Golden Dogs 1: Fanny (Comic)

Golden Dogs 1
Fanny
(Golden Dogs Volume 01: Fanny)
Szenario: Stephen Desberg
Zeichnungen: Griffo (Werner Goelen)
Übersetzung: Horst Berner
Panini, 2015, Hardcover, 56 Seiten, 13,99 EUR, ISBN 978-3-95798-451-7

Von Irene Salzmann

London in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist ein hartes Pflaster. Wer sein Überleben nur durch Prostitution, Diebstahl, Mord und Ähnliches sichern kann, lebt gefährlich, denn die Konkurrenz ist groß, und die Justiz ahndet jede Untat auf grausamste Weise, nicht selten durch die Todesstrafe.

Nachdem die kleine Fanny ihre Familie verloren hat, bleibt ihr keine andere Wahl, als ihren Körper zu verkaufen. Schon bald hat sie sich einen guten Kundenkreis aufgebaut, doch sie ist davon überzeugt, dass für sie noch mehr drin ist. Als der attraktive James Orwood ihr ein Angebot unterbreitet, bei dem sie ihre Talente wesentlich gewinnbringender einsetzen könnte, zögert sie zunächst. Nachdem sie von den Anführern der Räuberbande ‚Black Birds‘, den Harlow Twins, vergewaltigt und mit einem Messer gezeichnet wurde, schließt sie sich Orwood an.

Zusammen mit dem Kastraten und Mörder Lario und der Kriminellen Lucrezia sind sie die „Golden Dogs“, eine neue Bande, die die besten Diebe von London sein und reich werden wollen. Tatsächlich machen sie sich durch klug geplante Coups schnell einen Namen, lenken dadurch aber auch die Augen der Justiz und konkurrierender Banden auf sich…


Schon der Text auf dem Backcover nimmt vorweg, dass sich die „Golden Dogs“ im Verlauf von vier Bänden selbst zerstören werden, weil einer von ihnen zum Verräter wird. Anzeichen dafür sind im ersten Album allerdings noch nicht zu finden.

Aus der Sicht von Fanny wird die düstere Kulisse des viktorianischen London geschildert. Weitgehend durch ihre Augen sieht man auch ihre neuen Freunde, über die absichtlich wenig verraten wird, sodass man mit Fanny sympathisiert und einen Bezug zu ihr aufbaut, während man rätselt, welcher der drei mysteriösen Mitglieder der Bande es sein wird, der ihre Allianz zerstört: der gerissene Taktiker Orwood, in den sich Fanny verliebt, Lario, der in praktisch jede Rolle schlüpfen kann, Lucrezia, die von Richter Aaron gejagt wird, weil sie ihn getäuscht hat? Trotz ihrer Erfahrungen fasst Fanny schnell Vertrauen in die anderen, die zeitweilig von Selbstzweifeln geplagt werden, ob sie wirklich bei der Bande bleiben sollen oder ob sie nicht eine zu große Gefahr für die Kameraden bedeuten. Fürs Erste geht alles gut, aber man ahnt, dass die Erfolge nicht von Dauer sein werden und ihnen irgendwann ein Fehler unterlaufen wird.

Die Künstler fangen dank einer realistischen Geschichte, auf diese abgestimmte Bilder und eine düstere Farbgebung die bedrückende Atmosphäre der britischen Hauptstadt ein. Die Geschehnisse spielen sich weitgehend in der Nacht ab, wenn die braven Bürger in ihren Betten liegen und sich die Halbwelt trifft, um ihren heimlichen Geschäften und Gelüsten nachzugehen.

Die Handlung kommt rasch voran und wechselt dabei immer wieder die Schwerpunkte, d. h., mal stehen die Charaktere im Vordergrund, dann wieder werden die Raubüberfälle thematisiert. Der Fokus verweilt nicht zu lang auf einer Sache, sodass viele Geheimnisse gewahrt bleiben und der Aufstieg der „Golden Dogs“ fast schon zu rasch erfolgt. Der Leser wird atemlos durch die Geschichte getrieben - und am Ende ist er neugierig genug, um der Fortsetzung entgegenzufiebern.

„Golden Dogs“ mag vielleicht nicht der große Wurf sein, da reichlich mit Klischees (die edle Prostituierte, die extrem brutalen Räuber, der rachsüchtige Richter) und etwas plump mit der Erwartungshaltung der Leser (die Ankündigung des Verrats) gespielt wird. Aber die Story ist solide erzählt und ansprechend illustriert, sodass man ganz auf seine Kosten kommt, wenn man Krimis mit einem viktorianischen Setting schätzt.