Interviews

Im Gespräch mit: Eric Hantsch

Eric Hantsch hat unter dem Signet Edition CL (Cthulhu Libria) vor Jahren damit begonnen, bibliophile Bücher gehobener Phantastik ohne Gewinnerzielungsabsicht aufzulegen. Die limitierten Bücher werden inzwischen von Sammlern, Lesern und Fans gesucht und erreichen, so sie denn überhaupt angeboten werden, Höchstpreise. Unter der neuen Verlagsbezeichnung Edition Dunkelgestirn kehrt er nun zu seiner Verlegertätigkeit zurück. Grund genug für Carsten Kuhr, das Gespräch mit Eric Hantsch zu suchen.


Hallo Eric. Lass uns einmal ein paar Jahre zurückgehen. Für mich zumindest kam da ein junger Mann mit der Idee hochwertige Bücher, mehr noch, bibliophil gestaltete phantastische Werke zu publizieren aus dem Nichts. Wie kam es zu der Idee, wie kamst Du selbst überhaupt mit der dunklen Phantastik in Berührung - warum also fiel Deine Wahl auf die Herausgabe von Weird Fiction und nicht zum Beispiel Kriminal-Literatur?

Hallo Carsten, ganz lieben Dank für die Möglichkeit zu diesem Interview! Tja, wie kam ich zur Phantastik? Da muss ich selbst erst einmal etwas überlegen. Gelesen habe ich, seit ich es konnte, und dann auch recht viel.
Das erste Buch, welches ich selbst gelesen habe, war „Der Affenstern“ von Peter Abraham. In dieser Geschichte will ein Mädchen mit ihren Freunden in einer Badewanne zum Mond fliegen, landen aber stattdessen auf dem Affenstern. So komisch sich das anhören mag, ich fand diese Vorstellung faszinierend. Später habe ich viel von Jules Verne gelesen; und die - wie man sie damals nannte - phantastisch-utopischen Romane der DDR. Davon hatte mein Vater einen ganzen Schrank voll auf dem Boden stehen. Die meisten dieser Bände stehen noch heute in meinen Regalen.
Im Alter von 11 Jahren entdeckte ich dann eine Werkgruppe von Guy de Maupassant in unserer Stadtbibliothek und nahm sie aus Neugier mit, weil ich den Namen sehr interessant fand. Sein „Der Horla“ hat mir dann mehrere schlaflose Nächte bereitet. Als ich später diese Werkgruppe zurückbrachte, fand ich an jener Stelle, an der der Maupassant gestanden hatte, „Cthulhu - Geistergeschichten“ von H. P. Lovecraft; ein schrecklich ramponiertes Taschenbuch des Suhrkamp Verlages. Seltsam, nicht wahr?
Diese Geschichten haben mich zum einen wahnsinnig erschreckt, zum anderen aber auch fasziniert. Ich habe mir dann zum Geburtstag alle verfügbaren Bücher des Autors gewünscht - und auch bekommen. Von Lovecraft bin ich dann schnell zu anderen Phantastik-Autoren gekommen. Diese Zeit des Entdeckens war wohl die spannendste meines Lebens.
2004 oder 2005, genau kann ich es nicht mehr sagen, stieß ich auf die Goblin Press von Jörg Kleudgen. Leider hatte Jörg diese gerade eingestellt, er war jedoch auf meine Anschreiben hin so freundlich und hat mir von jedem Titel, der noch verfügbar war, einen zugeschickt. So habe ich auch feststellen können, dass nicht nur ausländische Autoren gut schreiben könne. Bis heute sind Michael Siefener, Eddie M. Angerhuber und Jörg Kleudgen selbst Schriftsteller, die ich sehr gern lese. Dadurch bin ich auch ins Phantastik-Fandom gerutscht, in dem ich viele nette Leute kennenlernen durfte, die ich heute sehr schätze.
Übrigens: Ich lese auch gern Kriminal-Literatur und SF. Mittlerweile bin ich da nicht mehr wirklich festgelegt.
Was nun das Selbstpublizieren von Phantastik anbelangt, so geschah das aus reiner Neugier. Ich wollte selbst erfahren, wie ein Buch gemacht wird. Welches Genre es dann sein sollte, dass dürfte wohl mein Werdegang erklären; da bestand zu keiner Zeit ein Zweifel: es konnte nur Phantastik sein. Und ich wusste auch, von wem ich gern als erstes ein Buch machen wollte: Jörg Kleudgen, der mir mit seiner Goblin Press so viel gegeben hatte. Als ich im Oktober 2013 in Hessen war und zu einem Besuch bei ihm in Büdingen vorbeischaute, habe ich Jörg einfach gefragt. Tatsächlich hatte ich auch schon einen Entwurf des Buches gemacht, den ich ihm vorlegen konnte – und Jörg sagte gleich zu. Tja, und so ging es weiter.
Dass die Bände der Edition CL eine bibliophile Ausstattung bekommen sollten, war von Beginn an klar. Ich liebe solche Art von Büchern. Ein Buch mit Leineneinband oder einem schönen Buntpapier bezogen, ist etwas Großartiges. Da fallen mir auch spontan die Bücher der Edition Phantasia von Joachim Körber ein, vor allem der Titel „Die Umtriebe des Daniel Kesserich“ von Fritz Leiber. Man liest eine spannende Geschichte, kann tolle Illustrationen bewundern und hat ein wunderbar verarbeitetes Buch. Ein Erlebnis für alle Sinn. Das wollte ich auch versuchen.

Nun stelle ich mir das gerade zu Beginn sehr schwierig vor. Wo lernt man das Büchermachen? Und was gilt es hier an Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten zu überwinden?

Bevor ich überhaupt auch nur in Erwägung zog, etwas in dieser Richtung zu machen, habe ich erst einmal versucht, eine gute Druckerei zu finden. Nach langem Suchen im Internet bin ich letztlich in meiner Heimat gelandet, besser gesagt bei der Buchbinderei Grafe in Bischofswerda, denn das Büchermachen beschränkt sich bei mir dann doch nur darauf, das Layout zu gestalten und die fertige Datei in die Buchbinderei zu geben. Hinzu kommt noch die Auswahl der Materialien. Also bin im Grunde nicht ich der, der die Bücher macht, sondern Grafens. Bei diesem Prozess konnte und kann ich mich bis heute auf die Leute dort verlassen. Da sind echte Profis am Werk, die ihre Arbeit nicht nur beherrschen, sondern auch lieben.
Was nun meinen Part - das Erstellen der Druckdatei anbelangt -, so musste ich einfach lernen. Das hat mir niemand beigebracht. Zuerst habe ich mich mit dem Layout-Programm meiner Wahl auseinandergesetzt, habe dann einfach einen Text genommen und drauflos gearbeitet. Irgendwann war das Ergebnis für mich zufriedenstellend, wobei ich sagen muss, dass ich wie damals heute kein Buch mehr setzen würde. Dieser Lernprozess ist bis jetzt nicht zum Stillstand gekommen. Jedes Buch gibt mir die Möglichkeit, wieder etwas dazuzulernen.
Von Schwierigkeiten oder dergleichen kann ich nicht wirklich berichten, sieht man davon ab, dass ich mir manchmal tagelang den Kopf darüber zerbreche, wie das aktuelle Projekt aussehen könnte. Nein, als Schwierigkeiten würde ich das nicht bezeichnen.

In der Edition CL hast Du immer abwechselnd einen klassischen Stoff und dann einen zeitgenössischen Band veröffentlicht - warum und bleibt das bei Dunkelgestirn auch so?

Die Phantastik der Vergangenheit ist für mich genauso faszinierend wie die zeitgenössische, zumal es da noch wahnsinnig viel zu entdecken gibt. Ich bin sehr froh, Lars Dangel als Herausgeber zur Seite zu haben, der dieses Thema durch seine jahrelange Erfahrung hervorragend zu durchdringen vermag.
Und was sich schon bei der Edition CL bewährt hat und für mich immer sehr spannend war, möchte ich auch für Dunkelstirn beibehalten. Also ja, es wird wieder zeitgenössischen und klassischen Phantastik-Stoff im Wechsel geben.

Es folgte eine Zeit, in der Du Dich aus gesundheitlichen Gründen vom Verlegen zurückziehen musstest. Jetzt bist Du unter dem Signet Dunkelgestirn zurück und hast gleich in bewährter Zusammenarbeit mit Lars Dangel einen neuen Band vorgelegt. Wie kam es dazu, dass Du neu angefangen hast und warum die neue Verlagsbezeichnung?

Wie Du schon gesagt hast, waren es gesundheitlich Probleme, genauer Depressionen, die mich zu diesem Rückzug gezwungen haben. Ich muss wohl hinzufügen, dass ich dieses Problem nicht mehr ganz loswerden kann; also darauf achten muss, was und wie ich etwas tue.
Die einfache Erklärung, warum nun „Die Künste des Doktor Incubus“ erschienen ist, ist schlicht, dass ich es nach fast drei Jahren Abstinenz vom Büchermachen wieder einmal versuchen wollte. Und die Umbenennung sollte schlicht einen Neustart darstellen.

Fast noch mehr als früher wurden bei der handwerklichen Gestaltung des Bandes höchste Qualität geboten. Die Buchbinderei Grafe hat hochwertiges Papier, natürlich mit Lesebändchen, den Einband mit Pariser Mamorpapier, ganzseitigen farbigen Illustrationen, geprägter Halbleinenrücken und der illustrierte Schuber vorgelegt - schlicht ein Blickfang und haptisch ein Genuss. Wie kalkuliert man das, wie findet man da einen Buchbinder, der solch hochwertige Arbeit zu einem bezahlbaren Preis überhaupt noch hinbekommt?

An dieser Stelle mache ich jetzt einfach mal schamlos Werbung für die Buchbinderei Grafe. Die haben für mein Dafürhalten nämlich ein wirklich gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Aufmerksam geworden bin ich auf Grafens aber nur durch mein Suchen. Zuvor war mir nicht einmal bekannt, dass es überhaupt so etwas in meiner Nähe gibt.
Den Schuber habe ich allerdings nicht bei Grafens machen lassen, sondern in der Offsetdruckerei Schwarzach. Das steht deshalb nirgends, weil ich mich zu diesem Schritt erst entschieden habe, nachdem das Buch schon fertig war. Die Leute bei Schwarzach haben aber hervorragende Arbeit geleistet, sodass die Dunkelgestirn-Bücher auch in Zukunft einen Schuber haben werden.
Was das Kalkulieren anbelangt, so ist es so, dass ich nur die rein anfallenden Produktionskosten an die Leser weitergeben. Ich versuche natürlich allen Beteiligten - Autoren und Illustratoren - Belegstücke zu geben, womit bislang auch alle einverstanden und zufrieden waren.
Ich selbst verdiene also nichts an den Büchern; behalte mir auch nur ein Archivexemplar zurück. Damit Geld zu machen ist auch nicht mein Bestreben, denn ich sehe das Büchermachen als ein schönes Hobby an.

Wie sind die Rückmeldungen der Leserschaft? Wie erfahren die Leser da draußen überhaupt davon, dass es ein neues Werk gibt?

Bislang sind die Rückmeldungen der Leserschaft fast durchweg positiv. Das merke ich auch an den Bestellungen, die immer wieder eintrudeln, und dem schnell abnehmenden Bestand meiner Bücher. Aktuell sind noch 14 Exemplare vorrätig, dann ist der Band vergriffen. Es spricht sich also herum. Das freut mich natürlich ungemein, zumal die Edition Dunkelgestirn gerade erst ihren Betrieb aufgenommen hat. Und das auch noch in einer recht verrückten Zeit. Das ist ein sehr schönes Gefühl und ich möchte mich bei allen Unterstützern herzlich bedanken!
Um etwas Präsenz zu zeigen, habe ich für die Edition Dunkelgestirn eine eigene Seite eingerichtet, über die man die Möglichkeit hat, Neuigkeiten zu erfahren und die Bücher anzufordern: www.dunkelgestirn.de. Außerdem können sich Interessenten in eine Mailingliste eintragen lassen, um bei Erscheinen eines neuen Bandes zuerst informiert zu sein.
Außerdem warst Du ja auch so nett und hast über Phantastik-News.de über „Die Künste des Doktor Incubus“ berichtet und später auch eine sehr positive Rezension verfasst. Das hilft natürlich ungemein, interessierte Leser auf Dunkelgestirn aufmerksam zu machen. Ganz herzlichen Dank dafür!

Ein Ausblick auf die Zukunft darf nicht fehlen: Was hast Du für die Leser in petto, auf was dürfen wir uns freuen?

Nun, aktuell liegen mir zwei neue Projekte für 2021 vor. Zum einen eine Novelle von Michael Siefener mit dem Titel „Der Ausbruch“. Das ist ein ganz frischer Text des Autors, den er erst letztes Jahr fertiggestellt hat und ich fühle mich sehr geehrt, diesen publizieren zu dürfen. Michael Siefener ist ja ein weiterer Autor der deutschen Phantastik, den ich sehr schätze.
Das zweite Projekt wird wieder eine Anthologie mit klassischer Phantastik sein, herausgegeben von Lars Dangel. Bereits zu Edition-CL-Zeiten hat Lars eine umfangreiche Liste mit denkbarem Material zusammengestellt, welches entweder bislang völlig unbekannt oder so selten ist, dass es sich nur in der Hand von ganz wenigen Sammlern befindet, und das zugleich literarisch so überzeugend und zeitlos sein muss, dass man es auch heute noch lesen kann.
Diese Liste verändert sich ständig, da durch permanente Nachforschungen stetig neues Material hinzukommt und natürlich auch andere Verleger hin und wieder etwas publizieren, so dass auch geplante Texte hinfällig sind.
Übrigens bin ich selbst immer wieder aufs Neue gespannt, was alles bei den jeweiligen Projekten auf mich zukommt.

Vielen Dank, dass Du uns Rede und Antwort gestanden hast. Wir wünschen Dir und Deinen Lieben sowie Deiner verlegerischen Tätigkeit alles Gute!