Accel World 01 (Comic)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 20. Juni 2015 10:17
Accel World 01
Story: Reki Kawahara
Charakterdesign: Hima
Zeichnungen: Hiroyuki Aigamo
Aus dem Japanischen von Ekaterina Mikulich
Tokyopop, 2015, Taschenbuch, 188 Seiten, 6,95 EUR, ISBN 978-3-8420-1171-7
Von Karl E. Aulbach
Einer der besten Mangas, den ich je gelesen habe, ist „Accel World“. So ein Band entsteht mittlerweile wohl eher als Gemeinschaftswerk mit vielen Mitwirkenden. Hier zu nennen sind besonders Reki Kawahara für die Original-Story, Hima für das Charakterdesign und Hiroyuki Aigamo für die Zeichnungen. Nun ist so ein Manga nicht unbedingt ein großes künstlicheres Meisterwerk sondern fällt wohl eher unter den Begriff der Gebrauchskunst, aber in diesem Fall gehört selbige schon in die Oberklasse, was Mangas betrifft. Klare Linien und schöne Kontraste sorgen dafür, dass die Handlung auch optisch gut nachvollzogen werden kann.
Beeindruckend ist die Story. Nachdem die aktuelle Science Fiction kaum noch die Kraft findet, sich aus ihren Verkrustungen zu lösen und neue Ideen zu entwickeln, haben wir endlich wieder einmal einen Fall, in dem – wenn auch nur als Handlungshintergrund – jemand ein realistisches Bild einer möglichen nahen Zukunft jenseits von den trägen, trostlosen Endzeit-Szenarien zeigt.
Im Jahr 2040 gibt es ein globales Netz, in das sich jeder, der das möchte, ständig über ein Hirnimplantat einloggen kann. Das Netz drängt immer mehr das reale Leben zurück – eine Entwicklung, die man auch jetzt schon beobachten kann. Möglich wird dies durch Quantencomputer, die die nötige Kapazität aufweisen. Daneben gibt es beispielsweise auch in der Schule ein eigenes Schulnetz, in das jeder Schüler ständig eingeloggt sein muss. Am Rande werden die dadurch entstehenden Möglichkeiten und Gefahren beschrieben. Es entwickeln sich besondere Begabungen, die vor allem bei den im Jahr 2040 Fünfzehnjährigen zutage treten, die als erstes ein entsprechendes Implantat von Beginn an als Kleinkinder erhalten haben.
Die Kernhandlung spielt an einer Schule. Einer der Schüler, ein unscheinbarer, dicklicher und eher hässlicher Typ, wird von seinen Mitschülern sehr gehänselt und sogar erpresst. Er muss sein ganzes Taschengeld ausgeben, um einer Bande, die ihn bedroht, zu Diensten zu sein. Er schämt sich vor seinen zwei Freunden so sehr, dass er auch den Kontakt mit ihnen meidet. Sein einziger Rückzugsort ist das Netz, wo er mit dem Avatar eines Schweinchens in Computerspielen glänzen kann.
Sein Schicksal wendet sich, als ihm ausgerechnet das schönste Mädchen der Schule, die wohl ein Jahr ältere Kuroyughime, die stellvertretende Schülersprecherin ist, ihr Wohlwollen zuwendet und ihm einen gewaltigen Vertrauensbonus schenkt, indem sie sich mit ihm per Kabel verbindet – ein in dieser Welt unglaublicher Vertrauensbeweis, der in der Regel nur unter sich sehr Nahestehenden erfolgt. Sie eröffnet ihm ein neues Computerprogramm namens ‚Brain Burst‘, das Zugang zu einer ‚beschleunigten‘ Welt verleiht und – nachdem sogar ein stufenloser Wechsel zur Realität möglich ist – auch im realen Leben ungeahnte Möglichkeiten eröffnet.
Kuroyughime ist ein absolut faszinierender Charakter voller Subtilität, Genialität, ja, Größe und einfach brillant beschrieben. Sie hilft Hanuyuki, seine Widersacher so subtil auszuschalten, dass es nicht der Hilfe der ‚Beschleunigung‘ bedarf und auch Hanuyuki dabei nicht seine Würde verliert, sondern Selbstbewusstsein entwickelt.
Es werden in der Geschichte viele Konventionen auf den Kopf gestellt, aber auf äußerst charmante Weise. Die Schöne verliebt (?) sich in das Biest. Das Mädchen ergreift die Initiative und so weiter. Eine ganz große Szene des Mangas ist zum Beispiel, dass Kuroyughime, als sie in der Schul-Mensa gefragt wird, weshalb sie jetzt dauernd mit diesem hässlichen, kleinen Kerl zusammen abhängt, sehr charmant antwortet, dass sie ihm ein Geständnis gemacht habe und er habe sie abblitzen lassen…, dass sie aber immer noch auf eine Antwort warte. Also wirklich schöne kleine Juwelen an Szenen, die sich wahrlich ganz entzückend lesen!
Der Rest der Handlung ist dann schon wieder eher konventionell. ‚Brain Burst‘ fordert von den Benutzern die Teilnahme an Simualtionsduellen. Der Gewinner erhält Punkte und kann in höhere Levels aufsteigen, in denen er noch mehr Fähigkeiten gewinnt. Der Verlierer büßt Punkte ein, und falls er alle verloren hat, damit auch die Fähigkeit, erneut in die ‚Beschleunigung‘ einzutreten.
Hanuyuki bestreitet, mit klugen Ratschlägen von Kuroyughime ausgestattet, seine ersten Duelle und erfährt mehr über seine Wohltäterin und ‚Brain Burst‘. Fortsetzungen folgen natürlich.
Wer statt zum Manga lieber zum Buch greift: Die Geschichte gibt es auch als sogenannte Light Novel mit derzeit 17 Bänden. In Japan und eventuell auch in den USA liegt schon eine 24teilige Anime-Serie vor.
Alles in allem eine sehr schöne, intelligente und berührende Geschichte mit hervorragenden kurzen, auf den Punkt gebrachten Szenen die man in einem Aufwasch voller Spannung durchliest.