Wolverine Origin II (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 04. November 2014 18:12
Kieron Gillen
Wolverine Origin II
(Origin II 1-5, 2014)
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Petz
Titelillustration und Zeichnungen von Adam Kubert, Frank Martin, Rain Beredo
Panini, 2014, Paperback, 132 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-86201-075-2 (auch als Hardcover erhältlich, 25,00 EUR)
Von Irene Salzmann
An Wolverines Vergangenheit, die lange eines der größten Tabus war (wie zum Beispiel auch der Name von Rogue), wurde viel herumgebastelt, verworfen und durch neue Ideen ersetzt. Inzwischen hat man – wer weiß, für wie lange? – festgelegt, dass er unter dem Namen James Howlett in Kanada im 19. Jahrhundert als Sohn einer wohlhabenden Familie geboren wurde.
Nachdem sich seine Mutation offenbart und er wider Willen Personen, die ihm nahestanden, den Tod gebracht hatte, zog er sich in die eisige Öde im Norden seiner Heimat zurück. Dort lebt er, mehr wie ein Tier als wie ein Mensch, unter Wölfen und findet sein Glück darin, Bestandteil des Rudels zu sein. Dem wird durch das Auftauchen eines Bären ein jähes Ende bereitet. Doch ist dieser lediglich ein Vorbote von etwas Schlimmerem: Wolverine wird gefangengenommen und als Jahrmarkt-Attraktion ausgestellt. Da die Einnahmen nicht den Erwartungen entsprechen, wird er schließlich dem mysteriösen Dr. Essex ausgeliefert, der ihn als Mutant erkennt und ihn qualvollen Experimenten unterzieht.
Unerwartet wird er von Clara, die ebenfalls zum Zirkus gehört, gerettet. Doch ihre Liebe erkaltet, weil Wolverine aus Rache ihren Bruder wegen seines Verrats getötet hat. Sie sieht er zwar nicht wieder, doch ihr älterer Bruder soll sein Todfeind werden und ihn Jahrzehnte lang verfolgen: Victor Creed.
Nachdem in „Origin I“ Wolverines Kindheit und Jugend geschildert wurden, widmet sich Kieron Gillen nun dem jungen Mann, der sich selber für eine Bestie hält und sich in die Einsamkeit zurückgezogen hat, weil er glaubt, niemandem mehr schaden zu können, wenn er sich von den Menschen fernhielte. Als sie jedoch in sein Refugium eindringen und in ihre Welt zurückzerren, nimmt das Unheil seinen Lauf – wie nicht anders zu erwarten.
Zunächst wird Wolverine eingesperrt und zur Schau gestellt wie ein Tier. Man quält ihn, doch ist das nichts gegen das, was ihn erwartet, als er in die Gewalt von Dr. Essex (besser bekannt als Mr. Sinister, ein Erzfeind der X-Men) gerät, der damals schon mit Menschen und Mutanten experimentierte und unter anderem die Schurkenbande Marauders erschuf (die beziehungsweise deren Klone immer wieder in den „X“-Serien Mutanten ermordeten). Man darf spekulieren, dass die Tests, die Dr. Essex hier an Wolverine durchführt, die Grundlagen für seine späteren Forschungen liefern.
Im Kontrast dazu stehen die Bemühungen von Clara, Wolverine dazu zu bewegen, mit ihr zu sprechen und sich dazu zu bekennen, dass er ein Mensch ist und nicht das Tier, das er vorgibt/glaubt zu sein und das andere in ihm sehen wollen. Schließlich lässt er sich auf sie ein, doch dieses kurze Glück zerbricht genauso wie jedes andere zuvor – diesmal nicht durch einen tragischen Unfall, sondern aufgrund von Rachegelüsten. Das wiederum legt den Grundstein für die Feindschaft zwischen ihm und Sabretooth/Victor Creed, die schon lange Rätsel aufgab.
Letztendlich schließt sich der Kreis, aus dem Wolverine (noch) nicht ausbrechen kann. Er kann kein Glück festhalten, der Tod folgt ihm, und so zweifelt er an seiner Menschlichkeit und droht, darüber zu zerbrechen. Wie er mit der neuen Erfahrung umgeht, nun, das wird wohl in absehbarer Zeit eine weitere „Origin“-Reihe enthüllen müssen, die die Lücken zwischen den bekannten Schlüsselszenen füllen werden.
Adam Kuberts Zeichnungen sind drastisch, kantig, realistisch und in düsteren Farben gehalten. Sie kommen mit wenigen Worten aus und zeigen Wolverines Verzweiflung und wie er sich immer wieder selbst die Schuld an Tragödien gibt, die ihm aufgezwungen wurden. Und sein Leiden wird noch lange kein Ende haben.
Die „Origin“-Serien hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits geben sie erste Antworten auf Fragen, die viele Leser bewegen, andererseits berauben sie Wolverine des Geheimnisvollen, das seinen Charakter lange Jahre ausmachte. Hinzu kommt, dass man sich nicht sicher sein kann, dass diese Version Bestand haben wird.