Interviews
Im Gespräch mit: Micky Neilson
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- Kategorie: Interviews
- Veröffentlicht: Mittwoch, 01. Februar 2023 10:36
Micky Neilson ist zweifacher Bestseller-Autor der „New York Times“. Seine Graphic Novels „Ashbringer“ und „Pearl of Pandaria“ wurden beide in sechs Sprachen veröffentlicht. Als einer der ersten Autoren bei Blizzard Entertainment verfügt er über mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung an der Spitze der Gaming-Branche. Derzeit arbeitet er an einer Graphic Novel, „Rook“, sowie an einer Reihe von Filmprojekten. 2016 veröffentlichte Riverdale Avenue Press seine Memoiren, „Lost and Found: An Autobiography About Discovering Family“. In diesen Tagen veröffentlicht Panini seinen Fantasy-Roman „Auroboros - Die Windungen der Schlange: Unter der Sonne“. Grund genug für unseren Mitarbeiter Carsten Kuhr, das Gespräch mit dem Autor zu suchen.
Hallo Micky. Kannst Du unseren Lesern ein wenig von Dir erzählen? Was machst Du, wenn Du nicht an einem Game oder Buch sitzt?
Gerne doch. Ich bin verheiratet, habe eine zwanzigjährige Tochter, die uns zwar schon verlassen hat, aber glücklicherweise immer noch täglich anruft und uns einmal die Woche besucht. Das erleichtert mir die Abkopplung und das Loslassen doch sehr! Neben der Arbeit an Games und Büchern bin ich noch als Sprachregisseur unterwegs und gut ausgebucht. Ich liebe diese so ganz andere Arbeit und hege einen riesigen Respekt für all die Synchronsprecher, die den Figuren ihre ganz eigene Stimme und damit ihren Charakter verleihen.
Wie bist Du überhaupt zum Schreiben gekommen? Du hast als kreativer Entwickler für Games begonnen?
Alles begann, wie so oft, aus Jux und Dollerei während ich in der Army in der Zeit nach Desert Shield/Desert Storm diente. Als ich bei Blizzard begann - damals noch unter der Bezeichnung Silicon und Synapse firmierend -, begann ich mit ein paar kleinen Schreibübungen für „Blackthorne“. Von da aus ging es dann weiter zum Editieren von Entwürfen und so nach und nach rutschte ich dann immer mehr in die Schiene, den Inhalt von Games auszuformulieren. Kurzgeschichten gesellten sich hinzu, dann folgten Novellen, Comics, Graphic Novels für die Blizzard Imprints. Als ich dann später Blizzard verließ, machte ich als Autor und Lektor weiter.
Was machst Du, wenn Du nicht vor der Tastatur sitzt und ein Game entwirfst oder Dir einen Text einfallen lässt? Hast Du überhaupt noch Zeit für Hobbys?
Oh ja, ich schaue sehr viele Filme und Serien im Fernsehen an - ich muss zugeben, dass ich ein echter Horror-Nerd bin -, dazu lese ich recht viel, wobei hier die Comics doch überwiegen. Ich würde gerne noch mehr lesen, doch die Zeit zerrinnt mir unter den Fingernägeln. Dann kümmere ich mich noch ein wenig um meine Gesundheit in meinem Fitnesscenter.
Wer hat Dich beeinflusst und - wichtiger vielleicht noch - warum?
Robert E. Howard mit seinen epische Fantasy-Geschichten und seinem so markanten direkten Stil, Raymond Chandler mit seinr eleganten Art zu schreiben, Stephen King dadurch, dass er meine Phantasie entfacht hat und mich dazu brachte des Nachts das Licht beim Schlafen brennen zu lassen - und auch Houdini, dem es gelang, die Welt an das Unglaubliche, das Unmögliche glauben zu lassen.
Mittlerweile bist Du ja ein erfahrener Autor, der einige Bücher veröffentlicht hat. Besteht da ein Unterschied in der Art und Weise, wie Du ein neues Buchprojekt angehst? Hat sich Deine Art zu planen, zu Schreiben über die Jahre verändert?
Und ob. Jedes einzelne Buch ist ein Lernprozess, aus dem ich immer wieder Neues mitnehme. Gerade was Romane anbelangt hat sich mein Stil über die Jahre weiterentwickelt. Zu Beginn experimentierte ich mit unterschiedlichsten Stilarten, probierte verschiedene Sichtweisen oder auch einmal interne Monologe als Stilmittel aus. Inzwischen habe ich Gott sei Dank meine Art zu Schreiben gefunden. Das soll nicht heißen, dass ich mich nicht noch weiterentwickeln würde oder dazulerne, aber ich bin mit der Art, wie ich die Ideen zu Papier bringen sehr viel zufriedener, als zu Beginn.
Was bedeuten Dir Bücher? Ist es eine Art, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen oder möchtest Du Deinen Lesern etwas mitgeben? Und wenn dies zutreffen sollte, was versuchst Du zu erreichen?
Bücher zu verfassen ist ein notwendiger, ein ganz essentieller Prozess, damit ich nicht durchdrehe. In meinem Kopf schwirren derart viele Ideen herum, dass ich, wenn ich diese nicht irgendwie verarbeiten würde, ich vermutlich durchdrehen würde. Es gab in meinem Leben immer wieder Zeiten, da ging es finanziell Spitz auf Knopf, wo ich gezwungen war, mir andere Arbeiten zu suchen, um über die Runden zu kommen. Doch selbst damals schrieb ich immer - nicht für Geld, nur für mich, damit ich nicht verrückt wurde.
Zur Frage was ich erreichen möchte: Ich möchte etwas fühlen, etwas rüberbringen und meine Leser zum Mit- und Nachdenken anregen. Das größte Verbrechen, das ein Autor begehen kann ist, ein Buch zu verfassen, das man schnell vergisst. Selbst wenn Du meine Romane hasst wirst Du Dich - hoffentlich - an sie erinnern.
Ist es für Dich als Autor einfacher, in einem Serienkosmos zu schreiben verglichen mit einem Einzelroman?
Ich denke, dass jedes Buch, egal ob es Teil einer Serie, oder ein Stand-Alone-Roman ist, seine ganz eigenen Besonderheiten birgt und den Verfasser fordert. Das Problematische an einer Serie ist immer, dass man als Autor hier seinen Handlungsbogen weit genug aufspannen muss, um am Ende noch genügend Geheimnisse und Fragen zu haben, um den Leser an die Seiten zu bannen. Die Grundlagen werden im ersten Band gelegt, von diesen zehrst Du als Verfasser dann bis zum Finale.
Lass uns zu „Auroboros - Die Windungen der Schlange: Unter der Sonne“ kommen. Hier hattest Du eine ganz schwierige Aufgabe insoweit, als Du auf eine Spiel-Kampagne aufsetzen musstest, an der Du selbst nicht teilgenommen hast. War es eine Herausforderung für Dich, Dich in einer fremden Welt zurechtfinden zu müssen, kaum Einfluss auf die Begebenheiten und Handlungsorte nehmen zu können?
Da hat mir meine Erfahrung im Game-Bereich sehr geholfen. Bei den Arbeiten für Blizzard war es ja ähnlich. Ganz wichtig, ja essentiell ist es, dass Du Dich in die beschriebene Welt wirklich hineinkniest, sie zu Deiner eigenen machst. Hier musst Du zu Beginn viel Zeit und Energie investieren - Dich mit den Vorgaben vertraut machen, Einzelheiten aufklären, Situationen und Beziehungen hinterfragen. Dann ist es eigentlich fast schon egal, ob die Vorlage von jemand anderem kommt.
Auf den ersten Blick bietet sich der Plot recht gewohnt an. Es geht um eine Gruppe von Helden, die wider Willen dazu gezwungen sind, gegen das Böse, die Vernichtung ihrer Welt aufzustehen. Schaut man genauer hin, findet man etwas, das selten ist in der Fantasy: ein unterschwelliger Humor, der die Handlung durchzieht. War das etwas, das Du Dir im Verlauf Deines Schaffensprozesses hast einfallen lassen, oder kam der Anstoß von den Spielern und ihrer Kampagne?
Viel davon war schon in der Spielkampagne, die sich die Gamer vor Jahren erdachten, angelegt. Da ich nun wusste, dass die Spieler Humor schätzten und inkludierten, fügte ich dem meine eigenen Ideen in dieser Hinsicht bei.
Was mir darüberhinaus auffiel war, dass der Plot, obzwar hauptsächlich rasante Fantasy-Action, doch immer wieder auch durchaus nachdenkenswerte Ideen und Überlegungen miteinfließen ließ. Da geht es plötzlich um Dinge wie Freiheit, Verantwortung, es kommen Fragen zu Rassismus vor - war dies etwas, was Dir als Autor wichtig ist?
Chris Metzen, der damals die Kampagne leitete und ich haben viel gerade über die Themen gesprochen. Uns beiden waren diese Aspekte wichtig, so dass ich schon von Beginn an plante, sie miteinfließen zu lassen, auch um die Handlung ein wenig tiefgründiger und für die Leser letztlich befriedigender zu gestalten. Ich sagte ja bereits: Die Story sollte meine Leser zum Mit- und Nachdenken anregen.
Wie war die Rückmeldung der Leser?
Soweit ich das mitbekommen habe, waren die Leser davon durchaus angetan.
Inwieweit konntest Du Deine eigenen Gedanken, Handlungsideen mit in den Roman einbringen, was im Roman ist von der Kampagne, was von Dir?
Ganz, ganz wichtig für mich war, dass ich mit so gut wie allen damaligen Spielern sprechen konnte. Jeder Spieler verleiht seiner Figur ja ganz bestimmte Merkmale, legt Schwerpunkte, baut diese aus. Hier konnte ich den Gestalten über deren Schöpfer - niemand kennt die Figuren schließlich besser als die, die sie sich haben einfallen lassen - näher kommen. Auf diesen vielen Gesprächen konnte ich dann aufbauen. Ein paar der Figuren habe ich geringfügig abgeändert, damit alles zueinander passt, aber ich denke, das Ergebnis kann sich lesen lassen.
Der Roman ist beendet, eine direkte Fortsetzung nicht notwendig oder vorstellbar. Die Welt aber wäre doch eine interessante Bühne für weiter Romane - ist da etwas angedacht?
Das wäre natürlich eine tolle Idee - ich wäre begeistert, wenn ich literarisch in die Welt von Auroboros zurückkehren dürfte. Fix ist aber noch nichts.
Wenn Du mit einem Exposé arbeitest, wie detailliert sind die Entwürfe nach denen Du dann den Roman verfasst?
Für diesen Roman habe ich mit einem sehr detaillierten Exposé gearbeitet, das Chris geschrieben hat. Ich habe dies durchgearbeitet, jede Menge Fragen gestellt und mir Notizen gemacht. Das war natürlich toll, dass ich einen Wegweiser hatte und immer nachschauen konnte, wo die Reise dann hinging.
„Dungeons & Dragons“ kommt ins Kino und wird wohl auch als TV-Serie umgesetzt - wäre es nicht traumhaft, wenn vorliegender Roman auch als Vorlage für eine Verfilmung genutzt würde?
Oh ja, das würde ich sehr gerne ansehen. Ich liebe Fantasy-Verfilmungen - und gerade 2023 wird ein tolles Jahr für die Fans der Fantasy auf der Mattscheibe.
Das Schreiben ist naturgemäß eine Tätigkeit, die man zu Hause in seinem stillen Kämmerlein und alleine macht. Vorher, bei Blizzard, standest Du weit mehr im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Du gabst Interviews, warst als Ehrengast auf Veranstaltungen, hast Fans getroffen - wie war das - der gefeierte Star, dann der einsame Wolf?
Ja, während meiner Zeit bei Blizzard habe ich viel Zeit mit den Fans verbringen dürfen. Die Zeit in der ich einen Roman schreibe ist da natürlich ganz anders. Ich bin also ein wenig eingerostet, was öffentliche Auftritte anbelangt, aber auch zufrieden nur mit der Tastatur und der Arbeit.
An was arbeitest Du gerade?
An viel zu vielen Projekten gleichzeitig. Ein Horror-SF-Roman ist im Entstehen, dann berate ich für Frost Giant deren RTS „Stormgate“, begutachte Kunst für eine Horror Graphic Novel, die ich zusammen mit Samwise Didier herausgebe, redigiere die Umsetzung anderer Vorlagen für Games und dann schreibe ich noch an zwei Romanen, die bislang noch nicht angekündigt wurden. Das alles bekomme ich nur deshalb unter einen Hut, weil ich im Home Office von zu Hause arbeiten kann, was mir ermöglicht, eben auch viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen und den Akku so wieder aufzuladen.
Vielen Dank, dass Du uns Rede und Antwort gestanden bist. Wir wünschen Dir für die Zukunft alles Gute!
Danke für euer Interesse!