Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2 (Film)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 18. November 2015 08:29
Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2
USA 2015, Regie: Francis Lawrence, mit Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Liam Hemsworth u.a.
Von Christel Scheja
Einer Tradition folgend, die wohl mit den „Harry Potter“-Filmen anfing, wurde auch der letzte Originalroman von Suzanne Collins nicht mehr in einem Film, sondern gleich in zwei behandelt. „Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2“ behandelt daher nur noch die abschließenden Ereignisse der Roman-Trilogie. Werden Katniss und ihre Freunde es schaffen, das übermächtige Regime von Präsident Snow zu stürzen?
Distrikt 13 ist auf dem Vormarsch. Nach der Strafaktion gegen Distrikt 12, der vielen dort lebenden Menschen den Tod brachte, sind nun alle anderen im Aufstand und stellen sich gegen das System, dem sie so lange gehorcht haben. Nur noch wenige kapitoltreue Enklaven und die Hauptstadt selbst halten die Stellung.
Auch die Propaganda von Präsidentin Coin hat ausgezeichnete Wirkung gehabt, denn Katniss ist mehr denn je das Gesicht der Rebellion, der „Mockingjay“, das Symbol für den Kampf um die Freiheit. Sie muss sich aber auch von den letzten Strapazen erholen und ist in eine tiefe Krise geraten. Denn der vom Kapitol konditionierte Peeta hat nicht nur versucht sie umzubringen, sondern ihr auch verletzende Worte an den Kopf geworfen, die sie immer mehr zum Nachdenken bringen. Auch ein Einsatz in Distrikt 2 schürt ihre Zweifel und ihre Schuldgefühle. Sie weiß nur noch eines: Sie kann das Sterben nicht mehr ertragen und beschließt, dem ein Ende zu machen. Wenn es ihr gelingt, Präsident Snow zu töten, dann fällt das Regime und sie kann wieder ruhig schlafen, dessen ist sie sich sicher. Aber das ist es nicht allein. Das Schicksal Peetas wühlt in ihr und die Abneigung gegen Präsidentin Coin beginnt immer mehr zu wachsen. Zwar gibt sie vor, weiterhin das zu tun, was diese befiehlt, aber in ihr reift schließlich ein waghalsiger Plan.
Als nur noch das Kapitol steht, macht sich Katniss auf den Weg in die Hauptstadt. Erst alleine, dann aber mit einer ganzen Gruppe wagt sie sich in die Straßenschluchten, die Präsident Snow und seine „Spielmacher“ in eine Arena verwandelt haben, die gefährlicher als alles ist, was sie bisher durchgemacht hat. Zusammen mit Finnick, Gale, Cressida und anderen, schließlich sogar Peeta, begibt sie sich in Lebensgefahr - aber das ist ihr egal, wenn sie nur eines erreicht und danach…
Doch der Weg durch die Hölle schärft nicht nur ihre Entschlossenheit, sondern öffnet ihr auch in anderer Hinsicht die Augen.
Eine Originalvorlage zu teilen ist immer ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite bleibt so die Möglichkeit, nicht nur der Action und dem Drama sondern auch den Charakteren gerecht zu werden, was gerade in Filmen wie diesen wichtig ist, auf der anderen können auch Längen auftreten. Das ist hier gelegentlich aber glücklicherweise nicht oft der Fall. Am Anfang von „Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2“ wird noch Vieles erklärt und eher ruhig in Szene gesetzt, sogar vieles wiederholt, was sich dann erst durch die Ereignisse in Distrikt 2 ändert.
Dennoch sind diese Momente nicht verschenkt, denn anders als in anderen Dystopien für Jugendliche, die fürs Kino umgesetzt wurden, hinterlassen die Ereignisse in den Hauptfiguren deutliche Spuren. Vor allem Katniss Everdeen ist von den Ereignissen gezeichnet. Jennifer Lawrence spielt eine müde und gebrochene Heldin, die mehr als einmal deutliche Todessehnsucht zeigt, egal ob ihr jemand eine Waffe an die Kehle hält oder sie sich durch ein Labyrinth aus Fallen kämpfen muss. Zugleich ist sie abgestoßen von dem, was um sie herum geschieht, sieht die grausame Fratze auch über die Rebellen lachen, die in ihren Augen kaum noch einen Unterschied zu den Machthabern machen.
War der erste Teil noch ein wunderbares Beispiel dafür, wie Kriegspropaganda funktioniert und ein Befreiungskampf aussehen kann, so ist der Ton nun ziemlich umgeschlagen. Auch wenn die Macher darauf achten, alles jugendfrei zu halten, damit sie die Freigabe ab 12 erhalten, so wird doch immer wieder deutlich, dass der Krieg auch seine dunklen und grausamen Seiten hat und Spuren bei den Beteiligten hinterlässt, sei es nun, dass sie verrohen oder dass sie daran verbrechen.
Katniss bleibt zwar die moralisch integre Heldin, die die Gewalt um sich herum verabscheut, vor allem wenn Unschuldige darunter leiden müssen, aber auch sie zweifelt immer mehr. Durch ihre Wahrnehmung erfährt auch der Zuschauer, dass ein Befreiungskampf unter Umständen das nächste Regime schaffen kann.
Die Action ist vom Feinsten, dramatisch und brutal, fordert schließlich auch einen hohen Blutzoll, aber sie verkommt nicht zum reinen Selbstzweck, vor allem in einer der letzten Szenen. Gerade weil offen bleibt, wer den Bombenabwurf befohlen hat, wirkt der Moment, der Katniss schließlich die Grenze überschreiten lässt, umso beeindruckender.
Und diejenigen, die auf die romantische Seite hoffen, werden auch nicht enttäuscht, denn auch wenn die Entscheidung der jungen Frau keine Überraschung ist - der Weg dahin wird sehr interessant gestaltet.
Die Figuren bekommen alle mehr oder weniger ihr Recht, dürfen verschiedene Facetten ihres Wesens zeigen und auch schon einmal falsche Entscheidungen treffen. Der Film hat dabei die Vielschichtigkeit des Originalromans mehr als getroffen und in klare, beeindruckende Bilder umgesetzt. Auch der vorzeitige Tod von Phillip Seymour Hoffmann hat der Produktion nicht geschadet, denn er ist in den Schlüsselszenen mit dabei, und die wenigen, die noch fehlten, sind sehr elegant umgeschrieben worden.
Das Ende lässt den Zuschauer versöhnt zurück, lässt es das Schicksal der Helden doch mit einem Hoffnungsschimmer und interessanten Worten ausklingen, die in der heutigen Zeit mehr als aktuell sind.
„Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2“ ist ein beeindruckender Film, ein Antikriegsdrama mit klaren und noch lange nachwirkenden Bildern, der den Figuren sehr viel Raum lässt, um mit den Ereignissen klar zu kommen, dabei aber niemals langweilig wird oder übertrieben wirkt, weil auch der Action, dem Abenteuer und nicht zuletzt der Romantik Raum gelassen wird.
Der Streifen ragt weit über viele andere ähnlich gelagerte Filme heraus, weil er sich vor allem auf die Figuren und weniger auf beeindruckende Spezialeffekte verlässt und ein Ensemble aufweisen kann, das den Schrecken des Krieges nicht nur glaubwürdig sondern intensiv entgegen tritt und alle Facetten menschlichen Denkens zeigt, das von Schwarz-Weiß-Malerei weit entfernt ist.