Interviews
Im Gespräch mit: Grit Richter
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- Kategorie: Interviews
- Veröffentlicht: Mittwoch, 04. Dezember 2019 10:26
Verlagsgründerin Grit Richter ist staatlich geprüfte Grafik-Designerin und kam eher durch eine Verkettung glücklicher Umstände zu ihrer Berufung - ihrem eigenen Verlag. Der Art Skript Phantastik Verlag ist spezialisiert auf Dark Fantasy, Steampunk und Space Opera. Mit skurrilen Geschichten, außergewöhnlichen Welten und neuen Charakteren bettet sich der unabhängige Publikumsverlag in seine ganz eigene Nische auf dem Markt der Kleinverlage ein.
Weg vom Mainstream und Kopien amerikanischer Bestseller, hin zu deutschsprachigen Originalen - willkommen auf der dunklen Seite der Phantastik. Nach diesem Motto Grit Richter den Verlag seit dem 1. Januar 2012 und konnte bereits einige Aufmerksamkeit erregen. Diverse Nominierungen und Gewinne des Deutschen Phantastik Preises für die Romane und Anthologien des Verlages zeigen, dass die ungewöhnlichen Geschichten auf dem Markt Anklang finden.
Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr suchte das Gespräch mit der Verlegerin.
Hallo Grit. Erzähl doch erst mal wie man als junge Frau auf den Gedanken kommt, einen Buchverlag und dann auch noch ausgerechnet einen für Phantastische Literatur zu gründen?
Hallo Carsten. Ich glaube, diese Geschichte ist mittlerweile ein bisschen legendär. Der Vater meines besten Freundes hatte 2011 ein Buch geschrieben und an einen Verlag gegeben. Er fragte mich dann, ob ich Illustrationen dazu zeichnen möchte, was ich gerne getan habe. Dazu habe ich seine Geschichte durchgelesen und war sehr begeistert. Tiefste Dark Fantasy, ein Setting in Deutschland, Parallelgesellschaften. Es war so spannend, dass ich mir sagte „Wenn dieser Verlag das machen kann, dann kann ich das auch!“ Daraufhin habe ich einen Existenzgründungskurs gemacht, ein Konzept und einen Businessplan geschrieben und am 1. Januar 2012 den Art Skript Phantastik Verlag gegründet.
Phantastik war schon immer mein Genre, ich wollte etwas machen, das es auf dem deutschen Markt noch nicht so oft gibt: Phantastik Made in Germany.
Welche Spielart der Phantastik bevorzugst Du selbst, wie kamst Du zur Phantastik?
Ich verlege das, was ich selbst gerne lesen würde. Persönlich mag ich die Dark Fantasy sehr gerne, die Idee unsere bekannte Welt zu nehmen und sie durch düstere Wesen zu ergänzen finde ich immer wieder sehr faszinierend.
Phantastik habe ich schon immer gerne gelesen und gesehen, ob als Kind in Märchenform, später als Filme von Tim Burton (noch später in Form von „Der Herr der Ringe“ und Harry Potter um nur ein paar zu nennen), aber eben auch als Bücher, wie „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende. Phantastik war einfach schon immer Teil meines Lebens. Das geht soweit, dass ich manchmal Serien schaue und mich zwischendrin wundere, warum da nichts Paranormales passiert.
Nun gibt es weitaus einfachere Wege um Geld zu verbrennen und seine Zeit zu vergeuden - beides natürlich provokativ und wahrlich nicht ernst gemeint. Warum hast Du Dich entschlossen, viel Deiner Zeit in Buchprojekte zu stecken?
Ich bin staatlich geprüfte Grafik-Designerin, aber wirklich Fuß fassen konnte ich in diesem Beruf nie. Ich bin von einem Praktikum zum nächsten gestolpert und wenn es mal eine langfristige Arbeitsstelle gab, dann war ich die erste die gehen musste, wenn Stellen abgebaut werden mussten.
Von der ersten Idee, den Verlag zu gründen, bis heute habe ich das Gefühl genau das Richtige gemacht zu haben. Der Verlag macht mich glücklich, er gibt meinem Leben eine Struktur und Konstante, die vorher nicht da war. Ich liebe es, neue Geschichten zu entdecken, sie in schöne Gewänder zu hüllen und dann auf Messe dem Publikum zu präsentieren.
Lohnt es sich?
Für mein Seelenheil, ja!
Mittlerweile ist der Verlag aber über 7 Jahre alt, er kann nun auf sich selbst aufpassen.
Wie sieht der typische Weg eines Buchs in Deinem Verlag von Manuskripteinsendung bis zum verkaufsfertigen Titel aus und wie lange dauert es (Lektorat, Korrektorat, Satz, Covergestaltung, Werbung und Veröffentlichung)?
Eigentlich hast Du den Weg schon gut beschrieben. Am Anfang steht das Gespräch mit dem Autor beziehungsweise der Autorin. Das kann in Form eines Exposés sein. Autorinnen und Autoren, die ich jedoch schon kenne, stellen mir auch manchmal bei einem Kaffee auf der Messe ihre Idee vor.
Ich nehme nur fertige Manuskripte an, diese werden dann von mir gelesen und vor-korrigiert (sprich: ich schreib einfach alles rein, was mir auffällt). Dann kommt das professionelle Lektorat, anschließend wird das Skript von mir gesetzt und geht dann ins Korrektorat. Danach bekommt es noch einmal der Autor „zum absegnen“. Die Cover-Gestaltung findet währenddessen statt, manchmal hab ich schon ganz am Anfang des Projektes ein Cover (besonders bei Anthologien). Sobald das Buch in den Druck gegangen ist, erstellte ich das eBook, melde beide Varianten bei den zuständigen Großhändlern an und sobald die Bücher als lieferbar beziehungsweise vorbestellbar gemeldet sind, beginnt die Werbung. Dann schreibe ich auch alle meine Bloggerinnen und Blogger an und frage, ob sie Interesse daran haben, die Neuheiten zu lesen und zu rezensieren.
Nach welchen Kriterien suchst Du die Manuskripte aus, die beim Art Skript Phantastik Verlag veröffentlicht werden?
Die Geschichten müssen in erster Linie mich überzeugen, denn nur dann, kann ich sie auch verkaufen. Sie müssen phantastisch sein (in jederlei Hinsicht), sie dürfen neue Wege gehen, fern ab vom Mainstream sein. Sie können queer und divers sein, laut und leise, zart und knallhart. Es gibt da keine genauen Regeln. Natürlich sollten sie zum Verlagsprogramm passen und unseren Genre Dark Fantasy, Steampunk und Space Opera entsprechen.
Es ist ein Ein-Frau-Job - oder hast Du Helfer im Hintergrund?
Alles, was ich selbst machen kann, mache ich selbst. Dazu gehört neben dem oben beschriebenen Werdegang der Bücher auch die Lagerverwaltung, Messe- und Lesungenplanung, Bürokram und so weiter. Auch Cover- und Innenseitengestaltung mache ich selbst (das biete ich sogar als Dienstleistung außerhalb des Verlages an).
Für viele andere Aufgaben habe ich externe Mitarbeiter wie Lektorinnen und Lektoren, Illustratorinnen und Illustratoren, einen tollen Steuerberater und so weiter. Auf Messen werde ich tatkräftig von meinen Freunden unterstützt. David Knospe, Jenny Wood und Melanie Schneider sind alle selbst Autorinnen beziehungsweise Autoren und opfern ihre wertvolle Freizeit, um mit mir auf Messen geilen Scheiß zu verkaufen. Ich kann gar nicht oft genug sagen, wie dankbar ich dafür bin.
Es fällt auf, dass Du Dich immer bemühst, Deine Veröffentlichungen mit Gimmicks, besonderen optischen Gestaltungen und ähnlichem aus der Masse der Publikationen herauszuheben - lohnt sich der Aufwand?
Für mein Seelenheil, ja - Moment, das hab ich doch schon mal geschrieben ^^
Für mich ist grafische Gestaltung kein Aufwand, ich bin Grafikerin geworden, weil ich es liebe, Dinge hübsch zu machen und es störte mich schon immer, dass Bücher so leer sind. Einfach nur Text und Seitenzahl ist mir zu wenig! Dann kommen eben Verzierungen mit dazu. Stell’ Dir mal vor, du sitzt im Zug oder Bus und neben Dir schlägt jemand ein Buch auf, das so schön gestaltet ist. Das bleibt doch gleich im Gedächtnis.
Dark Fantasy inklusive der Urban-Variante, Steampunk und Space Opera - die Palette ist weit gespannt, warum konzentrierst Du Dich nicht auf eine einzelne Sparte?
Wie oben schon erwähnt, wollte ich Bücher machen, die ich selbst gerne lese und von denen ich das Gefühl habe, dass sie auf dem deutschsprachigen Markt fehlen. Mir gefiel die Idee, Phantastik zu machen, die in unserer realen Welt verankert ist. Daher findet sich in meinem Verlag auch keine High Fantasy, die in einer komplett selbsterfundenen Welt spielt. Dieses Genre hat natürlich auch noch mal seine ganz eigenen Reize, aber mir gefällt es, dass alle Geschichten in meinem Verlag irgendwo in der realen Welt fußen. Sei es in der Vergangenheit, der Gegenwart oder einer möglichen Zukunft.
Es gibt in Deinem Verlag keine Übersetzungen, Du konzentrierst Dich auf deutschsprachige Verfasser - ist das Sendungsbewusstsein, ist es Überzeugung, dass unsere Autoren mithalten können, oder was hat Dich dazu bewogen, deutschsprachige Verfasser zu publizieren?
Ich gehe oft in die kleine Buchhandlung hier in meinem Örtchen und schon bevor ich den Verlag gegründet habe fiel mir auf, dass man zu allen Genres auch immer deutsche Autorinnen und Autoren findet. Egal ob (Regional-)Krimi, Thriller, Historischer Roman, Zeitgenössisches, Hohe Literatur, Romantik etc. überall, wirklich ÜBERALL gibt es ein ausgewogenes Verhältnis von „Importware“ und deutschsprachigen Originalen. Nur im Phantastik-Bereich nicht! Klar, wir haben unsere üblichen Verdächtigen, wie Wolfgang Hohlbein, Bernhard Hennen, Markus Heitz und Kai Meyer, für die Jüngeren gibt es Cornelia Funke und Ursula Poznanski. Aber all diese Namen können nicht gegen eine Flutwelle aus (besonders aber nicht nur) amerikanischen Titeln ankämpfen, die jährlich über den deutschen Markt gespült wird.
Mal abgesehen davon, dass ich da als kleiner Verlag gar nicht mithalten kann, WILL ich das auch gar nicht. Ich möchte gerne die deutschsprachige Literatur fördern, ich möchte Geschichten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, ich will zeigen, dass wir da durchaus im internationalen Vergleich mithalten können. Wer sich die Mühe macht und sich bei den Kleinverlagen umschaut, der wird viele Schätze entdecken (nur an der Sichtbarkeit müssen wir noch arbeiten, aber wir sind auf dem besten Weg).
Anthologien verkaufen sich - gar nicht. Selbst die Kleinverlage haben Probleme, derartige Bücher an den Leser zu bringen - wie siehst Du das?
Mein All-Time-Long-Seller ist eine Anthologie. „Steampunk 1851“ erschien im Jahr 2013 und hat sich bisher über 1000mal verkauft. Das ist eine wirklich großartige Hausnummer für einen Kleinverlagstitel. Kein Roman in meinem Verlag kommt da ran, aber auch keine andere Anthologie.
Meine Bücher gehen immer gut auf Messen, da hat man dann die Möglichkeit den Leserinnen und Lesern Anthologien auch vorzustellen. Viele wissen nicht einmal, was das ist oder haben keinen Bezug zu Kurzgeschichten. Das liegt auch daran, dass selbige im deutschsprachigen Raum nicht so bekannt sind. Wir haben nicht diese lange Tradition der Kurgeschichte, wie es zum Beispiel die Briten oder Amerikaner haben. Ein ähnliches Problem gibt es auch mit Novellen. Das deutschsprachige Publikum ist fette Romane gewöhnt. Aber auf Messen hat man immer wieder die Möglichkeit Werbung für Kurzgeschichten, Anthologien und Novellen zu machen und so ein bisschen mehr Sichtbarkeit zu schaffen.
Man konnte lesen, dass gerade die inhabergeführten Verlage durch die Insolvenz von KNV und der Auslistung bei Libri stark gebeutelt wurden. Wie sieht es da bei Dir aus?
2019 war ein richtiges Scheiß-Jahr! Ich hab noch nie so oft darüber nachgedacht den Verlag zu schließen, wie in diesem Jahr. Und ich liebe meinen Verlag (wie oben geschrieben), aber dieses Jahr, hat mich an meine Grenzen gebracht. Ich konnte den Verlag über Wasser halten, weil ich ihn mit meinem zweiten Standbein als Grafik-Designerin querfinanziert habe. Eine Zeitlang hab ich nur Cover und Innenseitengestaltung für andere gemacht und konnte mich so über die Libri- und KNV-Krise hinwegretten. Dazu kommt aber auch viel Rückenwind von meinen Autorinnen und Autoren, die besonders viel Werbung gemacht haben und auch besonders viel Verständnis hatten, wenn mal etwas nicht so schnell ging, wie sonst.
KNV scheint sich jetzt gut gefangen zu haben, es kamen schon wieder ein paar Bestellungen rein und das Weihnachtsgeschäft, scheint zu laufen. Aber von Libri habe ich nun schon lange nichts mehr gehört. Aber ich bin auch ein Kleinverlag, so wichtig bin ich in deren System sicher nicht.
Du bist viel unterwegs - präsentierst Deine Bücher auf Messen, sprichst mit Lesern, Kunden und Fans die es werden können - lohnt sich der Aufwand?
Aber klar doch! Jedes Gespräch ist potenziell ein Kundengespräch, jeder gute Eindruck ein Plus für den Verlag. Meine Buchhändlerin sagte einmal „Als Buchhändler sollte man nicht nur Bücher lieben, man sollte auch den Umgang mit Menschen lieben“ und so sehe ich das auch als Verlegerin. Gespräche gehören auch mit zu meinem Arbeitsumfeld und sie machen mir sehr viel Spaß.
Für einen der umtriebigen kleinen Verlage produzierst Du erstaunlich dicke Bücher - ich denke da an den ausgezeichneten „Archibald Leach“ oder jüngst den „Earl von Gaudibert“ - lohnt sich das verlegerisch? Die kosten in der zeitaufwendigen Vorbereitungsphase und beim Druck viel, ohne dass Du den Buchpreis entsprechend anheben kannst, sonst geht wenig über den Ladentisch.
Solche Großbuchprojekte, wie die von dir genannten, mache ich nicht mit jedem. Da muss schon ein starkes Vertrauensverhältnis zwischen Autorinnen und Autoren und der Verlegerin da sein. M. W. Ludwig, der Autor von „Der Earl von Gaudibert“-Reihe) und Markus Cremer, der Autor der „Archibald Leach“-Reihe ebenso wie Mia Faber, die Autorin von „Unruh - Das Ticken des Uhrwerks“ und Christina M. Fischer, die Autorin der „Dämonen“-Trilogie) sind alles Autorinnen und Autoren, mit denen ich sehr gut zusammenarbeiten kann, sie alle sind sehr darauf bedacht überall Werbung für ihre Bücher zu machen, selbst Lesungen zu organisieren und so weiter. Dicke Bücher wie diese verkaufen sich anders nicht, man muss eine gewisse Masse von ihnen verkaufen, damit man am Ende in die schwarzen Zahlen kommt.
Nach diesem Jahr kann ich es mir nicht mehr leisten Bücher zu machen, die sich nicht lohnen. Besonders diese großen Projekte müssen auch in einer höheren Auflage gedruckt werden, damit der Druckpreis pro Stück niedriger wird. Wenn sie sich dann noch verkaufen, ist alles gerettet. Aber wie gesagt, da müssen Autorin und Autor besonders stark mithelfen. Bisher hat das bei fast allen Projekten geklappt.
Anders als viele Deiner Kollegen bietest Du keinen Direktbezug Deiner Titel an, warum nicht, da fällt doch die Händler-Marge weg?
Ich habe den Verlag nun seit mehr als 7 Jahren und habe schon zwei Mal versucht einen Online-Shop aufzubauen. Beide Male war das mit sehr viel finanziellem und zeitlichem Aufwand verbunden und das Resultat war gleich Null. Keiner hat über den Online-Shop bestellt. Wenn man dann noch laufende Kosten hat, ist das umso ärgerlicher. Trotzdem arbeite ich gerade an einer neuen Shop-Alternative. Gerade, weil die Libri- und KNV-Krise mich gelehrt hat, dass der Großhandel schnell zusammenbrechen kann und ich den Kunden spätestens dann die Möglichkeit bieten möchte, die Bücher direkt bei mir zu beziehen.
Ganz herzlichen Dank, dass Du Dir für unsere Leser Zeit genommen hast. Wir wünschen Dir und Deinem Verlag für die Zukunft das Beste und warten auf viele weitere tolle Bücher!