Tanya Huff: Die Silbernen (Buch)

Tanya Huff
Die Silbernen
(The Silvered)
Aus dem amerikanischen Englisch von Lennart Janson und Jessica Becker
Titelillustration von Oliver Graute
Feder&Schwert, 2015, Taschenbuch, 596 Seiten, 15,99 EUR, ISBN 978-3-86762-212-7 (auch als eBook erhätlich)

Von Carsten Kuhr

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der ein Kaiserreich über seine Nachbarn triumphiert. Dank technischer Errungenschaften und weit überlegenen Erfindern – von den kaiserlichen Truppen wollen wir einmal schweigen – hat Kaiser Leopold die Nachbarreiche überrannt und seinem Herrschaftsgebiet einverleibt. Eine alte, wie es sich für eine Prophezeiung gehört natürlich reichlich unverständliche Vorhersage, weiß davon zu berichten, dass ein ungeborenes Kind einer Magierin über den Aufstieg oder den Fall eines großen Reiches bestimmen soll.

Magier, dass weiß der Kaiser, gibt es ausschließlich im kleinen Königreich Aydori, dessen Grenzen von den Rudeln der Gestaltwandler geschützt werden. Um die Magierinnen der sechs Zirkel der Magie in seine Gewalt zu bekommen, muss er, müssen seine verdienten Militärs zunächst die Werwölfe überwältigen, bevor sie sich der Zirkelmagierinnen bemächtigen können. Neuartige, mit einem gezogenen Lauf versehene Gewehre und Kanonen, die dazu noch mit silberner Munition geladen werden, dürften dieses Problem schnell aus der Welt schaffen – so die nicht unberechtigte Annahme.

Während sich die Adeligen, Magier und Honoratioren Aydoris auf die Flucht begeben, greift ein kleiner kaiserlicher Trupp tief in noch feindlichem Gebiet die Magierinnen an, fesselt sie und ihre Kräfte mit antiken magischen Netzen – doch hoppla, ihnen gingen nur fünf der verheißenen sechs Magierinnen ins buchstäbliche Netz.

Vorhang auf für eine junge Dame aus bestem Hause. Als Bankierstochter hat Mirian Maylin zwar Zugang zu Festen der Rudel, doch ihre magischen Gaben wurden getestet und haben gerade einmal die Stärke des ersten Grades erreicht. Dass der kaiserliche Häscher Hauptmann Reiter sie verfolgt, dass der neue Rudelführer Thomas ihren Geruch als betörend empfindet, kann doch beides nur eine Verwechslung sein – doch dann erweist sich Mirian als einzige Hoffnung, die ihrer Heimat gegen die überlegenen Kaiserlichen bleibt…

Wir kennen Werwolf-Romane zu genüge. In aller Regel erleben wir die Gestaltwandler zwar eher im Urban-Fantasy-Bereich, eine Verbindung mit einer Fantasy-Handlung ist aber auch nicht ganz neu. Robert Stallman zum Beispiel hat in seiner einst bei Goldmann erschienen Werwelt-Trilogie eine entsprechende Handlung vorgelegt.

Vorliegend macht sich Tanya Huff, die uns durch ihre ebenfalls bei Feder&Schwert erschienenen Urban-Fantasy-Romane ein Begriff ist, auf, Werwesen, Magier und mittelalterliche Schusswaffen in einen Roman einfließen zu lassen. Dabei wandelt sie weitgehend auf eigenen Pfaden. So bietet sie uns einen ganz eigenen Mix aus übersinnlichen Wesen und Gaben sowie Erfindungen an, die, obzwar aus ganz verschiedenen Entwicklungen stammen, sehr gut harmonieren.

Dazu tragen natürlich auch die wenigen handlungsrelevanten Figuren bei. Insbesondere Mirian, die sich im Verlauf der Handlung von der verschüchternden Bankierstochter zu einer emanzipierten, tatkräftigen und mutigen jungen Frau wandelt, dient hier als Kulminationspunkt. Mit dieser Figur kann der Leser, insbesondere natürlich die Leserin, wunderbar in die Handlung eintauchen, kann sich in sie hineinversetzen und dem Abenteuer folgen. Dass ausgerechnet sie kriegsentscheidend ist, negiert die junge Dame lange, nur um dann von den Ereignissen zunächst hilflos, später dann aktiv eingreifend mitgerissen zu werden.

Das hat viel Tempo, jede Menge unerwarteter Wendungen und liest sich herrlich frisch und faszinierend.