Leon Reiter: Jetzt (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 15. August 2014 08:34
Leon Reiter
Jetzt
Piper, 2014, Paperback, 366 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-492-26998-8 (auch als eBook erhältlich)
Von Gunther Barnewald
Das vorliegende Buch ist der Debüt-Roman eines deutschen Autors und, bis auf das arg enttäuschende Ende, gut gelungen.
Geradlinig erzählt Reiter von einem aus den Fugen geratenen Zeitexperiment. Der indischstämmige Professor Sivamani forscht in Spanien an einer Methode, per Laserstrahl in andere Zeiten vorzudringen und diese abtasten und somit erforschen zu können. Durch eine hochenergetische Reflektion in einer dieser fremden Zeiten, wird jedoch das Zeitgefüge verletzt, und es entstehen viele Blasen, welche in verschiedene Zeitabschnitte rund um die Welt führen. Diese Zeittaschen vermehren sich und drohen das Raum-Zeit-Kontinuum vollständig zu zerstören.
Während die Wissenschaftler mit Hilfe des Militärs die betroffenen Zonen evakuieren, lässt der Professor ein kleines Team von vier Leuten zusammenstellen, welche die Blasen erkunden sollen. Das Ziel: eine Blase zu finden, die in der Vergangenheit liegt, so dass man dorthin zurückreisen kann, um das Experiment zu stoppen, bevor es die Zeitrisse verursacht.
Dazu werden vier Spezialisten hinzugezogen: Die französische Soziologin Veronique Saccard, Ferdinand Grewe aus Berlin, Spezialist für Kartografie und Erdvermessung, die italienische Historikerin Stefania Ambrosini und der Engländer Lyle Usher, der für den Schutz der drei verantwortlich ist, eine Art Soldat und Personenschützer. Da man vorsichtig vorgehen will, wird erst einmal nur dieses kleine Team losgeschickt, und man vermeidet es auch, ihnen allzu viele technische Geräte mitzugeben, damit diese nicht in der Vergangenheit verlorengehen und dort den historischen Ablauf stören könnten.
Die vier dringen nun vorsichtig in die „Pockets“ genannten Zeitblasen ein, um diese zu erkunden. Hinderlich ist dabei, dass der Punkt, an dem man die „Pocket“ wieder verlassen kann, oft bis zu einige Kilometer vom Einstiegspunkt entfernt sein kann. Dies erweist sich bald als großes Hindernis, denn im Gebirge, bei Klippen, auf dem Meer oder an anderen Orten kann das Erreichen dieser Stelle oft große Schwierigkeiten bereiten. Auch haben die Reisenden manchmal Atemprobleme oder treffen auf widrige Temperaturen. Ganz zu schweigen von Gefahren, die von Menschen und Raubtieren ausgehen, oder gar vor zukünftigen oder vergangenen Krankheiten. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis die vier in eine tödliche Falle stolpern...
Das Buch ist geradlinig und spannend erzählt, der Autor verplempert nicht viel Zeit bis zum Einstieg in die Erforschung der „Pockets“, nimmt sich aber wohltuenderweise so viel Zeit, seine Protagonisten kurz einzeln vorzustellen, so dass der Leser Identifikationsfiguren erhält. Erfreulich ist auch, dass die vier Reisenden nicht die üblichen Dumpfbacken sind, die noch nie vom Thema der Zeitreise gehört haben (ein sehr häufiger Fehler in Geschichten zu diesem Thema). So pfeift Grewe sich H. G. Wells’ Klassiker rein, um sich vorzubereiten, außerdem diskutieren alle über bekannte Filme zu diesem Thema.
Die Erforschung der „Pockets“ gestaltet sich zunehmend spannend, auch wenn der Autor hier das ein oder andere Klischee bemüht (manchmal ist es dann leider doch wieder der übliche „Jurassic Quark“).
Insgesamt schafft es Reiter, die Spannung auf über 300 Seiten kontinuierlich aufzubauen, den Leser zu fesseln und packend und vor allem mit einem interessanten Thema zu unterhalten. Leider fällt das Ende arg ab, die Geschichte verpufft wie ein lauer Furz, was umso bedauerlicher ist, denn die hier erzählte Handlung wimmelt von guten Ideen und die vom Autor kreierte Atmosphäre kann sich wahrlich lesen lassen.
Schlussendlich also ein durchaus beachtliches Debüt, eine gute und größtenteils spannende Zeitreise-Geschichte und auch endlich mal wieder ein SF-Roman (auch wenn irritierenderweise auf dem toll gestalteten Cover nur die Bezeichnung Thriller steht), der schnörkellos und gut erzählt ist. Wenn der Autor es dann noch bei seinem nächsten Werk schafft, allzu arge Klischees zu vermeiden und keine Antiklimax ans Ende der Erzählung zu setzen, dann darf man sich sicherlich in der Zukunft auch mal auf ein überragendes Werk aus der Feder von Leon Reiter zu freuen.