Palmatier, Joshua: Die Assassine (Buch)

Joshua Palmatier
Die Assassine
(The Screwed Throne)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michael Krug
Titelillustration von Frank Fiedler
Bastei-Lübbe, 2009, Paperback mit Klappenbroschur, 380 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-7857-6013-0

Von Carsten Kuhr

Seit Jahrhunderten geht es den Menschen in der Küstenstadt Amenkor gut. Der Handel blüht, die Regentin auf dem magischen Geisterthron sorgt dafür, dass das Machtgefüge ausbalanciert bleibt.

Vor Jahrzehnten fegte ein weißes Feuer durch die Stadt, hinterließ auf seinen Spuren Wahnsinn, Seuchen und das Verderben. Sechs Jahre ist es nun her, dass das Weiße Feuer die Stadt erneut heimsuchte. Seitdem wenden sich die Dinge zum Schlechteren. Die Regentin ist offensichtlich wahnsinnig, die Garde wie auch die mächtigen Kaufleute, suchen die Situation auszunutzen und ihre Macht zu vergrößern.

Dies ist die Geschichte eines jungen Mädchens. Varis wuchs, nachdem ihr Mutter in ihrem Beisein vergewaltigt und ermordet wurde, im Elendsviertel der Stadt auf. Eigentlich sollte sie das perfekte Opfer für die Stärkeren darstellen, sollte missbraucht und benutzt werden, doch etwas in ihr hilft ihr zu entscheiden, wann sie das Hasenpanier ergreifen soll, und wann es angeraten ist ihre Stellung zu behaupten. Sie kann an der farblichen Aura eines jeden Menschen erkennen, ob dieser eine Gefahr für sie darstellt oder harmlos ist.
Als das Überleben in den Gassen immer schwieriger, die Zustände immer chaotischer werden, findet sie einen Förderer. Der Gardist verfolgt und tötet im Auftrag der Regentin Verbrecher. Bei ihm lernt Varis die Kunst der Assassinen. Als Leibwächterin eines mächtigen Handelsherren scheint sie dann ihr Glück gefunden zu haben. In der Folgezeit aber gilt es, die die Stadt in den Untergang treibende Regentin auszuschalten – und dafür kommt nur eine in Frage – die beste der Assassinen, Varis …

Joshua Palmatgiers Debütroman, einmal mehr der Beginn einer Trilogie, lässt uns zunächst ein wenig im Dunkeln tappen. Wir erfahren, dass unsere Protagonistin in einer prosperierenden Hafenstadt wohnt, dass ihre Mutter verstorben und sie selbst im Elendsviertel der Stadt mit Diebstählen und kleinen Gaunereien versucht, über die Runde zu kommen. Erst im Verlauf des Buches erfahren wir mehr über die Stadt, ihre sozialen Strukturen und Hintergründe.

Durch die Augen von Varis lernen wir zunächst die Auswirkungen der gegenwärtigen Krise – leidvoll – kennen. Nahrungsmittel werden immer rarer, die Preise dafür gehen hoch, eine Hungersnot droht. Dass es wie immer die Ärmsten und Schwächsten am Schlimmsten trifft ist klar, zumal die Ordnungsmacht durch Abwesenheit glänzt. Jeder ist sich selbst der Nächste, die bislang unfehlbare Justiz der Regentin, deren toten Opfer ihr Zeichen in die Stirn eingeritzt tragen, trifft erstmals Unschuldige.

Der Autor macht das nicht ungeschickt. Immer wieder präsentiert er uns Puzzleteile, beschreibt uns die Folgen der Weißen Flut und lässt den Leser daraus selbst seine Rückschlüsse ziehen. Durch diese Einbeziehung gelingt es ihm, den Leser tief in seine Welt einzubeziehen, die er behutsam aber stetig weiterentwickelt. Dass Varis zudem eine sympathisch gezeichnete, vielschichtige Person ist, trägt natürlich auch dazu bei, dass man sich in der Handlung wohlfühlt. Selbst wenn es ihr schlecht geht, wenn sie aus Not gezwungen ist zu stehlen, behält sie und mit ihr der Leser immer ein gewisses Gefühl dafür, was rechtens ist. Das ist keine »kam, sah und siegte«-Heldin, das ist eine junge Frau voller Furcht, voller Zweifel an sich selbst und daran, ob sie das richtige tut – und genau dies macht die Protagonistin so überzeugend.

Durch die Einführung von weiteren Personen, hier sind neben dem Gardekiller, der Veris anlernt, insbesondere der Händler, in dessen Dienste sie tritt, zu nennen, erschließt sich uns dann die Welt der begüterten Entscheidungsträger. Wir erfahren vom Ränkespiel der Machtbesessenen, vom Kampf der Rivalen um Macht und Einfluss, und letztlich um das Überleben der Stadt und ihrer Bewohner. Erst sehr spät, im Finale, lüftet der Autor dann das Geheimnis um den Thron, zeigt auf, dass Vari eine weit größere Rolle zu spielen hat, als bislang absehbar.

Die gewohnt einfühlsame Übersetzung von Michael Krug, das stimmige Cover und die qualitativ gute Ausstattung des Buches sollten dafür Sorge tragen, dass die Leser selbiges kaufen – und sie könnten weit schlechtere Fantasy-Romane erwerben, als diesen Auftakt einer bislang überzeugenden Trilogie.