The Unwritten oder das wirkliche Leben 7: In der Unterwelt (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 05. Juni 2015 12:27
Mike Carey & Peter Gross
The Unwritten oder das wirkliche Leben 7
In der Unterwelt
(The Unwritten 36-49, 2013/2014)
Aus dem Amerikanischen von Gerlinde Althoff
Titelbild von Yoko Shimizu
Zeichnungen von Mike Carey, Peter Gross, Deal Ormston, Rufus Dayglo
Panini, 2015, Paperback mit Klappenbroschur, 304 Seiten, 29,99 EUR, ISBN 978-3-95798-257-5
Von Christel Scheja
Eigentlich könnte man ja annehmen, dass „The Unwritten oder das wirkliche Leben“ mit dem „Tommy Taylor und der Krieg der Wörter“, Band 6 der Reihe, ein Ende gefunden hatte, aber das ist eine Täuschung gewesen. Tom Taylor ist immer noch weit davon entfernt, das ganze Vermächtnis seines Vaters erfassen zu können, eher im Gegenteil, die Suche nach Erkenntnis hat erst angefangen. Das macht sich „In der Unterwelt“ deutlich bemerkbar.
Doch erst einmal versucht Tom, neue Kraft zu schöpfen. Ein Jahr nach den tragischen Verlusten und dem Kampf gegen die Mächte, die sein Leben bedrohten, ist er immer noch geschwächt, auch wenn er weiß, dass die Konfrontationen weitergehen werden. Gemeinsam mit seinem zum Vampir gewordenen Freund sucht er nach weiteren Antworten, auf die Fragen, die ihn quälen.
An anderer Stelle beschäftigt sich die Aborigines-Polizistin Diggle mit ungeklärten Mordfällen, die auf ihrem Schreibtisch gelandet sind. Bei ihren Nachforschungen stößt sie auf Verbindungen zur Kirche Tommys, die hier in Australien besonders aggressiv zu sein scheint. Da sie selbst nicht Undercover in deren Strukturen eindringen kann, sucht sie sich einen Informanten und Zeugen.
Schon bald zeigt sich, dass offensichtlich auch Tom Taylor in das Visier der zwielichtigen Typen geraten ist. Deshalb nutzt Diggle die Chance, Kontakt mit ihm aufzunehmen, als dieser im Rahmen einer Lesereise nach Downunder kommt. Glücklicherweise scheint sie immun gegen eine Waffe zu sein, die die Sekte einsetzt, doch ehe sie sich versieht, steckt sie mitten in einem übernatürlichen Chaos, das durch den Machtverlust des Leviathans und die Machenschaften der Kabale entstanden ist.
Und Tom selbst wird in die Hölle geschickt, die für ihn ebenfalls noch Einiges an Überraschungen bereithält, denn dort ist nichts mehr viel wie es einst war…
Zwar ist der erste Handlungsbogen, in dem sich Tom Taylor aus den Schatten, die ihm sein Vater aufzwang, freikämpfte beendet, aber die Geschichte noch lange nicht zu Ende – denn immerhin sind noch eine ganze Menge an Fragen offen, und das Vermächtnis von Wilson Taylor lebt nicht nur weiter, es hat auch seltsame Blüten geschlagen. Die bekommt nun eine bisher Unbeteiligte zu spüren, die Polizistin Diggle, die einen gesunden Pragmatismus in die Geschichte bringt. Als Aborigine sind ihr die überirdischen Mächte nicht ganz unvertraut, aber sie kann viel besser mit ihnen leben. Tom selbst gerät wie einst Orpheus in die Unterwelt und nutzt die Gelegenheit, um nach seiner Liebe zu suchen, die er vor einem Jahr verloren hat. Doch in der Hölle ist Einiges anders geworden.
Die Geschichte wird erneut mit vielen literarischen Zitaten gespickt, da sich die Helden immerhin durch eine Welt der Mythen und Sagen bewegen. Andeutungen und Hinweise, die zunächst im Raum stehen, werden noch während des dicken Bandes wieder zusammengeführt. Und zum Ende hin versteht man auch, warum dieser Band so dick geworden ist – arbeitet er doch auf ein Crossover zu einer der anderen großen Vertigo-Serien zu.
Wie immer erzählen die Künstler ihre Geschichte mit einem guten Schuss an Realismus und sparen nicht mit frechen Anspielungen auf Gegenwart und Vergangenheit, auf Literatur und Geschichte. Horror und Fantasy sind ebenso vertreten wie Mythen und Sagen. Wie schon bei den Fables ist nichts unmöglich und wird gerne auch schon einmal beim Wort genommen, wie sich vor allem in der Unterwelt zeigt.
Schließlich geben Gross und Carey auch den neu hinzu gestoßenen Figuren Profil, so dass man hofft, das etwa Diggle nicht nur ein kurzes Gastspiel hat, denn sie wächst dem Leser durch ihre pragmatische Art schnell als Herz.
Alles in allem ist der siebte Band von „The Unwritten oder das wirkliche Leben“ sein Geld wert, denn die Graphic Novel ist nicht nur physisch von Umfang her stark, sondern kann sich auch inhaltlich sehen lassen. Keine Seite ist verschenkt, denn jede fügt ein wichtiges Mosaikstein zur eigentlichen Geschichte hinzu und gibt dem Kosmos von Tom Taylor und seinen Freunden immer mehr Substanz, erfahren doch Gegenwart und Vergangenheit gleichermaßen einen Ausbau.