschung entfiele, ebenso bei den anderen Erzählungen.
Etwas säuerlich stoßen jene Geschichten auf, die einen preußisch-nazistischen Hintergrund haben. Man ist es ja schon gewohnt, dass vor allem amerikanische, britische und französische Autoren, denen nichts mehr einfällt, wieder mal einen bösen Deutschen beziehungsweise Nazi ausgraben mit der ewig gleichen Leier - aber deutsche Autoren auch? Obwohl wir im Jahr 2016 leben, von den Kriegsverbrechern keiner mehr am Leben sein dürfte, die Menschen von heute und auch ihre Eltern, oft nicht einmal die Großeltern etwas damit zu tun hatten - finden einige Schreiberlinge keine besseren Ideen? Das Ganze ist nach über 80 Jahren, auch als Satire, so abgedroschen, dass man bloß noch den Kopf schütteln kann, wenn die alten Kamellen, in welchem Zusammenhang auch immer, mal wieder bemüht werden, ohne etwas Neues anzubieten.
„Wechselwelten“ offeriert einige reizvolle Storys mit interessanten Denkansätzen, aber das Herumreiten auf alten Nazi-Themen, die man längst abgehakt hat oder hätte abhaken können - es gibt einen Unterschied, ob man vor der Wiederholung von Fehlern warnt oder eine Nation auf diese Fehler zu reduzieren versucht -, kann man bloß noch als nervig empfinden. Schade, denn gerade SF-Freunde möchten nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit die Zukunft viel lieber positiv gestalten und sich infolgedessen mit frischen, zeitgenössischen - und futuristischen statt vergangenen - Motiven befassen.