John Scalzi: Das Syndrom (Buch)

John Sclazi

Das Syndrom

(Lock In)

Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Bernhard Kempen

Heyne, 2015, Taschenbuch, 396 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-453-31660-7 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Eine Pandemie hat die Welt heimgesucht, wie man sie so gravierend bislang zumindest nicht kannte. Überall auf der Welt fallen Menschen in ein Wachkoma, sind in ihren Körpern zunächst hilflos gefangen. Nachdem auch die First Lady der USA zu den Betroffenen zählte, wurde ein umfangreiches Forschungsprogramm gestartet. Nach Jahren der Erprobung ist man mittlerweile soweit, dass die Betroffenen mittels ins Gehirn implantierten neuralen Netzen künstliche Körper - Threep oder abwertend Klonk genannt - steuern und so am gesellschaftlichen Leben wieder teilnehmen können.

 

Chris Shane gehörte zu den bekanntesten Gesichtern der Erkrankten. Als Kind schon wurde sein Schicksal medial ausgewertet, das Bild, wie er in einem Threep dem Papst eine Blume überreicht, ging um die Welt. Inzwischen hat er sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, hat sich von seinem Elternhaus gelöst und gerade eine Stelle als Agent beim FBI angefangen, als er auch schon ins kalte Wasser geworfen wird. Es gilt, zusammen mit seiner etwas kapriziösen Partnerin, einen Mord aufzuklären.

Dass der Täter und das Opfer identisch sind, sollte den Fall als Suizid eigentlich zur Routinesache machen, doch dann stoßen unsere Ermittler auf Hinweise, die sie alarmieren. Unbekannten scheint es gelungen zu sein, sich in Integratoren einzuhacken und diese ohne deren Wissen oder Erinnerung handeln zu lassen.

Wer aber steckt hinter den bahnbrechenden technischen Entwicklungen und was soll mit den Taten erreicht werden?


John Scalzi ist uns aus seinem Old-Mans-Universum bekannt. Mit den Romanen um die alten Soldaten in jungen Körpern hat sich der Autor viele Bewunderer erschrieben, mit dem Einzelroman „Redshirts“ hat er gar die renommierten Hugo und Locus Awards gewonnen.

Heyne legt nun einen neuen Einzelroman vor. Ein Kriminalplot in einer nahen Zukunft erwartet den Leser. Wer also hofft, dass Scalzi uns wieder in die Weiten des Alls entführt, wird enttäuscht. Wer sich aber auf die Handlung um Androiden, die von Menschen gesteuert werden, einlässt, den erwartet ein interessantes Spiel um die Ermittlungen nach Motiv und Täter.

Mit kriminalistischem Gespür geht es auf die Suche nach den Verantwortlichen und, wie wir dies von Scalzi auch nicht anders erwarten, präsentiert er uns wieder Figuren, die uns durch ihre Vielfältigkeit faszinieren. Sie sind, jede auf ihre eigene Art vielschichtig und offenbaren so nach und nach ihre Geheimnisse. Geschickt mischt der Autor hier phantastische Ideen - die Möglichkeit der in ihrem Körper Gefangenen die roboterähnlichen Kunstwesen zu steuern - mit einer in jedem Detail glaubwürdigen Ausarbeitung der Folgen der Pandemie und der Erkrankten für die Gesellschaft.

So geht es hier auch um die Frage, ob und inwieweit der Staat hier dauerhaft alimentieren soll, wann die Selbstverantwortung der Individuen beginnt, um Zusammenhänge zwischen Forschung und öffentlicher Subvention aber auch um die Verunglimpfung von Minderheiten und schlichtem Futterneid.

Mit diesem sehr realen, höchst aktuellen Gerüst versehen erwartet uns ein sehr spannender Plot, der uns, geprägt durch die wenigen handlungsrelevanten Gestalten, in eine nahe Zukunft entführt und bestens in sich logisch und packend unterhält.