Luis und Romulo Royo: Zeit des Bösen: 110 Katanas (Buch)

Luis und Romulo Royo
Zeit des Bösen: 110 Katanas
Übersetzung von Elisabeth Schmalen
Cross Cult, 2014, Hardcover, 128 Seiten, 35,00 EUR, ISBN 978-3-86425-405-2

Von Christel Scheja

Vater und Sohn Royo betreuen seit einigen Jahren ein gemeinsames Projekt, in das sie ihr Herzblut und all ihre Phantasie stecken. „Zeit des Bösen“ entführt in eine postapokalyptische Welt, in der die Mythen und Götter der Menschheit lebendig geworden sind und das Schicksal vor allem in der Hand schöner, geheimnisvoller Frauen liegt.

Im ersten Band kam die Japanerin Soum nach New York, einer der Megacitys der Erde, die nun nach den vielen Katastrophen nur noch ein Labyrinth aus Schmutz und Ruinen ist, in dem viele Gefahren lauern. Die junge Frau ist Angehörige eines Mondordens, die nach dem Rechten sehen und Schlupfwinkel der Feinde ihrer Organisation finden will. Bei ihren Recherchen lernt sie auch schon bald eine geheimnisvolle weißhaarige Frau kennen, die sich Luz nennt, keine besondere Erinnerung an ihre Vergangenheit hat, aber immer wieder seltsame Zeichen an die Wände malt. Da sie verfolgt wird, schreitet Soum ein und besiegelte damit ihr Schicksal. Davor gelingt ihr es aber noch, Luz davon zu überzeugen, nach Tokio zu gehen. Denn die Weißhaarige trägt Potential in sich, könnte der entscheidende Faktor im Kampf zwischen Sonne und Mond sein, der schon seit einer Weile auf der Erde tobt.

Luz folgt dem Rat und tritt schon bald den „110 Katanas“ gegenüber, Frauen, die sich wie Soum dem Mond verschrieben haben und zu lebenden Waffen geworden sind. Mit Hilfe einer geheimnisvollen alten Frau, die ebenfalls dem Orden anzugehören scheint, öffnet sich die Kriegerin aber auch ihrer eigenen Spiritualität und beginnt ihre Wurzeln zu entdecken – etwas, das umso wichtiger wird, als sie feststellen muss, dass sie immer noch verfolgt wird. Erschwert wird das ganze durch die Anwesenheit eines jungen Mannes, dem sie einerseits nicht wirklich trauen kann, der andererseits aber auch ihr Herz berührt und für sie wichtiges Wissen hütet...

Nach „Apokalypse“ ist auch der zweite Band von „Zeit des Bösen“ eine düstere und melancholische Mär, in der Mythen und Märchen mit einer dystopischen Umwelt verschmelzen. Auch in „110 Katanas“ ragen aus den eher diffusen und grauen Hintergründen vor allem die leicht bekleideten jungen Frauen hervor, gelegentlich begleitet von ebenso gut gebauten Männern und gelegentlichen Monstern, so dass man den Eindruck nicht los wird, eine gängige Pin-up-Show zu genießen.

Aber wie im ersten Band steckt hinter allem eine szenische Erzählung, die nach und nach den Kontext und den Hintergrund enthüllt und gleichzeitig offene Fragen aus dem ersten Teil aufgreift. Diesmal steht Luz im Mittelpunkt des Geschehens. Ihre Reise nach Japan ist auch spiritueller Natur, muss sie sich doch auch den Schatten und den Geistern ihrer eigenen Vergangenheit stellen, deren Nebel sich nun immer mehr lichten und die Wahrheit über sie und ihre Verfolger enthüllen.

Mehr denn je geht es um den Widerstreit zwischen Ying und Yang, Sonne und Mond, dem Männlichen und dem Weiblichen mit all den Kräften, die dabei zusammenhängen, und die Wurzeln des Konfliktes reichen bis zu den Anfängen menschlicher Zivilisation.

Um den Band wirklich in seiner Gänze genießen zu können, sollte man selbst Einiges an Wissen mitbringen, denn die Royos erklären nicht, sie überlassen es den Betrachtern selbst, Bilder und Texte zu lesen und zu deuten. Wer dazu nicht bereit ist, kann wenigstens die wie immer überragenden Zeichnungen der Künstler genießen, die ihre schönen Damen gekonnt in Szene zu setzen wissen und dabei sehr ästhetische Bilder schaffen, die die jungen Frauen zwar erotisch darstellen aber dabei immer geschmackvoll bleiben.

Letztendlich ist es aber das Artwork, das der Geschichte die Atmosphäre und Faszination gibt, weniger der erzählerische Inhalt. Wenn man sich darauf einlassen kann, dürfte es auch diesmal leicht sein, sich in diese Welt fallen zu lassen.

„Zeit des Bösen: 110 Katanas“ ist daher wie sein Vorgänger vor allem für die Leser und Betrachter interessant, die geheimnisvoll inszenierte Gothic-Märchen lieben und vor allem die Atmosphäre schätzen und weniger den Inhalt. Zudem werden wie immer hochwertige, geschmackvoll erotische Zeichnungen geboten, wie man sie von den Royos kennt, so dass man auch als reiner Fan der Bilder der Künstler nicht enttäuscht werden wird.