Der Verdacht des Mr. Whicher: Mein Fleisch und Blut & Der Schein trügt (DVD)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 08. Mai 2016 10:35
Der Verdacht des Mr. Whicher: Mein Fleisch und Blut & Der Schein trügt
GB 2013/2014
Von Christel Scheja
Anders als viele andere Detektive und Polizeiinspektoren der viktorianischen Ära ist Detective Inspector Jonathan „Jack“ Whicher (1814-1881) tatsächlich eine historische Figur, der später den Titel „The Prince of Detectives“ erhielt und Mitglied des „Detective Branch“ von Scotland Yard war. Die Schriftstellerin Kate Summerscale setzte ihm mit ihrer Romanreihe ein Denkmal. Die Bücher sollten auch die Grundlage für die vierteilige Serie von ITV bilden. Polyband legt die Serie nun in zwei DVDs mit jeweils zwei Fällen als „Der Verdacht des Mr. Whicher“ auf, eine davon enthält die Episoden „Mein Fleisch und Blut“ & „Der Schein trügt“.
„Mein Fleisch und Blut“ entführt in die besseren Kreise Englands. Charles Shore, ehemaliger Offizier, der seinen Dienst in Indien tat, wird eines Tages von einem Inder verfolgt, kurze Zeit später verletzt ein Stein, der durch ein Fenster fliegt, eines seiner Kinder. Charles Vater, Sir Edward Shore bittet Jack Whicher, der mittlerweile als Privatermittler arbeitet, um Hilfe. Der rät eigentlich besser doch Scotland Yard einzuschalten, aber das wird abgelehnt. Als dann auch noch der Inder, der Charles verfolgte, tot aufgefunden wird, eskaliert die Situation. Jack Whicher ahnt: es steckt weit mehr dahinter als die Familie zugeben will…
„Der Schein trügt“ beginnt mit dem Auftrag von Sir Henry Coverly, dessen junge Frau zu beschatten, weil er sie für untreu hält. Was auch richtig ist, denn Jack Whicher findet heraus, dass sie ein Verhältnis mit Matthew Thoregood hat. Deshalb will sich der Adlige scheiden lassen. Zu dem entsprechenden Prozess soll Thoregood eigentlich auch erscheinen, aber er kommt nicht - ist er doch bereits tot, ermordet von unbekannter Hand; und damit hat Whicher einen neuen Auftrag, nämlich den Mörder zu finden.
Eigentlich sind die Geschichten, die hier erzählt werden, nicht ungewöhnlich, sondern gehören zum Standardrepertoire britischer Kriminalgeschichten. Ein Mord geschieht, die Beweislage ist von den Indizien her eigentlich klar, aber der Ermittler selbst hat schnell seine Zweifel, weil er sich auch mit den Menschen beschäftigt, die aus dem Umkreis des Opfers und mutmaßlichen Täters stammen. Und natürlich entpuppt sich nach und nach der offensichtliche Verdacht als völlig falsch, denn die Wahrheit liegt an einer anderen Stelle.
Was die Serie jedoch aus der Masse heraushebt, ist das Setting. „Der Verdacht des Mr. Whicher“ agiert in einer Zeit, in der allein das Offensichtliche zählt, die Ermittlungsmethoden noch auf Indizien setzen, die oft genug falsch gedeutet werden. Der Titelheld jedoch beschäftigt sich mehr mit den Menschen im Umfeld von Opfer und Verdächtigem und bezieht auch beider Vergangenheit mit ein - etwas, was von den meisten Zeitgenossen weder ernstgenommen noch gerne gesehen wird, denn gerne lässt sich niemand in der eigenen Geschichte herumschnüffeln.
Das ist es auch, was immer wieder durchklingt. Jack Whicher eckt mit seinen Fragen und seinen Nachforschungen nicht selten an, weil die feine Gesellschaft nicht möchte, dass er ihre „Leichen im Keller“ entdeckt. Das merkt man besonders schön an der ersten Geschichte, in der die Familie des Opfers jeden Grund hat, den Ermittler nicht in der Vergangenheit in Indien wühlen zu lassen, denn dass lässt die Geschichte gleich in einem ganz anderen Licht erscheinen.
Das Ambiente stimmt daher nicht nur in der Gestaltung der Kulissen und Kostüme, auch die Figuren agieren so, wie man es von den „Viktorianern“ irgendwie erwartet. So wird man als Zuschauer ganz in den Film hineingezogen und langweilt sich trotz der eher ruhigen Erzählweise nicht.
Bild und Ton sind auf der Höhe der Zeit, Extras gibt es allerdings keine, obwohl das bei dieser Serie sicherlich sehr interessant gewesen wäre.
„Der Verdacht des Mr. Whicher“ ist ein Fest für alle Fans, die britische Ermittler mögen, die nicht allein auf die Indizien sondern vor allem auf die Menschen setzen. Die eigentlich vertrauten Themen gewinnen an Spannung, weil sie diesmal nicht in unserer Zeit spielen sondern mehr als ein Jahrhundert früher, in der viktorianischen Ära, in der die modernen Ermittlungsmethoden noch nicht gerne gesehen oder unbekannt waren. Daher stimmt das Ambiente nicht nur in der Optik, sondern auch beim Inhalt.
DVD-Facts:
Bild: 1.78:1 (16:9, anamorph)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch