Professor Zamorra 46: Die Furcht der Baskervilles, Simon Borner (Buch)

Professor Zamorra 46
Die Furcht der Baskervilles
Simon Borner
Titelillustration von Sandobal
Zaubermond, 2013, Taschenbuch, 212 Seiten, 14,95 EUR

Von Carsten Kuhr

London, 1890. Während die Arbeiter im verarmten East End nicht mehr wissen, wie sie ihren Kanten Brot oder die Wassersuppe kaufen sollen, feiern die Adeligen rauschende Feste. Man geht auf Bälle, besucht Séancen oder wohnt den Vorführungen von Zauberern und Magiern bei. Das Okkulte hat Hochkonjunktur, die Suche nach einer Verbindung zum Jenseits beschäftigt die Menschen.

Auch die Verlobte des Enkels der Queen kann und will sich dem Trend nicht entziehen. Statt Tischrücken steht bei ihr der Besuch von Zauberveranstaltungen auf dem Programm. Selbst eine heruntergekommene Kaschemme und ein unfähiger Zauberer können sie nicht schrecken. Als Höhepunkt der Vorstellung lässt der Magier immer eine Dame aus dem Publikum verschwinden. Natürlich meldet sich unser zukünftiges Mitglied des Königshauses freiwillig, doch dann passiert etwas gar Unerhörtes. Die Dame verschwindet tatsächlich, statt ihrer taucht ein Herr in einem skandalös geschnittenen, weißen Anzug auf, der unter Gedächtnisverlust leidet.

Der ermittelnde Beamte vom Yard ahnt, dass er an seine Grenzen stößt. Jetzt gilt es über den eigenen Schatten zu springen und professionelle Hilfe zu suchen. In der Baker Street 221 B findet er bei Sherlock Holmes Unterstützung. Zusammen mit Sam, dem Mann im weißen Anzug, machen sie sich an die Aufklärung der rätselhaften Vorkommnisse. Dabei wird immer deutlicher, dass das Empire selbst bedroht ist. Menschen verwandeln sich in Tentakelmonster, Freimauererlogen beschwören Geschöpfe aus dem Jenseits und ein Familienfluch findet grausam entstellte Opfer...

Geht das, unseren Professor Zamorra mit dem Detektiv-Mythos schlechthin zu verbinden? Das war die Frage, die mich umtrieb, als ich mit der Lektüre des Romans begann. Nachdem ich das Buch ausgelesen habe kann ich Simon Borner attestieren, dass er eine sehr gelungene Holmes/Lovecraft/Zamorra-Mischung vorgelegt hat, die den Leser kurzweilig und spannend zu unterhalten weiß. Geschickt mischt er dabei Elemente des Kriminalromans mit Geschöpfen, die an Lovecraft'sche Vorbilder erinnern, mixt ein wenig Freimaurergeheimnisse hinzu und schmeckt das Ganze dann mit einem Zamorra ab, der sein Gedächtnis – nicht aber seine Kräfte – verloren hat.

Zwar wirkt insbesondere das Finale ein wenig überfrachtet, hat der Autor hier gar zu viele Anspielungen einfließen lassen – dem Lesevergnügen tut dies aber keinen Abbruch. Natürlich bleibt die Zeichnung des Duos Holmes und Watson aber auch Zamorras angesichts der vielen handlungsrelevanten Begebenheiten eher oberflächlich, reduziert der Autor die Charakterisierung auf bekannte und liebgewonnene Eigenheiten. Insgesamt aber ein Roman, der abseits des „Professor Zamorra“-Kosmos gut unterhält und sich angenehm liest.

Der Text greift bekannte Versatzstücke entsprechender Holmes-Romane auf (die Opiumhöhle darf dabei nicht fehlen), bietet uns eine ebenso spannende wie temporeiche Handlung auf der Jagd nach den Verursachern der Vorkommnisse und verwöhnt uns mit einen überraschenden, so nicht vorhersehbaren Schluss.