Liane Giemsch und Svend Hansen (Hrsg.): Gold und Wein - Georgiens älteste Schätze (Buch)
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- Veröffentlicht: Donnerstag, 16. Mai 2019 18:06
Liane Giemsch und Svend Hansen (Hrsg.)
Gold und Wein - Georgiens älteste Schätze
Begleitband zur Sonderausstellung im Archäologischen Museum Frankfurt vom 6. Oktober 2018 bis 10. Februar 2019
Übersetzung: Vladimir Ioseliani, Dr. Kathrin Meents (bilingual deutsch/englisch)
Nünnerich-Asmus Verlag & Media, 2018, Hardcover, 360 Seiten, 29,90 EUR, ISBN 978-3-945760-54-1
Rezension von Irene Salzmann
Georgien mit der Hauptstadt Tiflis ist ein Staat zwischen Europa und Asien, der sich östlich des Schwarzen Meeres und südlich des Großen Kaukasus befindet, im Norden an Russland, im Osten an Aserbeidschan und im Süden an die Türkei und Armenien grenzt.
Die frühesten Funde für eine Besiedlung der Region stammen aus der Altsteinzeit. Ab dem Neolithikum lassen sich verschiedene Stämme nachweisen, die Ackerbau und Viehzucht, metallverarbeitende und andere Handwerke betrieben. Teils lebten sie nebeneinander, teils übernahmen sie die verlassenen Siedlungen früherer Bewohner, die auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen weitergezogen waren. Belegt ist zudem ein reger Handel mit den benachbarten Kulturen (unter anderem die Mesopotamiens).
„Gold und Wein“ ist ein wissenschaftliches Fachbuch, das sich mit eben diesen Produkten befasst, deren Herstellung in Georgien eine lange Tradition aufweist, und zugleich der Katalog zur gleichnamigen Sonderausstellung im Archäologischen Museum Frankfurt vom 6. Oktober 2018 bis 10. Februar 2019 ist.
Dementsprechend gliedert sich der Inhalt in einen Teil mit wissenschaftlichen Essays, die sich erst mit der Geschichte des Weins, dann mit den handwerklichen Funden befassen, und anschließend in eine nummerierte und knapp beschriebene Sammlung der Ausstellungsstücke übergeht.
Die Texte wenden sich weniger an Leser, die die Vermittlung von Geschichte und Archäologie im Stil populärwissenschaftlicher Dokutainment-Sendungen schätzen, sondern an ein Fachpublikum, das eventuell bereits Grundkenntnisse mitbringt. Infolgedessen fallen die Essays sehr nüchtern aus, liefern vor allem sehr detaillierte Beschreibungen von den Fundorten und Objekten und fassen die aus ihnen resultierenden Erkenntnisse oder im strittigen Fall auch die unterschiedlichen Auslegungen zusammen.
Wer sich darauf einlassen kann, wird sachlich und präzise über die georgischen Kulturen von der Stein- bis zur Bronzezeit informiert (Kura-Araxes, Trialeti und so weiter). Die Texte lesen sich, zugegeben, trocken, sind aber interessant, rücken sie doch ein Land in den Fokus, über das nach Jahrzehnten unter russischer und sowjetischer Herrschaft wenig bekannt ist, obwohl es archäologisch so viele Überraschungen zu bieten hat.
Ein Beispiel ist der Wein. Jede Region, in der ältere Funde entdeckt werden, als bislang bekannt, nimmt sogleich für sich in Anspruch, die Wiege dessen zu sein - bis irgendwo neue Funde sich noch früher datieren lassen. Jedenfalls geht man momentan davon aus, dass man dort die Früchte einer wilden Weinrebe früher als anderenorts zu schätzen lernte, sie verzehrte, trocknete, zum Süßen und der Weinbereitung verwendete, die Rebe sogar zu veredeln begann. Mit Trauben verzierte Krüge und Beerenfunde liefern die Belege.
Nicht minder reizvoll sind die Erkenntnisse, die vor allem aus den Grabbeigaben in den Kurganen (Hügelgräber) gewonnen werden. Die vielen Abbildungen veranschaulichen die unterschiedlichen Keramiken und die sich weiterentwickelnden Schmiedekünste, die nicht bloß besagten Goldschmuck thematisieren, sondern außerdem Waffen, Handwerksgerät, mehr oder minder gut erhaltene Holzkarren (Rad!) und sogar, was besonders selten ist, textile Stoffe der heimischen und einwandernden Stämme/Kulturen.
Diese Schilderungen sind ausgesprochen faszinierend und machen selbstverständlich neugierig auf die Ausstellung. Die Objekte, die man dort sehen kann, sind nicht nur im Ausstellungsteil des Buchs/Katalogs gelistet, sondern teilweise auch innerhalb der Essays. Das macht es etwas schwierig, die nummerierten Objekte nachzuvollziehen, da man viel blättern muss, wenn sich die Abbildung auf einer ganz anderen Seite befindet als die dazugehörige Beschreibung.
Natürlich ist es sinnvoll, die Texte mit den passenden Bildern zu versehen, aber ein Besucher der Ausstellung oder ein Leser, der die Information mit dem Motiv verbinden möchte, hätte die Abbildungen schon gerne in Reihenfolge und zusammengehörend im Katalogteil (wenigstens mit Mini-Bild). Aus Letzterem sticht die goldene Löwenfigur von Tsnori hervor, die in einem Essay berücksichtigt wurde und auf dem Cover abgebildet ist. Abgerundet werden die Texte durch sehr viele ergänzende Fußnoten und vor allem durch die Listen weiterführende Bücher, die eine Fundgrube für Historiker darstellen.
Die zumeist farbigen Bilder haben wenigstens die Größe einer Briefmarke und belegen maximal zwei Seiten. Bei manchen sehr kleinen beziehungsweise fein gearbeiteten Objekten - einige Schmuckstücke (zum Beispiel Kat. 231, eine Goldkette) stehen heutigen Erzeugnissen kaum oder in nichts nach - würde man die Details gern genauer betrachten können, aber die Möglichkeiten in einem Buch haben ihre Grenzen.
Machen die Stichworte Georgien, Archäologie, „Wein und Gold“ neugierig, ist man außerdem gewillt, sich trockenen, aber präzisen und informativen Schilderungen hinzugeben, lässt man sich zudem gern beeindrucken von der Kunst vergangener Kulturen, wird man diesen Band genießen - vorzugsweise mit einem georgischen Wein vom Händler seines Vertrauens, wie der Rezensent. Prost!