Was wäre, wenn…? – Avengers vs. X-Men (Comic)

Jimmy Palmiotti, Rob Williams
Was wäre, wenn…?
Avengers vs. X-Men
(What if…? AvX 1-4 + What if…? Wolverine: Father, 2013/2011)
Aus dem Amerikanischen von Jörg Fassbender
Titelillustration von Jorge Molina
Zeichnungen von Jorge Molina, Gerardo Sandoval, Norman Lee u.a.
Panini, 2013, Paperback, 116 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-86201-792-8

Von Irene Salzmann

Die „What if…?“-Bände haben bei Marvel eine lange Tradition. Hier dürfen Autoren Ideen realisieren, die in der normalen Serien-Handlung keine Chance hätten wie beispielsweise der endgültige Tod einer beliebten Figur, ein folgenschwerer Seitenwechsel von Gut nach Böse beziehungsweise umgekehrt, eine dramatische Mutation oder die Beziehung zu einem Charakter, der sich für jemand anderen entschieden hat.

In „Avengers vs. X-Men“ schildert Jimmy Palmiotti, wie der ohnehin schon tragische Konflikt zwischen den Avengers und den X-Men hätte verlaufen können, wäre der Phoenix nicht in Form von fünf Fragmenten in einigen X-Men aufgegangen, sondern hätte sich – wie gehofft – für Hope Summers entschieden, von der sich die Mutanten den Erhalt ihrer Spezies versprachen.

In einer alternativen Welt wird Hope das Gefäß für die kosmische Macht. Vergeblich haben die Avengers versucht, diese Entwicklung zu verhindern. Im Rahmen einer heftigen Auseinandersetzung mit den X-Men kommt es zu einer Katastrophe mit Toten auf beiden Seiten. Während beide Gruppen entsetzt begreifen, was sie angerichtet haben, entkommen Magneto und Emma Frost mit Hope auf den Mond, wo sich herausstellt, dass alles Training nicht genug war, um das Mädchen auf seine Aufgabe vorzubereiten. Der Phoenix korrumpiert Hope, und Magneto manipuliert sie seinerseits, sodass sie mit aller Macht zurückschlägt, als sie sich angegriffen glaubt. Die Erde ist dem Untergang geweiht, denn Hope will alles, was sich ihr entgegenstellt, vernichten und eine neue Welt schaffen. Letztendlich verzehrt der Phoenix sie und geht auf Magneto über, der sich nun am Ziel seiner Träume wähnt.

Rob Williams greift die Vater-Sohn-Beziehung von Wolverine und Daken auf, die es nie gegeben hat. Nachdem Wolverine im Nachkriegs-Japan geheiratet hatte, freute sich das Paar bald auf das erste gemeinsame Kind. Dann wurde Itsu brutal ermordet. Wolverine ließ die Leiche zurück, nicht ahnend, dass der ungeborene Junge noch am Leben war. Er wurde gerettet und von Adoptiveltern aufgezogen. Als Akihiro/Daken die Identität seines Vaters entdeckte, begann er einen gnadenlosen Rachezug, wurde von Wolverine schließlich getötet und etwas später wiederbelebt. Das letzte Wort ist zwischen beiden noch nicht gesprochen. In der vorliegenden Variante bringt Wolverine selbst seinen Sohn durch einen ‚Kaiserschnitt‘ zur Welt, zieht sich mit ihm in die Einöde Tibets zurück und versucht, John/Daken ein normales Leben zu geben, wie es ihm selbst nie vergönnt war. Schon bald muss Wolverine jedoch feststellen, dass John Geheimnisse hat, die ihren Alltag und den Umgang mit den Nachbarn belasten. Obendrein taucht ein Mann im Rollstuhl auf, der die beiden mitnehmen möchte, was Wolverine ablehnt. Dennoch lässt sich die Katastrophe nicht aufhalten, da Vater und Sohn von einem alten Feind aufgespürt werden. Nachdem John einen letzten Gruß hinterließ, taucht er unter.

Dass „What if…?“-Storys von einem richtigen Happy End gekrönt werden, ist eher nicht der Fall. Meist sind die Konsequenzen noch schlimmer als im normalen Marvel-Universum, sodass man froh ist, dass sich die Autoren für die bekannte Version entschieden haben. Dieser Umstand wird von beiden Geschichten nachdrücklich belegt.

Tatsächlich vernichtet der Phoenix die Erde und markiert damit einen Neubeginn, der bloß für zwei Personen glücklich zu nennen ist. Überdies versagt Wolverine als Vater, was jedoch weniger an ihm als an der Natur seines Sohnes liegt. Er glaubt, dass Daken seine Gene geerbt hat und deshalb zum Killer wurde, wofür es bloß eine einzige Lösung gibt.

Die Tragödien sind leider nicht so ansprechend gezeichnet, wie das Cover (Jorge Molina) glauben lässt. Mehrere Zeichner brachten entsprechend verschiedene Stile ein, die teilweise kantig (Jorge Molina), überzeichnet und ‚mangahaft‘ (Gerarado Sandoval) beziehungsweise ‚klecksig‘ (Greg Tocchini) wirken.

Als Alles-Sammler wird man sich an den Stilbrüchen (in „What if…? AvX 1-4“) nicht stören, doch ist man etwas wählerischer, sollte man sich selbst einen Eindruck vom Inhalt des Bandes verschaffen, denn der Kauf ist nicht zwingend notwendig, weil „Was wäre, wenn…?“ keinen Einfluss auf laufende Reihen nimmt.