John Boyne: Haus der Geister (Buch)

John Boyne
Haus der Geister
(The House Is Hounted, 2013)
Aus dem Englischen von Sonja Finck
Piper, 2014, Paperback mit Klappenbroschur, 332 Seiten, 15,99 EUR, ISBN 978-3-492-06004-2 (auch als eBook erhältlich)

Von Gunther Barnewald

London 1867: Die 21jährige Lehrerin Eliza Caine verliert ihren Vater durch eine Erkrankung, und da schon ihre Mutter dereinst im Kindbett starb bei der tödlich verlaufenden Geburt eines weiteren Kindes, steht die junge Frau plötzlich alleine da. Zum Glück entdeckt sie in der Zeitung eine Anzeige, in der eine Kinderfrau im ländlichen Norfolk auf einem Herrensitz gesucht wird, und zwar möglichst schnell.

Da Eliza der Trauer entrinnen möchte und sie die Wohnung alleine nicht bezahlen kann, bewirbt sie sich auf die Anzeige und bekommt sofort, ohne ein Bewerbungsgespräch geführt oder den Hausherren kennengelernt zu haben, die Zusage. So reist sie nach Gaudin Hall, um dort ihre neue Stelle anzutreten, nicht ahnend, auf welche Bedrohung sie sich damit einlässt. Denn schon mehrere Kinderfrauen haben dort ihren Einsatz mit dem Leben bezahlt. Und obwohl die beiden Kinder scheinbar alleine im Herrenhaus leben, gibt es dort eine unheimliche Präsenz, die offensichtlich alles daran setzt, jeden, der sich um die Kinder kümmern möchte, grausam zu töten...

Ähnlich wie Susan Hills wunderbarer Roman „Die Frau in Schwarz“ erwartet den Leser hier eine herrlich gediegene altmodische Gruselgeschichte, ein Gespenster-Roman par excellence. Allerdings ist Boyne seiner Kollegin stilistisch um Längen voraus.

In grandios elegischem Stil erzählt der Autor hier eine trotzdem spannende Horror-Geschichte, in welcher der vorhandene Geist extrem rabiat zur Sache gehen darf, ohne dabei jedoch die beschauliche Atmosphäre des steifen viktorianischen Zeitalters zu beschädigen. Meisterhaft versteht es Boyne, bei seinen Lesern die Daumenschrauben immer mehr anzuziehen. Völlig unwichtig dabei, dass er die ausgetretenen Pfade der Geisterhaus-Geschichte nie wirklich verlässt. Seine stilistische Brillanz und der genial konstruierte Spannungsbogen der Erzählung wiegen die fehlende Innovationsfreude des Autors locker wieder auf.

Wie im Kriminalroman wird das Geheimnis von Gaudin Hall erst nach und nach entblättert. Wer ist der Geist und warum handelt er so? Wer ist die zweite Präsenz, der sich schützend vor die neue Bewohnerin stellt? Und wie kann man die Macht der gespenstischen Furie brechen? Dies alles offenbart der Autor scheibchenweise und gerade immer so viel davon, um den Leser noch ein bisschen mehr an die Erzählung zu fesseln.

Die gute Übersetzung von Sonja Finck (die aber leider den Unterschied zwischen gehängt und gehenkt nicht zu kennen scheint, was sehr bedauerlich ist, verschwindet mit dieser Wissenslücke doch ein pittoreskes altes Wort immer mehr aus der deutschen Sprache) trägt ihren Teil dazu bei, dass sich beim Leser eine wunderbar schauerliche Wohlfühlatmosphäre einstellt.
Gediegenes Gruseln auf hohem stilistischen Niveau, dies bekommt der Leser, wenn er sich auf diese exzellente altmodische Geistergeschichte einlässt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!