Veranstaltungen

Jerzy Kosinski: Der bemalte Vogel (Buch)

Jerzy Kosinski
Der bemalte Vogel
(The Painted Bird, 1965)
Übersetzung: Andreas Decker
Festa, 2024, Hardcover, 350 Seiten, 24,99 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Der Verlag, dessen Werke unter dem Motto „Wenn Lesen zur Mutprobe wird…“ stehen, hat seit mehreren Jahren eine recht erfolgreich laufende Reihe namens „Must Read“ im Angebot. Selbiger Name ist dabei Programm.

Frank Festa, Verlagsinhaber, Herausgeber und oft auch Lektor in Personalunion, präsentiert dort Bücher, die in kein Schema fallen, Titel, die besonders sind, die anders daherkommen, die uns Leserinnen und Leser oftmals aufwühlen und lange beschäftigen.

Vorliegender Roman gehört definitiv in diese Rubrik.

 

Die Handlung ist schnell zusammengefasst:

Der Plot nimmt im Jahr 1939 seinen Anfang. Wir lernen einen namenlosen sechsjährigen jüdischen Jungen kennen, der, während um ihn herum die Welt, wie er sie kannte, in Flammen aufgeht, eigentlich nur versucht zu überleben.

Wir begleiten ihn die nächsten Jahre über bei seiner Flucht durch Osteuropa - besser gesagt, auf seiner Odyssee quer durch einen vom grausamen Krieg und den noch bestialischeren Menschen zerstörten Landstrich. Er erlebt jede Menge Unmenschlichkeit, erduldet Leid und stößt immer wieder auf die Gräuel, wie sie nur der Krieg in Menschen zu wecken weiß. Immer wieder findet er Unterschlupf; nicht aber etwa aus Mitleid nehmen ihn die Menschen auf seinem Weg auf, sondern nur, um ihn auszunutzen, zu versklaven und für sich arbeiten zu lassen.

Im Verlauf dieses Martyriums lernt er, seine Mitmenschen einzuschätzen, sich ihnen zu beugen, nicht an seinem Los zu zerbrechen und, wenn es gut für ihn läuft, sie zu manipulieren.

In und durch all die Gewalt, die ihm begegnet, verliert er seine Gabe zu sprechen, und doch gelingt ihm das, was vielen Leidensgenossinnen und -genossen nicht gelingt: er überlebt.

Auf der Strecke bleiben sein Mitgefühl und seine Menschlichkeit, muss er sich doch, um die Heimsuchungen zu überstehen, seinen Peinigern und ihrem bestialischen Verhalten anpassen.


Vorliegender Roman ist ein Buch, wie es Marcel Reich-Ranicki wohl gut gefallen hätte. Ein Buch, in dem gelitten wird, in dem uns die Wirklichkeit ungeschminkt und drastisch geschildert wird. Ein Buch, das die Bestie Mensch in all ihrer Brutalität, ihrer Bosheit und Mitleidlosigkeit porträtiert, das mich betroffen gemacht hat, mein Mitgefühl mit dem Jungen geweckt und meinen Hass auf seine Peiniger genährt hat.

Es ist ein Roman, der den Rezipienten nicht kalt lässt, nicht unberührt lassen kann. Ein Plot, der das Abgründige, das Bestialische im Menschen zeigt, der uns einen traumatisierten, vereinsamten Jungen präsentiert und dies ohne falsche Hoffnung auf ein wie auch immer geartetes Happy End weckt. Ein Buch wie ein Tsunami.