Interviews

Im Gespräch mit: Michael Haitel

Michael Haitel ist verheiratet und lebt und arbeitet seit Kurzem in Nordfriesland. Er ist unter anderem der Herausgeber des Clubmagazins des Science Fiction Clubs Deutschland e.V. („Andromeda Nachrichten“). Mit dem Umzug nach Norddeutschland haben sich auch Änderungen ergeben in seinem Verlag, p.machinery, der sich das Programm betreffend zunehmend auf die Science Fiction fokussiert. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr hat mit Michael Haitel ein Interview geführt.

 

Hallo Michael. Wie kamst Du dazu, Bücher machen zu wollen?

Abgesehen davon, dass ich schon immer gerne gelesen habe - nicht nur SF, sondern eigentlich alles, was zwischen Buchdeckeln zu bekommen war und ist -, habe ich seit Anfang meiner Fandom-Karriere Anfang der 80er auch immer gerne Layouts gemacht. Angefangen mit dem guten klassischen Schnipp&Bepp bis hin zu den heutigen Möglichkeiten am Computer. Und neben Fanzines - die offensichtlich leider im Aussterben befindlich sind - sind Bücher die besten und schönsten Gelegenheiten, sich handwerklich in Sachen Layout zu betätigen.

Ende 2018 bist Du zusammen mit Deinem Verlag vom malerischen Murnau in den hohen Norden gezogen - warum?

Über Murnau müssen wir nicht reden, wir sind offensichtlich geteilter Meinung laughing. Die Gelegenheit 2018 war aus hauptberuflichen Gründen günstig, und so haben wir - meine Frau, meine beiden Hunde und ich - die Gelegenheit ergriffen, das zu tun, was ich für die Rente sowieso vorgesehen hatte: Bayern den Rücken kehren. Keine Berge mehr, kein schwüles, stehendes Klima im Sommer (und in der Politik), keine sprachbehinderten Klugscheißer, die meinen, die Norddeutschen wären maulfaul (naja, gut, die Bayern kennen sich damit halt aus). Und so weiter.

Im Zusammenhang mit dem Verlag selbst gibt es einen indirekten Grund, der dann doch mit Murnau zu tun hat: Murnau ist ein kulturelles schwarzes Loch. Heißt du nicht Münter, Marc, von Horvath, hast nichts mit den Blauen Reitern zu tun und kannst wegen der Ablehnung der Kulturhonoratioren gegenüber derjenigen Kulturschaffenden, die nicht in dieses Schema passen, eh nichts reißen, dann ist Murnau für dich nicht die richtige Ecke. Verlage werden nicht unterstützt, sondern durch die Gemeinde im Rahmen der Fremdenverkehrsabgabe noch abgezockt; die Verlage, die Aufträge von der Gemeinde erhalten, sitzen in den neuen Bundesländern (was ich denen auch gönne, aber es sagt halt viel über die Kulturszene in Murnau aus).

Murnau gibt sich gerne rege, was Kultur angeht. Veranstaltungen, Ausstellungen, ein Kulturzentrum (in dem man auch mal Kabarettisten wie den Malmsheimer und die Solga zu sehen bekam, bis irgendeinem Schreibtischfuzzi auffiel, dass die ja mitunter politische Aussagen kolportieren), aber am Ende ist mir immer nur die Aufforderung (mit Strafandrohung) geblieben, meine Zahlen zur Erhebung der Fremdenverkehrsabgabe abzugeben.

p.machinery - ein ungewöhnlicher Name für einen Verlag; was versteckt sich hinter der Bezeichnung?

Das heißt auf gut Deutsch einfach nur „Propagandamaschinerie“. Ein für einen Verlag passender Name, wie ich finde.
Der Ursprung stammt aus der Düsseldorfer Musikszene der 80er Jahre: Die damals noch junge und hochaktive Band Propaganda hatte einen Titel namens „p:machinery“ im Programm. Und da ich Düsseldorfer bin…

Schaut man das Verlagsprogramm an, so bemerkt man, dass Du ein breites Spektrum abdeckst. Neben Reisebüchern erscheinen die „AndroSF“-Reihe, „Außer der Reihe“, die Herbert W. Franke Werksedition, Fantasy- und Horror-Bücher. Wo siehst Du Deinen Schwerpunkt, was versteckt sich hinter den einzelnen Reihenbezeichnungen?

2018 wurde da Einiges gestrichen.

„AndroSF“ ist die hauptsächliche SF-Reihe des Verlages. Die „SF-Werkausgabe Herbert W. Franke“ ist ein Teil der „AndroSF“-Reihe. Auch „Die Welten der SF“ (herausgegeben von Frank G. Gerigk) und „ProtoSF“ (noch in Vorbereitung, beizeiten herausgegeben von Ulrich Blode) gehören zum heute hauptsächlich SF-orientierten Programm.

„Außer der Reihe“ beinhaltet das, was der Reihentitel aussagt: alles, was nicht in die SF-Reihen passt. Das ist nicht mehr viel und wird im Laufe der Zeit weniger werden, aber hier werden sich - neben der „Werkausgabe Tiny Stricker“, die definitiv nichts mit SF zu tun hat - auch Titel finden, die SF eher am Rand streifen oder aufgrund von Elementen anderer Genres nicht ganz sauber der SF zuzuordnen sind.

„Ikebana“ bleibt, weil das ein Hauptumsatzträger ist; und „ErlebnisHund“ wird auch bleiben und ausgebaut, weil ich selbst Hundebesitzer bin.

Alle anderen Reihen sind gestrichen. „Fantasy“ war für das, was ich eigentlich verlegen wollte - märchenhafte Geschichten für Kinder und Jugendliche, gerne auch für Mädchen - die falsche Bezeichnung. Im Bereich „Horror“ habe ich nicht nur eine Nische, sondern allenfalls eine Felsritze in dieser Nische besetzt; da gab und gibt es einfach bekanntere und leistungsfähigere Verlage. Die „ErlebnisWelten“ - die Reiseerlebnisbücher - sind letztlich daran gescheitert, dass die Menschen sowas nicht lesen zu wollen scheinen. die Bücher dieser Reihe gehören zu meinen schönsten Layouts, aber was nutzt es, wenn sie keiner haben will.

Der Schwerpunkt von p.machinery liegt jedenfalls seit 2018 eindeutig bei Science Fiction.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem SFCD? Wer entscheidet letztlich, welche Bücher in dieser Reihe erscheinen?

2006, als ich in den SFCD zurückkehrte und gleich auch in den Vorstand eintrat, weil eine Stelle vakant war, machte ich den Vorschlag, der SFCD möge sich eine eigene Buchreihe gönnen. Damals war ich schon bei Books on Demand aktiv, und das Ganze wäre einfach gewesen. Leider hat der damalige Kassierer das Prinzip nicht verstanden und mir wohl auch nicht zugehört, jedenfalls wurde die Idee mit dem Vermerk „zu teuer“ abgeschmettert. Woraufhin ich entschied, die Reihe „AndroSF“ aufzulegen und diese „für den SFCD“ herauszubringen.

Die Entscheidungen über die in der Reihe entscheidenden Titel treffe alleine ich.

Immer wieder auch publizierst Du außergewöhnliche Titel. Das kann man dann meistens auch am Format erkennen - da gibt es quadratische Bücher, in denen Autoren Storys zu den abgebildeten Illustrationen beigesteuert haben, oder die hochaufragenden Türme der „Stille nach dem Ton“ oder jüngst der „Daedalos“-Band. Wie kommt es zu diesen doch ungewöhnlichen Buchgrößen? Nimmt das der Buchhandel an?

Das hat immer unterschiedliche Gründe.

„Inspiration“ zum Beispiel, wo die Autoren Storys nach Bildern von Andreas Schwietzke schrieben, ist quadratisch, weil Andreas ein „Querformatiger“ ist, d.h., die meisten seiner Bilder sind breiter als hoch. Und die Überlegung, solche Bilder in ein 08/15-Paperback von zum Beispiel 127 x 203 mm - das p.machinery-Standardformat - zu quetschen, ist schlicht widersinnig gewesen.

„Die Stille nach dem Ton“, die im sogenannten Weinkartenformat (© Dirk C. Fleck embarassed) vorliegt, entstand aus der Not. Die darin enthaltenen Kurzgeschichten stellten insgesamt so viel Material dar, das wir in einem „normal“formatigen Buch nicht untergebracht hätten. (Und „GO! - Die Ökodiktatur“ von Dirk C. Fleck erschien als zweites Buch in dem Format, weil wir - Ralf Boldt und ich; Wolfgang Jeschke ist als denkbarer Mitherausgeber ja nicht mehr unter uns - neben den DSFP-Gewinner-Kurzgeschichten auch die -Romane nach und nach neu auflegen wollten und wollen.

Und „Daedalos 1994–2002“ sollte einfach ein besonderes Buch werden.
Grundsätzlich wähle ich das Format jedenfalls nach den Gegebenheiten aus. Die bisher sieben erschienenen Bände von Die|QR|Edition sind alle quadratisch, weil Mike Weissers QR-Codes auch quadratisch sind.

Wie ist das generell - verkaufst Du hauptsächlich im Direktvertrieb, oder über den Buchhandel?

Ich verkaufe über jeden Kanal, der sich anbietet - ausgenommen das sogenannte Barsortiment, weil mir deren Margen von 50 bis 60 Prozent die Preise dermaßen versauen würden, dass niemand mehr meine Bücher kaufen würde. Ich habe weit über 200 Buchhändler in meinem Kundenstamm, und die kaufen auch über das Barsortiment, da diese verpflichtet sind, Bestellungen, die sie selbst ab Lager nicht bedienen können, an den Verlag weiterzuleiten. Recht praktisch, diese Erfindung.

Wieviel von Deinem persönlichen Geschmack fließt in die Titelgestaltung mit ein?

Wenn Du damit die Bücher insgesamt meinst: alles. Natürlich bringe ich auch mal Bücher von Autoren, mit denen ich schon zusammenarbeite, aber bislang haben mir alle diese Werke auch gefallen.

Wenn Du damit jedoch die Titelbilder meinst: Da richte ich mich gerne auch nach den Wünschen, Ideen und Vorstellungen der Autoren. Wenn sich daraus schöne Titelbilder entwickeln, dann bin ich auf jeden Fall mit von der Partie.

Auffallend auch, dass Du anders als gerade die Großverlage dankenswerterweise die Anthologie und Kollektionen pflegst - liegt Dir die Kurzgeschichte am Herz und wenn ja, warum?

Ich kann Dir nicht genau sagen, warum ich Kurzgeschichten jedem Roman vorziehe. Es liegt möglicherweise an meinem Lese-Verhalten. Ich bin - das gebe ich offen zu - ein Scheißhausleser . Ich lese den ganzen Tag irgendwas, vor allem natürlich die Texte für die Bücher, die ich verlege. Abends wird dann noch am Notebook gearbeitet. Wenn ich dann mal Zeit habe, dann ist das meist auf dem Örtchen, das auch Herzöge nur alleine aufsuchen. Und da lesen sich Kurzgeschichten einfach angenehmer als ein Roman.
Darüberhinaus stimme ich voll und ganz mit dem überein, was Helmuth W. Mommers zuletzt in seinem „Plädoyer für die Kurzgeschichte“, dem Vorwort zu seinem Buch „Anderzeiten“ (AndroSF 77; siehe demnächst auch in den „Andromeda Nachrichten“ 264 des SFCD), geschrieben hat. Kurzgeschichten zeichnen sich in ihrem Abwechslungsreichtum dadurch aus, dass man „immer wieder umdenken [muss], sich in neue Welten hineinversetzen, sozusagen geistige Purzelbäume schlagen - statt sich wohlig im vertrauten, warmen Nest niederzulegen oder, um mit Jeschke zu sprechen, geistig die Hausschuhe anzulassen, bis man durch ein unweigerliches ›Ende‹ sanft entschläft…“.

Ich bezweifle nicht, dass es gute Romane gibt, und im Rahmen meiner Arbeit für das DSFP-Komitee habe ich auch 2018 einige gelesen, die ganz außergewöhnlich toll waren und sind. Aber es ist, wie es ist: Wenn ich die Wahl habe, hat die Kurzgeschichte von vornherein die besseren Karten.

Die Herbert W. Franke Werksausgabe zählt zu den bekanntesten Titeln Deines Verlags. Wie kam es zu Edition? Wie ist der Zuspruch der Leser?

Das Zustandekommen war einfach: Herberts Agent hat mich angesprochen, gefragt und wir wurden uns handelseinig. Voilà. Nicht verhehlen darf und will ich, dass Ulrich Blode nicht ganz unschuldig am Zustandekommen der Idee war, und auch Hans Esselborn spielte wohl eine Rolle. Warum die Wahl allerdings auf mich fiel, weiß ich nicht. Das war und ist mir auch nicht wichtig.

Der Zuspruch ist okay. Es ist natürlich eine Sammleredition, die Auflagen liegen im höheren zweistelligen Bereich und nehmen regelmäßig zu. Mit jedem neuen Buch kommen auch neue Abonnenten hinzu, und ich denke, wir knacken noch 2019 die Grenze von 100 Abonnenten.

Wie so manche Deiner Publikationen gibt es die Franke-Bücher sowohl in einer preiswerten Taschenbuch- und eBook-Version als auch in einer handwerklich hochwertigen, zumeist limitierten Hardcover-Ausgabe. Rechnet sich das, warum bietest Du die limitierten Bücher dann nicht auch signiert an?

Ja, das rechnet sich. Gerade bei der Franke-Werkausgabe sogar sehr gut, denn die meisten Käufer - eben Sammler - erstehen hier die Hardcover. Signierte Bücher sind allerdings technisch problematisch: Gedruckt werden sie in Berlin, gelagert werden sie in Berlin, Herbert W. Franke sitzt zwischen München und Wolfratshausen, und die Bücher hin und her zu schicken, verbietet sich für mich. Dazu kommt noch, dass ich die Bücher eingeschweißt an den Mann bringe, um Beschädigungen auf dem Postwege zu vermeiden.

In einem Deiner letzten Postings hast Du mitgeteilt, dass Du überlegst Vollzeitverleger zu werden. Wie weit ist diese Überlegung gediehen?

Das bin ich seit dem 1. Januar 2019, nachdem mein vorheriger hauptberuflicher Arbeitgeber meine Dienste nicht mehr zu benötigen glaubte.

Du druckst wie viele Deiner Kollegen beim Schaltungsdienst Lange - warum nicht bei Create Space, die ja deutlich günstiger sind und auch den Vertrieb über Amazon anbieten?

Paperbacks in Standardformaten, die keine Farbseiten enthalten, lasse ich auch via KDP (früher CreateSpace, die sind zusammengeflossen) produzieren. Das sind die Bücher, die ohne Aufpreise (Stichwort: Marketplace) bei Amazon zu finden sind. Die Bücher, die KDP nicht herstellen kann (Formatprobleme, Farbseiten [bei Farbseiten wird das ganze Buch in Farbe gedruckt, das kann man nicht bezahlen], Hardcover [kann KDP nicht]) biete ich bei Amazon über den Marketplace an (und sie verkaufen sich dort auch trotz Aufschlag).
Dass CreateSpace deutlich günstiger war und KDP deutlich günstiger sei, halte ich für ein Gerücht.

Stichwort eBooks - ist das bei Dir vom Absatz her ein Thema, wie siehst Du die Entwicklung für die Zukunft? Wird es in 10 Jahren außer Liebhaber-Ausgaben überhaupt noch gedruckte Bücher geben?

Ja, eBooks sind ein Thema - vor allem, weil sie wenig Arbeit machen. Ich arbeite mit bookrix in München, die die Bücher auf den Markt bringen; ich kassiere nur. Das ist praktisch. Leben kann ich davon nicht, aber Kleinvieh macht bekanntermaßen auch Mist.
eBooks haben für mich ihren Platz gefunden und werden ihn auch behalten. Eine vollständige Verdrängung wird es nicht geben - vor allem auf dem Buchmarkt nicht. Und wenn man sich andere Sektoren anschaut: Wie oft hieß es, Vinyl sei tot? Es gibt junge Herstellerbetriebe, die Auflagen sind so hoch wie nie. Und die BD hat die DVD nicht gekillt, die DVD die CD nicht, und dass die guten alten VHS-Videos praktisch verschwunden sind, liegt wohl vorrangig an den Laufwerken, nicht an den Bändern.

Welcher Autor findet bei Dir eine Heimat - sprich, was muss der Verfasser seinem Manuskript mit auf den Weg geben, was ist für Dich als Herausgeber interessant?

Ein erster Schritt ist, dass mir keine Manuskripte angeboten werden, die nicht in mein Programm passen. Autoren behaupten gerne, sie hätten meine Website studiert, das aber ganz offensichtlich nicht getan; anderenfalls würde ich keine Fantasy-Schwarten mehr angeboten bekommen, die ich noch nie angenommen habe.

Ein zweiter Schritt ist: Lektorat erledigt? Gut. Korrektorat erledigt? Auch gut. Wenn ich ein Korrektorat machen muss - was ich sowieso mache, wenn ich ein Layout vorbereite -, dann wünsche ich keine Diskussionen über die in meinem Verlag übliche Rechtschreibung.

Und dann muss die Geschichte stimmen. Und da verlasse ich mich dann ganz auf mein Gefühl, das natürlich tagesformabhängig ist.

Vielen Dank, dass Du und Rede und Antwort gestanden bist. Wir wünschen Dir für die Zukunft alles Gute!

Danke sehr.