Michael Schmidt (Hrsg.): Ab 18! (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 29. Juli 2015 12:30
Michael Schmidt (Hrsg.)
Ab 18!
Titelillustration von Anke Vos
Verlag Saphir im Stahl, 2015, Taschenbuch, 298 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-943948-53-0
Von Carsten Kuhr
Was erwarten Sie, wenn Sie eine Anthologie, noch dazu eine phantastische Anthologie, mit dem Titel „Ab 18!“ erwerben? Nun, zunächst kommen mir da naturgemäß plakative pornographische Schilderungen in den Sinn. Auch Seen aus Blut, aufgerissene Lebewesen, grausame Folterungen und Missbrauchsschilderungen dürfte man erwarten. Was uns aber in der von Michael Schmidt wieder sehr sachkundig zusammengestellten Kollektion erwartet, das unterscheidet sich doch markant von den oben aufgeführten Bestandteilen. Statt dass wir mit Splatterszenen satt und/oder abartigem Sex konfrontiert würden, packen uns die Autoren auf ganz andere, wesentlich subtilere Art und Weise.
Das sind gar merkwürdige Gestalten, die uns hier begegnen. Zumeist sind dies Menschen, die eher zu den Losern der Gesellschaft gehören, die dem Leistungs- und Erwartungsdruck der Gesellschaft nicht entsprechen, die psychische Probleme haben oder aus zerrütteten Familien stammen. Sie alle haben ihre Psychosen, sind unglücklich, traumatisiert oder heimgesucht. Das sind Gestalten, die sich weit abseits des Üblichen bewegen, die auch nicht alle dem Übernatürlichen begegnen, die aber immer, auf eine ganz unübliche Weise, heimgesucht werden.
Nicht weniger als neunzehn Geschichten hat der Herausgeber zwischen den Buchdeckeln versammelt, zumeist eher kurze, pointierte Texte, die man nicht so einfach „runterlesen“ kann. Hier ist man gezwungen immer einmal wieder einzuhalten, zu reflektieren und die Wirkung der Beiträge auf einen selbst zuzulassen.
So unterschiedlich die Autoren, so verschieden auch die Erzählungen. Wir begegnen Selbstmördern, Psychopathen und Serienkillern, Babyhändlern, Spielsüchtigen und Arbeitslosen. Immer wieder werden Beziehungen beendet, so manches Mal blutig, werden Menschen verfolgt und verängstigt.
Besonders intensiv empfand ich persönlich Harald A. Weissens „Türen“. Er stellt uns einen Wiedereinsteiger, einen Grafiker vor, der in der neuen Firma vor einem Dilemma steht. Nicht etwa die Arbeit macht ihm Kopfzerbrechen, eher die vielen Türen, die merkwürdigen Kollegen und die Wahl, die ihm bevorsteht – gilt es doch letztlich über sein eigenes Leben zu entscheiden. Feinfühlig stellt uns der Autor hier einen Mann vor, der viel verloren hat in seinem Leben. Seine Freundin, seine Karriere, seinen Glauben an sich selbst, an seine Zukunft und letztlich seine Hoffnung. In aberwitzigen Bildern und surreal erscheinenden Szenen beleuchtet Weissen diesen Menschen, der unfähig scheint eine Entscheidung zu treffen, der aber von Einsamkeit und Verzweiflung zu eben jener Entscheidung getrieben wird.
Alles in allem eine Anthologie, die ähnlich wie die „Zwielicht“-Anthologien herausragende, merkwürdige und verstörende Geschichten versammelt, und die so für den Freund kurzer, pointierter Storys so manche Entdeckung bereithält.