Karl Edward Wagner: Der Blutstein – Kane 1 (Buch)

Karl Edward Wagner
Der Blutstein
Kane 1
(Bloodstone)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Martin Baresch
Titelillustration von Tom Edwards
Goldkonda, 2014, Paperback mit Klappenbroschur, 298 Seiten, 13,90 EUR, ISBN 978-3-942396-91-2 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Gut 30 Jahre ist es her, als ich als Heranwachsender erstmals die Bekanntschaft unsterblicher Recken, wilder Kämpfer und stolzer Helden machte. Ich erinnere mich noch gut an meine erste Begegnung mit Conan, dem unbezwingbaren Cimmerier, lange bevor Arnie die Rolle dann auf der Leinwand spielte. Oder die unsterblichen Helden Michael Moorcocks, allen voran Elric von Melniboné, der mit seinem verfluchten Schwert Gegner wie Verbündete das Grauen lehrte. Fritz Leibers Grauer Mausling und Fafhrd sorgten für packende, augenzwinkernde Unterhaltung.

Und dann machte ich die Bekanntschaft von Kane, dem Verfluchten. Im Bastei Lübbe Verlag erschienen über die Jahre neben den drei leider damals gekürzten Romanen auch die Erzählungen und Novellen in weiteren drei Taschenbüchern, bevor der kurze Ruhm Karl Edward Wagners bei uns leider wieder erlosch.

Kane, ein Mann wie ein Fels, groß gewachsen, rothaarig, eine Naturgewalt, Jahrhunderte alt, ein versierter Kämpfer, der Verbündete wie Feinde das Fürchten lehrt, kam ein wenig anders daher, als die sonst üblichen Recken. Er war und ist von der Anlage her ein dunkler Held, ein Mann, der oftmals gnadenlos sein Glück sucht, der seine Verbündeten mitleidlos hinter sich lässt und sein Heil ohne Rücksichtnahme sucht. Von einer Gottheit mit ewigem Leben verflucht – und das ist ein Fluch, wie uns Wagner auf solch intensive, mitreißende Art und Weise deutlich macht, dass wohl keiner der Leser ein solches Geschenk annehmen würde – kämpft der Mann, der nicht nur ein scharfes Schwert zu führen weiß, sondern auch gebildet, belesen und in arkanen Künsten bewandert ist, gegen die Langeweile an.

Er hat Reiche aufsteigen und fallen sehen, selbst so manches Mal dazu beigetragen, hat mit uralten Wesen Umgang gepflegt, mit Zauberern geforscht und mit Marodeuren gekämpft. Auch wenn er sich äußerlich ganz bewusst den Anschein eines Barbaren, eines Söldners gibt. ist er ein in allen Künsten bewanderter, gebildeter Mann, ein genialer Stratege und begnadeter Kämpfer.

Die Welt, durch die er zieht, ist dabei weit von den sonst so uniformen Gegenden, die uns Fantasy-Autoren gerne präsentieren, entfernt. Alt ist sie, bevölkert von den Überlebenden von Äonen, vergessenen, degenerierten Rassen, wie auch von skrupellosen Menschen, bildet sie die ideale Kulisse für den Mann mit den Mörderaugen.

Bei einem Überfall der Diebesbande, der sich Kane angeschlossen hat, findet der Verfluchte einen Ring mit einem roten Edelstein. Ein Teil des Blutsteins wurde vor Jahrhunderten in ein Geschmeide gefasst und weckt das Interesse des Kriegers. Hat er nicht in einer uralten Kladde, dem mysteriösen „Buch der Älteren“, von dem Ring und seinem zauberkräftigen Stein gelesen, gar von einer Beschwörung gehört? Die Suche bringt Kane auf die Spur der untergegangenen Zivilisation der Rillyti, krötenartiger Bewohner des einstigen Stadtstaates Arellarti. Geschickt nutzt er den schwelenden Konflikt zwischen dem gebildeten Dribek und Malchion, dem Wolf, dem Anführer der rauen Breim und dessen Tochter, um sich die Unterstützung Dribeks bei der Expedition nach Arellarti zu sichern. Dort entdeckt er den Blutstein und weckt das uralte Relikt mittels einer dunklen Beschwörung. Nur zu bald aber bemerkt er, dass er selbst sich verändert. Der Stein und dessen Macht fordern ihren Preis, einen Preis, der Kanes Selbst bedroht. Doch noch hat er eine Chance, seine Freiheit vor den Einflüsterungen des Steins wiederzufinden…

Der Roman besitzt alle Eigenschaften, die man von einem packenden Sword & Sorcery-Werk erwartet. Es gibt dunkle Magie, finstere Geheimnisse, blutige Schlachten und Helden satt. Statt aber in gängige Plattitüden zu verfallen, präsentiert uns Wagner erfrischend ungewohnte Gestalten. Sei es die moralisch überlegene Amazone, den weisen, sein Volk und dessen Wohl im Sinn habenden Herrscher, dazu Kane selbst, ein mehr als ambivalent gezeichneter Anti-Held, ein geschundener, gelangweilter Charakter, der so faszinierend er sich darstellt bestimmt kein sympathischer Protagonist ist.

Martin Baresch, der auch für die ursprüngliche Übersetzung verantwortlich zeichnete (damals unter dem Namen Martin Eisele), hat seine Übersetzung sorgfältig überarbeitet, die damals gekürzten Passagen neu übertragen und aufgenommen, so dass dem Leser erstmals der vollständige Text zur Verfügung steht. Und dieser entfaltet, dank all der stilistischen Finesse des Autors und seines Übersetzers, eine unheimliche Wucht. Da prallen dunkle Magie auf unbegreifliche Technik, Relikte vergessener Zivilisationen auf schwertschwingende Barbaren – und folgen wir gebannt dem Plot.

Als solches ist der Roman – der erste der insgesamt drei „Kane“-Titel, die bei Golkonda in Vorbereitung sind – nicht nur eine Wiederentdeckung wert, sondern bietet dem Leser auch die Chance, einen Autor und seinen Helden kennenzulernen, die weit außerhalb des Üblichen liegen, auch wenn der sehr kleine Satzspiegel und das dunkel gehaltene Titelbild das sonst vorzügliche Bild ein ganz klein wenig trüben.