Michael Schmidt: Teutonic Horror (Buch)

Michael Schmidt
Teutonic Horror
Titelillustration von Lothar Bauer
2014, Paperback, 196 Seiten, 9,90 EUR, ISBN 978-1-4839-8095-9 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Michael Schmidt dem Freund des gepflegten Horrors vorzustellen, das hieße wahrlich Eulen nach Athen tragen. Seit Jahren ist er in der Szene aktiv, veröffentlicht unter anderem in der p.machinery Bücher des phantastischen Genres und ist gerade dem Fan der Horror-Kurzgeschichte durch seine „Zwielicht“-Anthologien ein Begriff.

Dass er – und das durchaus ansprechend –, selbst (bildlich gesprochen) zur Feder greift konnte der interessierte Leser bereits in seinen beiden Bänden „Silbermond – eine Horror-Rock Oper“ sowie „Eddies Söhne – eine Silbermond Geschichte“ nachlesen.

Dass er sich auch abseits der deprimierenden Stadt Silbermond auskennt, beweist er im vorliegenden Band, in dem er 15 unheimliche Geschichten zusammengefasst hat. Zwei Erstveröffentlichungen sowie Beiträge, die zwischen 2005 und 2013 in unterschiedlichen, längst vergriffenen Anthologien publiziert wurden, erwarten den Rezipienten.

Es geht dabei zum Beispiel um einen Lokführer, der innerlich zutiefst verletzt mit seinem Schlachtermesser nicht nur Rache an der Frau nimmt, die ihn verlassen hat, sondern dem Feuer in der Lok auch noch weit mehr Menschen opfert; ein Dealer wird mittels Voodoo von seinen Lieferanten umgebracht; in einer Kaschemme in Tangar sitzt ein zwielichtiger Mann fürs Grobe in einer Zeitschleife gefangen; ein Investment-Guru verliert während der Dot-Com-Blase sein Vermögen und begegnet in einer Phantasiewelt seiner übermächtigen, riesigen Ex; Nazis beschwören die Toten, sodass es zu Armageddon auf einen Kampf der Braunen gegen die Zombies herausläuft; gleich zweimal begegnen uns Werwölfe, die versuchen, die Bestie in ihnen mittels dem zarten Pflänzchen der Liebe zu bändigen; ein Wanderer in Koblenz findet sich in R’lyeh wieder; in der Vorweihnachtszeit greifen die 7 Todsünden in einem kleinen Ort an der Lahn um sich; eine britische Band will auf der Reeperbahn ihren großen Durchbruch erleben; eine Sirene versucht einen Vampir in ihren Bann zu ziehen und das Dunkle sucht sich einen Vertreter, der die Menschen auf seine Ankunft vorbereitet – zwei Brüder stehen zur Auswahl, nur einer wird überleben…

Am Tiefsten beeindruckt aber hat mich der zweite Beitrag. In „Remanenz“ lässt Schmidt nicht nur die Schrecken des Ersten Weltkriegs auferstehen, er spielt mit der Frage „was wäre wenn“ auf ganz eigene, überraschende Art und Weise. Zunächst nimmt uns sein Erzähler, der von den Schrecken der Front innerlich gezeichnet ist, für sich ein. Zusammen mit diesem reisen wir durch die Zeit, verhindern mittels einer Kugel in den Kopf die Machtergreifung Hitlers und Stalins, Lenin ja das Attentat, das zum Ersten Weltkrieg geführt hat. Doch wird die Welt dadurch wirklich eine Bessere?

Das sind schockierende, nachdenkliche, intelligente und bedrückende Geschichten abseits des weichgespülten Mainstreams, jede auf ihre Art anders und ungewöhnlich angelegt, so dass man hier immer wieder von Neuem überrascht wird. Handwerklich solide, inhaltlich innovativ und doch immer im Hier und Jetzt verankert beweist dieser Band, dass der moderne Horror in Deutschland seinen Platz hat.