Matthias Falke: Buch aus Stein (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 30. Oktober 2014 09:00
Matthias Falke
Buch aus Stein
Titelbild von Timo Kümmel
Amrun, 2014, Paperback, 296 Seiten, 13,90 EUR, ISBN 978-3-944729-51-0 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Kollektionen verkaufen sich nicht. So zumindest die landläufige Meinung quer durch alle Redaktionsstuben. Wenn nun ein – noch – relativ unbekannter Autor, den außer einer geringen Anzahl von Fans kaum ein Leser kennt, mit einem entsprechenden Vorschlag kommt, dann kann er froh sein, wenn man ihm den Weg zur Tür noch höflich weist.
Anders der in den letzten Monaten recht umtriebige Amrun Verlag, der Matthias Falke – und damit sind wir bei unserem talentierten Autor – die Möglichkeit eröffnete, seinen Plan von einer Sammlung seiner Novellen und längeren Erzählungen in die Realität umzusetzen.
Matthias Falke ist dem interessierten SF-Fan bereits aus seiner bei Begedia erscheinenden „Enthymesis“-Saga, dem Roman „Bran“ (Atlantis) sowie durch seine Mitarbeit bei der im Wurdack-Verlag verlegten „D9E“-Reihe ein Begriff. In allen Fällen hat er bewiesen, dass er mit leisen Tönen, stilistisch ansprechend und inhaltlich packend zu unterhalten weiß.
Vorliegend erwarten sechs längere Geschichten den Leser. Erzählungen, die abwechslungsreich und überraschend, ergreifend und faszinierend zu unterhalten wissen.
Sechs Novellen hat Falke ausgesucht, keine davon steht in Zusammenhang mit einem seiner bisherigen Werke. Auffallend die Tatsache, dass der Autor das Medium Sprache sehr bewusst und pointiert einsetzt.
Bereits zum Auftakt, als eine griechische Göttin unsere moderne Welt besucht, lässt er seinen etwas weltfremden, vergeistigten Dozenten und Gastgeber der Göttin in einer recht hochtrabenden, mit Fremdwörtern gespickten Sprache die Segnungen der modernen Kultur nahe bringen. Unwillkürlich wird man an die langweiligen, langatmigen und einschläfernden Vorlesungen der abgehobenen Professoren an der Uni erinnert, denen Falke pointiert und mit feinem Gespür für Details hier ein Denkmal setzt.
Weiter geht es dann mit etwas, das man entfernt als Military SF bezeichnen könnte – allerdings, wie bei Falke üblich, eben doch ganz anders, als das Gewohnte. Der Autor nimmt als Blaupause seines Plots den Kampf um Troja, und beleuchtet aus der Sicht des siegreichen Anführers der Angreifer die Mechanismen des Krieges in all seiner schrecklichen Unaufhaltsamkeit. Gerade weil wir aus dem Homer’schen Epos den Ablauf, die Opfer und das Resultat des Krieges kennen, bietet dies nur den Rahmen, in dem uns Falke von dem innerlich zerrissenen Befehlshaber und seiner Kriegsbeute berichtet.
Der dritte Beitrag stellt uns einen Steppenbewohner einer archaischen Kultur vor, der uns sein Testament hinterlässt. Nicht nur sein Lebensbericht fasziniert, auch die Intelligenz und der Wissensdurst, mit dem er sich auf die Suche nach Erkenntnissen begibt, rühren uns an.
Es folgt ein Beitrag, der uns auf eine einsame Forschungsstation entführt. Aus den tiefsten Tiefen des Meeres rund um das Atoll hat man ein Wesen geholt, das gestaltwandlerische Fähigkeiten offenbart. Die Forschung an dem Wesen aber erweist sich als schwieriger als gedacht.
Past-Doomsday-Romane sind gerade en vogue. Auch Matthias Falke hat sich des Themas angenommen – allerdings, wie so oft, auf eine etwas andere Art und Weise. Eines Nachts sterben die Menschen; nur diejenigen, die gerade dabei sind eines natürlichen Todes zu sterben, wachen am nächsten Morgen wieder auf – und stoßen auf eine menschenleere Welt. Unser Ich-Erzähler nutzt die Chance zunächst dazu, einmal all das zu machen, was er sich schon immer gewünscht hat. Er hört lautstark und ausufernd seine klassischen Symphonien, räubert die Bibliothek aus, labt sich an Delikatessen und ermordet einen Mit-Überlebenden. Als er auf eine Schicksalsgenossin trifft, machen sie sich auf die Odyssee gen Süden – eine Reise durch ein menschenleeres Land, eine Reise, die zeigt, dass die Erde die Menschen nicht braucht und alle Erkenntnis vergänglich ist.
Den Abschluss bildet dann eine Geschichte über eine sensationelle Entdeckung. Eine archäologische Expedition findet in einem abgelegenen Kloster eine dort seit Äonen verborgenen steinerne Bibliothek – eine Bibliothek, die weit mehr schützt als nur das in den Stehlen eingemeißelte Wissen.
Allen Beiträgen ist gemeinsam, dass Falke gar ungewöhnliche Wege beschreitet. Nicht nur inhaltlich, auch sprachlich bemüht sich der Autor erfolgreich, sich von dem sonst Gewohnten abzuheben. Statt auf vordergründige Effekte, auf knallharte Action, setzt Falke auf Ideen, Atmosphäre und Figuren, die messerscharf beleuchtet werden und die uns etwas zu sagen haben. Das mag nicht unbedingt den breiten Massengeschmack treffen, doch zeigen die im Buch enthaltenen Geschichten, dass hier ein Erzähler seine Stimme erhebt, der etwas zu sagen hat.