Joe Abercrombie: Königsjäger (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 16. August 2015 10:40
Joe Abercrombie
Königsjäger
(Half the World)
Aus dem Englischen übersetzt von Kirsten Borchardt
Heyne, 2015, Paperback mit Klappenbroschur, 476 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-453-31600-3 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Die Nordlande sind ein raues, ein wildes, ein ungezügeltes Land. Und wie das Land, so ihre Bewohner. Unabhängig, störrisch, aufrecht und schnell beleidigt sind sie, und das Kämpfen liegt ihnen im Blut. Dass der Hochkönig sie, angeleitet von der Hexe Wexen, zügeln will, sie unter seine Fuchtel zwingt und maßregelt, mögen sie gar nicht.
Als Uthil von Gettland auf dem Schwarzen Thron Mutter Krieg in sein Reich einlädt, ahnt der verkrüppelte Vater Yarvi, einst selbst Herrscher und jetzt Gelehrter des Kreises, dass Arbeit auf ihn zukommen wird. Es gilt Verbündete zu suchen und zu überzeugen - letzteres mit oft nicht ganz astreinen Mitteln.
Er rüstet ein Schiff aus; an Bord die schlimmsten Taugenichtse, Schlagtots und eine Zauberin sowie zwei junge, unerfahrene Gettländer: der großgewachsene, starke Kämpfer Brand und Dorn, ein Mädchen, das nichts lieber wäre, als eine Kämpferin und die davon träumt, den Mörder ihres Vaters zu töten. Ein missgünstiger Ausbilder sorgte dafür, dass sie für einen Unfall zum Tod verurteilt wird, statt sie in die Reihen der Krieger aufzunehmen.
Yarvi rettet sie und bezahlt eine Diebin, Attentäterin und Hexe dafür, Dorn zur überragenden Kämpferin auszubilden. So heißt es für das Mädchen, nachdem sie den ganzen Tag gerudert hat, abends und morgens, bevor ihre Ruderkameraden noch aufstehen, zu üben und noch mal zu üben. Dass Brand sie aus dem Augenwinkel sehr genau und intensiv dabei beobachtet fällt ihr zunächst gar nicht auf. Doch dann, inmitten von Abenteuern, Gefechten und in fremden Gezeiten, retten sie einander das Leben - doch so recht zueinander finden tun sie nicht.
Von der erfolgreichen Mission heimgekehrt spinnt Yarvi weiter seine Intrigen. Der Krieg gegen den Hochkönig und den Gelehrtenkreis steht an und da tut es Not, schlagkräftige Verbündete zu finden. Als Dorn im Auftrag der Königin als Kämpe gegen den König des Brudervolks antritt, gilt es nicht nur einen für beide Seiten verlustreichen drohenden Krieg zu verhindern - es geht auch darum, Verbündete zu gewinnen…
In seiner All-Age-Trilogie, die in Großbritannien als Jugendbuch vermarktet wird, erwartet den Leser beileibe kein weichgespülter Plot. Abercrombie ist bekannt dafür, dass es bei ihm realitätsnah zugeht. Schlachten sind fürchterlich, voller Schmerzen, blutigen Eingeweiden und Kämpen, die ihre Hosen vollmachen. Da bleibt nichts unter einem gnädigen Schleier verborgen, da wird das Interesse genau dahin gerichtet, wo es den Figuren weh tut.
Nachdem der Autor im ersten Teil Yarvi ins Zentrum des Romans gestellt hat, wechselt vorliegend die Perspektive. Mit der jungen, impulsiven Dorn stellt er uns einen interessanten Charakter vor. Eine junge Frau, geboren zum Kämpfen, berührt von Mutter Krieg, folgen wir bei ihren Prüfungen. Böse hat es das Schicksal in Gestalt eines missgünstigen, erzkonservativen Ausbilders mit ihr gemeint. Ihr wird der Preis für all ihre aufopfernde Lehrzeit vorenthalten, ja sie wird fälschlich denunziert. Nur dem Eingreifen eines Gutmenschen, dessen Credo lautet „tue Gutes in deinem Leben“, der einen stark entwickelten Gerechtigkeitssinn sein eigen nennt, ist es zu verdanken, dass Yarvi sie vor der Steinigung rettet und weiter ausbildet.
Bemerkenswert gerade für ein Jugendbuch, dass Abercrombie seine Figuren durchaus vielschichtig anlegt. Hier gibt es keine guten oder bösen Menschen, hier verfolgt ein jeder seine eigenen Ziele, intrigiert, betrügt und erpresst die Schwächeren oder Abhängigen.
Immer wieder blitzen dabei ernste Themen auf; inwieweit ist das Gemeinwohl über die Gerechtigkeit zu stellen, kann die Selbstbestimmung und die Gerechtigkeit ausgehebelt werden um ein Ziel zu erreichen? Oder auch die Frage der Gleichberechtigung in einer Wikinger-ähnlichen Kultur, die Zulässigkeit von Kriegen zur Durchsetzung von Machtansprüchen - die Reihe ließe sich fortsetzen.
Verpackt hat Abercrombie dies einmal mehr in einen packenden, unheimlich dichten Plot. Ausgehend von den beiden zunächst noch naiven, unerfahrenen Erzählern Dorn und Brand lernen wir durch deren neugierige Augen nicht nur bis dato unbekannte Gegenden, Völker und Kulturen kennen, sondern erhalten auch Hinweise auf eine gefallene Hochkultur, deren Überreste gefürchtet sind.
Abenteuer, Kämpfe, Geheimnisse und Verwicklungen - der Autor fährt auf, für was er bekannt und geachtet ist, mixt daraus in wohltuend kurzen Texten eine Handlung, die direkt auf den drohenden finalen Konflikt im dritten Teil zuzueilen scheint - Fortsetzung folgt.