Michael Schmidt (Hrsg.): Zwielicht 4 (Buch)

Michael Schmidt (Hrsg.)
Zwielicht 4
Titelillustration von Björn Ian Craig
Saphir im Stahl, 2014, Taschenbuch, 343 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-943948-24-0 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Ich liebe Anthologien. Ich weiß, dass ich damit relativ allein auf weiter Flur stehe, von wegen Geld verbrennen, wie sich die Verleger all überall zuraunen, wenn von Kurzgeschichten-Sammlungen die Rede ist, aber ich lasse mich nur zu gerne auf das vielfältige Spiel der kurzen, pointierten Beiträge ein. Während sich die großen Verlage schon seit Jahren von Anthologien verabschiedet haben – lediglich dtv bildet hier eine rühmliche Ausnahme – sind die ambitionierten Kleinverlage in die Bresche gesprungen. Insbesondere im Bereich der unheimlichen Literatur bieten sie den Lesern immer wieder abwechslungsreiche Kost.

Ähnlich wie den Anthologien geht es den Magazinen. Periodika, die Geschichten mit Artikeln verbinden, die sich intensiv mit dem Autor und seinem Werk auseinandersetzen, sind ebenfalls nicht en vogue. Wenn dann ein engagierter Herausgeber versucht, Beides miteinander zu verbinden, dann scheint das Projekt von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Doch Michael Schmidt hat, nachdem Eloy Edictions, in dem die ersten beiden Ausgaben von „Zwielicht“ erschienen, seine Pforten geschlossen hat, weiter nach einer Publikationsmöglichkeit gesucht und diese in Erik Schreibers Verlag Saphir im Stahl gefunden. Letztes Jahr sah dort die dritte Ausgabe des Horror-Magazins, das sich neben der Herausgabe von interessanten, handwerklich soliden Kurzgeschichten deutschsprachiger Autoren auch der sekundärwissenschaftlichen Aufarbeitung widmet, das Licht. Daneben erscheinen im Eigenverlag mit Hilfe von Amazon unter dem Signet „Zwielicht Classic“ Anthologien mit herausragenden Kurzgeschichten der letzten Jahre.

Nun also liegt sie vor mir, die vierte Ausgabe des Magazins, das zukünftig einmal jährlich erscheinen soll. Und gut ist es geworden. Mit großem Sachverstand hat der Herausgeber nicht weniger als 14 kurze Geschichten gesucht und gefunden, die dem Leser die große Bandbreite der pPhantastischen Literatur offerieren.

Es geht um Mörder und Verstorbene, Ghule und Gespenster, um Friedhöfe, Spielhallen und Verbrecher – und es geht immer wieder darum, den Leser zu verblüffen. Die abrupte, nicht vorhersehbare Wendung, der Aha-Effekt, der eine gute Kurzgeschichte auszeichne, wird in geradezu vorbildlicher Weise genutzt, den Leser zu überraschen.

Sei es, dass ein Arztbesuch dazu führt, die Krankheit zunächst zu verdeutlichen, bevor der Patient zum Halbgott in Weiß vorgelassen wird, oder, dass das Stechen eines Tattoos deutlich schmerzhafter und tiefer vorangeht, immer wieder haben mich die Geschichten in ihren Bann gezogen. Da werden Sex-Hotlines missbraucht um dem grünen Daumen der Frauen auf die Spur zu kommen, oder versucht, auch körperliche Beziehungen zu einem kürzliche Verstorbenen aufrechtzuhalten. Es geht um Rache und Gerechtigkeit aus dem Grab heraus und ein ums andere Mal war ich überrascht ob der bizarren, makaberen und verblüffenden Einfälle der Autoren.

Die fundierten und gleichzeitig unterhaltsamen Artikel beschäftigen sich mit Algernon Blackwood, Howard P. Lovecraft und dem Magazin „Weird Tales“, Theodor Storm, dem Vincent Preis sowie einer ausführlichen Vorstellung der für den Vincent Preis nominierten Romane.

Das Gesamtpaket bietet dem Leser jede Menge interessanter Stunden der Lektüre, viele Überraschungen und Einblicke, so dass man dem Projekt, Herausgeber und Verleger nur fest die Daumen drücken kann bis zur nächsten Ausgabe.