Stan Lee: So zeichnet man Comics (Buch)

Stan Lee, David Campiti, John Buscema
Stan Lee: So zeichnet man Comics
Übersetzung: Jan Dinter
Panini, 2014, Paperback mit Klappenbroschur, 224 Seiten, 24,99 EUR, ISBN 978-3-95798-055-7

Von Frank Drehmel

Einem Comic-Fan etwas über Stan Lee zu erzählen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Stan Lee ist der große alte Mann und das Gesicht des US-amerikanischen Comics, entstammen doch ikonische Helden wie Spider-Man, The incredible Hulk, Fantastic Four, X-Men und viele andere mehr seiner Gedankenwelt und hat er doch in zahlreichen Marvel-Kino-Filmen seinen kleinen Auftritt.

Dieser Grandseigneur des US-amerikanischen Superhelden-Mainstreams verfasste in den späten Siebzigern des letzten Jahrhunderts zusammen mit John Buscema ein damals vielbeachtetes Kompendium mit dem bezeichnenden Namen „How to Draw Comics the Marvel Way”, in dem er einer damals noch internetlosen Fan-Szene Einblicke in die Welt der Comic-Schaffenden eröffnete und die Produktionsschritte erläuterte, die nötig gewesen sind, bis der Leser für 50 Cent Spaß in den Händen halten konnte.

Seitdem ist viel Tinte unzählige Zeichenfedern heruntergeflossen und in über 30 Jahren haben sich nicht nur die Produktionstechniken und -möglichkeiten fundamental geändert, auch die Erwartungen der Rezipienten, das gesellschaftliche Umfeld, die Sehgewohnheiten und Botschaften haben einen tiefgreifenden Wandel durchgemacht, so dass das, was anno dazumal noch für Aufsehen sorgte, heute nicht mehr „State of the Art“ ist. Dessen eingedenk und sicherlich auch wegen pekuniärer Aspekte hat man sich entschlossen, den Klassiker etwas aufzuhübschen und diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen – ob Stan Lee tatsächlich mehr als nur seinen Namen beigesteuert hat, vermag ich nicht zu beurteilen.

In 14 Kapiteln nehmen uns Autor und eine Vielzahl von Zeichnern gleichsam an die Hand, um uns durch das Wunderland der sequentiellen Kunst zu führen, natürlich entlang des Marvel-Highways. Wir erfahren, welches Handwerkzeug wir je nach Anspruch bereitlegen sollten – angefangen bei einem Radiergummi nach unserem Gusto bis hin zu Grafiktabletts – und lernen, dass ohne Scanner und Internet gar nichts geht. Wir werden in die Formenlehre eingeführt, dürfen unterschiedliche Perspektiven betrachten, werden auf physiognomische Details hingewiesen, die Mann und Frau unterscheiden, lernen Layout und Hintergründe wertzuschätzen, genauso wie die Arbeit der Letterer und Tuscher. Die Geheimnisse hinter Lesefluss und visueller Dramaturgie werden enthüllt und zu guter Letzt soll ein umfangreiches Literatur- und Bezugsquellenverzeichnis das Bedürfnis nach mehr Information stillen.

Obgleich der Titel große Erleuchtung verheißt, wird schon nach wenigen Kapiteln klar, dass die Autoren auch nur mit Wasser kochen und die Räder, die sie drehen, eher in Überraschungseiern Platz finden, denn eines lehrt dieses Kompendium ganz sicher nicht: wie man Comics zeichnet und – vor allem – wie man gute Comics beziehungsweise Geschichten zeichnet und schreibt (wobei der Fairness halber ergänzt sei, dass das Schreiben gar nicht erst auf der Agenda steht).

Der Überblick, den Lee und Co. geben, ist ein Blick in die Breite und nicht in die Tiefe. Zwar werden die maßgeblichen Schritte einer Comic-Produktion beleuchtet, aber mehr als nur die Oberfläche wird nicht angekratzt. Insbesondere fehlt es an echten Übungen und Anleitungen, Techniken werden höchstens erwähnt und mit zu wenigen, oft vollkommen nichtssagenden Beispielen illustriert. Obwohl das Format dieses Softcover-Bandes vergleichsweise großzügig bemessen ist und für deutlich mehr gewichtigen – auch illustrativen – Inhalt Raum böte, sorgt ein – freundlich ausgedrückt – großzügiges Layout dafür, dass auf einigen Seiten eine störende Leere das herausragende Merkmal ist.

Die erläuternden Texte selbst sind zwar gefällig, launig und kumpelhaft verfasst, warten mit einigen Anekdoten auf, jedoch fehlt es ihnen nach meinem Dafürhalten an „akademischer“ Professionalität. Angesichts der Zielgruppe und der mutmaßlichen Intention des Buches ist dies jedoch zu verschmerzen. Daher ist dieses Kompendium trotz aller Unzulänglichkeiten im Detail dennoch recht unterhaltsam und bietet an der einen oder anderen Stelle zumindest Ansatzpunkte, von denen aus man sich mit Hilfe anderer Quellen weiter hangeln kann.

Fazit: Ein voraussetzungsloser Ausflug in die Welt der Comics, der zwar zufriedenstellend unterhaltsam geschrieben ist, der sich aber auf grund seiner Einfachheit nur an Genre-Neulinge richtet. Bedauerlich, dass Panini stattdessen nicht Wizards substanziellere „How to draw ...“-Reihe fortgesetzt hat.