Nicolas Beaujouan: Geek (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 31. Dezember 2014 11:04
Nicolas Beaujouan
Geek
(Geek-La Revanche, 2013)
Übersetzung aus dem Französischen von Merle Taeger
Titelbild und Illustrationen von Nicolas Beaujouan
Cross Cult, 2014, Paperback, 208 Seiten, 24,80 EUR, ISBN 978-3-86425-443-7 (auch als eBook erhältlich)
Von Christel Scheja
Spätestens seit der Fernsehserie „The Big Bang Theory“ ist der Geek als solcher auch in der Öffentlichkeit anerkannt, prägt versuchsweise sogar Moderichtungen und wird nicht mehr nur als Lachfigur wahrgenommen. Denn anders als der immer noch mit Mitleid betrachtete Nerd ist er offen und kommunikativ, genügt sich nur bis zu einem bestimmten Punkt alleine. Nicolas Beaujouan, selbst Grafiker und Popkultur-Geek, lädt daher in seinem Buch „Geek“ zu einem Streifzug durch die Geschichte dieses Lebensstils ein.
Wer sind die Männer und Frauen, die sich selbst als Geeks bezeichnen, Popkultur in Form von Videospielen, Superhelden-Comics, Science Fiction und Fantasy, aber auch Live-Rollenspiel und Cosplay lieben? Warum unterscheiden sie sich so sehr von der breiten Masse – oder gibt es vielleicht mehr Ähnlichkeiten als man denkt?
Die Geschichte des Geeks und Nerds ist länger als man denkt, denn schon in der Nachkriegszeit gibt es die Jungen und Mädchen, die nicht dazu bereit sind, ab einem bestimmten Alter Comics und phantastische Geschichten beiseite zu legen und sich erwachseneren Themen zu widmen. In Film und Fernsehen sind sie auch präsent, füllen aber meistens die Rolle des bebrillten, entweder völlig dünnen und schwächlichen oder beleibten Klugscheißers aus, der in der Gruppe des Helden mitlaufen und ab und zu aushelfen darf, oder aber sich an den erfolgreichen Sporta-Assen und Frauenhelden rächen will. Das ändert sich, als Geeks anfangen, die Wirtschaft zu erobern und die Technisierung der Gesellschaft durch ihre Entwicklungen revolutionieren. Gerade die Visionäre der IT-Branche sind die Träumer von damals.
Phantastische Stoffe begeistern immer mehr Zuschauer, Mädchen finden auch erstmals einen Tummelplatz für sich, als Mangas endlich auch die Geschichten bieten, die die meisten von ihnen interessieren. Allerdings gibt es nicht allein nur denGeek, sondern viele verschiedene Ausprägungen, angefangen mit den Gamern, die sich nur operativ von der Spielekonsole lösen lassen bis hin zu den aktiven Live-Rollenspielern, die sich nichts Besseres vorstellen können, als in der freien Natur ihre Kräfte miteinander zu messen. Aus der Außenseiter-Kultur ist mittlerweile ein florierender Wirtschaftszweig geworden, von dem viele profitieren möchten.
Mit einem Augenzwinkern und viel Humor, aber auch dem Blick eines Kenners beschäftigt sich Nicolas Beaujouan mit der Geschichte der Geeks, trennt sie aber auch klar von den Nerds, wobei man hier das Gefühl hat, dass er ein wenig auf die etwas menschenscheueren Fans herabblickt, obwohl die Grenzen eigentlich fließend sind. Man merkt aber, dass er sich lange mit der Szene beschäftigt und auch in der Vergangenheit recherchiert hat, obwohl er selbst erst in dem Jahr geboren wurde, in dem „Star Wars: Eine neue Hoffnung“ in die Kinos kam.
Sein Geschichtsabriss geht auf die verschiedenen Strömungen ein, die die Entwicklung der Pop-Kultur begünstigt haben. Dabei hat er allerdings vor allem Frankreich und die USA im Auge, die Entwicklungen in Deutschland eher weniger.
Heute ist die Geek-Szene vielfältiger denn je – das macht er auch in den verschiedenen kleinen Artikeln deutlich, indem er die wichtigsten Typen vorstellt. Zu kurz kommen dabei allerdings die Frauen, die weiblichen Geeks und Nerds werden nur an ein bis zwei Stellen expliziter erwähnt. So bleibt das Buch in einer überwiegend männlichen Perspektive und klammert die Bereiche aus, die eher von den Frauen frequentiert werden, wie die Fan-Fiction und Fan-Art, die hier leider mit keinem Wort erwähnt werden.
Alles in allem bekommt aber gerade jemand, der gerade erst in die Szene hineinwächst oder sie aus Interesse kennenlernen will, einen guten ersten Überblick, der so wertfrei wie möglich auf die einzelnen Spielarten und Typen eingeht und dabei eher ein positives und freundliches Bild zu zeichnen versucht. Wer bereits seit Jahren aktiv ist, wird vermutlich über einige der Äußerungen schmunzeln, oft genug aber auch bestätigend nicken können. Der flotte und unterhaltsame Stil erleichtert das Lesen ungemein und lässt die Seiten nur so dahin fliegen.
Sicherlich ist „Geek“ nicht das ultimative Handbuch zum Thema und deckt auch wieder nur eine Sichtweise auf diese Gruppe der Gesellschaft ab, bietet aber einen guten Einblick in das, was einen Geek oder Nerd ausmacht, ohne dass dabei sonderlich gewertet wird. Vielleicht unterstützt es auch das Verständnis derjenigen, die mit der Begeisterung für Science Fiction, Fantasy und Comics bisher nicht viel anfangen konnten – zu hoffen wäre es jedenfalls.