Kristin Adler: Im Staub sollst du kriechen (Buch)

Kristin Adler
Im Staub sollst du kriechen
Lyx, 2014, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 340 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-8025-9618-6 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Im Frankfurter Museumsbüro der Kunst-Expertin Clara Mohr wird eine Leiche gefunden. Pikanterweise handelt es sich um Nicholas Roth, einen Kollegen, der die Leitung eines anderen Museums in der Main-Metropole übernehmen sollte – und mit dem Clara vor einiger Zeit eine kurze Affäre hatte, obwohl beide damals verheiratet waren. Glaubwürdig kann sie der Polizei versichern, dass der Tote lediglich die Möglichkeit hatte nutzen wollen, einige Mails und Faxe zu verschicken, während sie zu diesem Zeitpunkt Freunde besuchte.

Obwohl Clara das schreckliche Geschehen einfach nicht fassen kann, fällt ihr an der Leiche etwas auf: Der Mörder hat sie so in Szene gesetzt, dass sie eine Botschaft vermittelt. Das Gemälde eines Malers der Renaissance liefert die Lösung. Offenbar handelt es sich um einen Racheakt, denn Nicholas Roth war in einen groß angelegten Kunstbetrug verstrickt. Die beiden nächsten Toten, die gefunden werden, wurden auf vergleichbare Weise hergerichtet und standen nachweislich miteinander in Kontakt. Somit scheint das Motiv klar, nicht aber, wer als Täter infrage kommt.

Da der übellaunige Kommissar ihr nicht richtig zuhören will, insbesondere als sie feststellt, dass sich beim vierten Mord das Muster leicht verändert hat, beginnt Clara, selbst Nachforschungen anzustellen. Dazu nimmt sie Kontakt auf zu Alexander Roth, dem jüngeren Bruder ihres verstorbenen Ex-Lovers, sowie zu seiner von ihm getrennt lebenden Frau Ilsa, die ihre unglückliche Ehe durch Medikamente kompensiert. Schon bald weiß Clara so viel, dass nun auch ihr Leben in Gefahr ist…

Zwischen all den ‚verliebten Vampiren‘, den ‚verliebten Agenten‘ und den ‚verliebten Normalos‘, die sich im Lyx-Programm tummeln, ist es schwer, einen Titel zu finden, der nicht den ewig gleichen Mustern folgt, sondern sich wohltuend von der Masse abhebt. Dies trifft auf Kristin Adlers „Im Staub sollst Du kriechen“ erfreulicherweise zu, denn hierbei handelt es sich um einen waschechten Thriller und nicht um die weichgespülte Romantic-Thrill-Variante, in der deftige erotische Szenen mit superschönen Protagonisten wichtiger sind als eine spannende, nachvollziehbare Handlung.

Im vorliegenden Roman ereignet sich ein grausamer Mord, der lediglich der Auftakt einer ganzen Reihe von ähnlichen Delikten ist. Die Polizei tappt lange im Dunkeln, was nicht nur daran liegt, dass sich die Ermittler durch Kompetenzstreitigkeiten gegenseitig behindern und dadurch wichtige Details ignorieren, sondern auch am subtilen Vorgehen des Verbrechers. Hauptfigur Clara Mohr sieht sich dadurch genötigt, die Fragen zu stellen, die von den Beamten versäumt wurden. Dadurch lernt sie Alexander Roth näher kennen, der ihr signalisiert, dass er einer Beziehung oder Affäre nicht abgeneigt wäre, doch Clara hat zu viele andere Sorgen, als dass sie nach ihrer Scheidung schon wieder einen Mann in ihr Leben lassen würde. Infolgedessen bleibt der Fokus auf die Verbrechen gerichtet, und die privaten Kümmernisse der Charaktere sind reines Beiwerk.

Bei ihnen handelt es sich um mehr oder minder erfolgreiche Adelige, Selbständige, Angestellte und Beamte, die versuchen oder versucht haben, aus ihrem Trott auszubrechen, jedoch gescheitert sind. Keiner von ihnen ist der tolle Hecht oder die allseits angebetete Schöne, der er/die sie gerne wäre. An allen nagen das nahende Alter, berufliche, finanzielle, familiäre und psychische Probleme. Clara hat beispielsweise eine kleine Tochter, die im Schloss ihres Ex-Mannes Philip lebt und von der sie sehr selten im Rahmen des Sorgerechts besucht wird. Das verzogene Mädchen wird immer wieder vom Vater als Spielball gegen Clara missbraucht, die gerade jetzt durch die Morde stark belastet ist und ihm nicht begreiflich machen kann, dass Katharina in Gefahr gerät, wenn er sie einfach bei ihr ablädt, wie es ihm passt – was natürlich Konsequenzen nach sich zieht.

Recht gut gelungen ist der Autorin auch, dass sich der Fall nicht so leicht auflösen lässt, wie es zunächst den Anschein hat. Sie legt eine Spur, die sich als falsch erweist, aber letztendlich zum Täter führt. Doch auch nach dessen Entlarvung sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen, da neue Erkenntnisse die erste Spur wieder ins Blickfeld rücken. Mehrmals ist Clara dem Mörder nahe, ohne es zu ahnen, und wann immer man glaubt, die Gefahr sei vorüber, passiert etwas, das die Annahme in einen Irrtum kehrt. Hier wäre allerdings weniger mehr gewesen, denn Clara stolpert viel zu oft in eine Falle und muss gerettet werden. Das Buch ist zwar spannend bis zum Schluss, aber auf den letzten Seiten drängen sich nach dem interessanten, langsamen Aufbau einfach zu viele Eskalationsspitzen.

In der Summe jedoch ist „Im Staub sollst du kriechen“ ein kurzweiliger Thriller mit reizvollen Verknüpfungen, die in die Bereiche Kunst und Theologie führen, der sich an Leser beiderlei Geschlechts wendet.