Marzi, Christoph: Heaven – Stadt der Feen (Buch)
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- Veröffentlicht: Freitag, 17. Juli 2009 01:00
Marzi, Christoph: Heaven – Stadt der Feen (Buch)', 'Christoph Marzi
Heaven – Stadt der Feen
Titelillustration von Frauke Schneider
Arena , 2009, Hardcover, 358 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3- 401-06382-9
Von Carsten Kuhr
London, England. Die Stadt, an deren Nachthimmel ein Stück des Sternenfirmaments fehlt. Seitdem ein Komet, den kein Observatorium vorhergesagt hat, auf die Stadt an der Themse niederging, vermisst die britische Metropole Nacht für Nacht einen Teil ihres Sternenkleides. Niemand weiß, was damals passiert ist, keiner ahnt, warum vor einigen Jahren über Kensington ein Teil des Sternenzeltes plötzlich wieder erschien.
In dieser Welt begegnen wir zwei Jugendlichen. David ist von zu Hause ausgerissen. Seine Mutter ist in ihren Phobien gefangen, der Vater sucht, die Realität zu vergessen. In einer alten, von der Besitzerin liebevoll betreuten Buchhandlung hat er ein neues, ein eigenes Leben begonnen. Nacht für Nacht aber zieht es ihn auf die Dächer der Stadt. Hier, weit über den hektischen Strömen der Menschen auf den Straßen findet, er Ruhe und Freiheit – und hier trifft er eines Nachts auf eine junge Frau.
Heaven, wie sie selbst sich nennt, wurde, als sie mit einem Fernrohr den Nachthimmel untersuchte, überfallen.
Seit Jahrzehnten hinterlässt ein Serienkiller seine blutige Spur in London. Männer, Frauen, jung oder alt, reich oder arm trifft es im Abstand von 3 bis 5 Jahren. Mit chirurgischer Präzision wird ihr Brustkorb geöffnet, und das noch schlagende Herz dem Körper entnommen. Und diese Nacht ist es wieder soweit. Geleitet von einem wiederbelebten Toten sucht und findet der Bodysnatcher ein neues Opfer. Das Messer öffnet Heavens Torso mühelos, das Herz wird entnommen, doch dann passiert Unerhörtes. Statt, wie gemeinhin üblich, tot zu Boden zu sinken, läuft die Frau ohne Herz einfach über die Dächer davon. In David findet sie Hilfe auf der Suche nach dem Geheimnis, das sie, ihre Familie und ihr Herz umgibt.
Verfolgt vom Bodynatcher machen sich unsere beiden Aussteiger daran, das Geheimnis des verlorenen Himmels und des fehlenden Herzens zu lösen …
Seitdem Christoph Marzi mit seiner »Lycidas«-Trilogie bei Heyne debütierte, der er im Arena Verlag die »Malfuria«-Trilogie folgen ließ, steht sein Name für gehobene Fantasy der etwas anderen, tiefschürfenderen Art.
So ist die Verlagswerbung, dass vorliegender Einzelroman »Urban Fantasy vom Feinsten« für den Leser bereithält zwar zutreffend, führt aber ein wenig auf die falsche Fährte. Vampire, Werwesen und Götter sucht man in der phantasievollen Handlung vergebens. Und das ist auch gut so. Keine schmachtenden Vampirbräute, keine Rudelmentalität stören die feinsinnige Geschichte eines großen Geheimnisses.
Mit viel Gespür für Details und Feinheiten zeichnet der Autor stilistisch ansprechend seine beiden Protagonisten. Das sind beileibe keine Überwesen, das sind junge Menschen, denen das Schicksal gar übel mitgespielt hat. Sie haben Fehler gemacht, sind verunsichert. Nicht nur über ihren Platz in der Welt, sondern auch, wie sie sich angesichts der drohenden Gefahren verhalten sollen. Zögerlich fassen sie Zutrauen zueinander und machen sich, immer gejagt von ihrem Verfolger; daran, das große Geheimnis zu lüften.
Dass hier mehr, viel mehr zum Vorschein kommt, als ursprünglich vermutet ist klar. Dass diese Erkenntnisse sie schocken und lähmen ist nachvollziehbar. Dennoch nehmen sie ihre Prüfung an, stürmen, auch weil ihnen keine andere Wahl bleibt; voran, um das zu retten, was ihnen am Herzen liegt. Insoweit ist der Roman ein flammendes Fanal für Freundschaft, für Aufopferung und Verlässlichkeit.
Scheinbar mühelos nimmt uns Marzi mit seinen Figuren gefangen, überrascht immer wieder mit skurrilen Wesen und unerwarteten Offenbarungen.
Es passiert viel im Buch, es gibt spannende Verfolgungsjagden, auch über die Dächer der Metropole, packende Kämpfe und gruselige Begegnungen. Doch wichtiger noch ist dem Autor immer die glaubwürdige Zeichnung seiner Personen, deren Verhalten nachvollziehbar bleibt, die Sympathiepunkte ernten und in denen sich die jugendlichen Leser sehr gut wiederfinden können.
Action, Spannung, Grusel -alles aber mit Niveau und hintergründiger Aussage, so macht die phantastische Jugendliteratur Spaß.