Traum von Jerusalem (Comic)

Traum von Jerusalem
(Le Rêve de Jérusalem Tome 1-4)
Szenario: Philippe Thirault
Zeichnungen & Farben; Lionel Marty
Übersetzung: Marcel Le Comte
Ehapa, 2011, Hardcover, 192 Seiten, 39,95 EUR, ISBN 978-3-7704-3703-0

Von Frank Drehmel

Der vorliegende Sammelband enthält die vier Einzel-Alben „Die heilige Miliz“ („La milice sacrée“), „Die göttliche Prüfung“ („L’épreuve divine“), „Die weiße Lanze“ („La blanche lance)“ und „Ecce homo“ („Ecce homo“), die im Original zwischen 2007 und 2010 bei Dupuis erschienen sind.

Die Handlung beginnt im Jahre 1076 in der Auvergne, rund 20 Jahre vor dem ersten Kreuzzug: bereits im Alter von 6 Jahre offenbart Hermance Languedolce unglaubliche Heilkräfte, die ihn nicht nur über die Grenzen seines Tals bekanntmachen, sondern die seine Mutter, Marie, in ihm den neuen Jesus Christus sehen lassen. Als die Mutter einen neuen Geliebten findet, gerät der Junge in die Fänge eines religiösen Fanatikers, der die Bauern und Geschundenen gegen die Herren und Geistlichkeit aufstachelt und schließlich mit seinen Gefolgsleuten hingerichtet wird, während man den heilkundigen Hermance der göttlichen Prüfung des Feuers unterzieht, einem „iudicium dei“, das in einem Fiasko mit zahlreichen Toten und dem spurlosen Verschwinden des Jungen endet. Zigeuner finden schließlich das nackte Kind im Wald und nehmen sich seiner an, lehren es ihre Lieder, ihre Sprache und ihre Freiheitsliebe.

Viele Jahre gehen ins Land: Hermance hat seine Kräfte augenscheinlich verloren und verdient seinen Lebensunterhalt nunmehr als Gaukler und Trickser. Während einer Vorstellung kommt es zu einem blutigen Zusammenstoß mit Karlis Oresund – genannt der „Schwarze Live“ –, einem ehemaligen Mörder und Piraten, dem Führer einer kleinen Armee, der nach einer Offenbarung vor vielen Jahren sein Schwert ganz in den Dienst Gottes gestellt hat und Häretiker gnadenlos verfolgt. Gerade als der Schwarze Live den jungen Mann ob seiner Ketzereien töten will, erkennt er ihn ihm einen göttlichen, übernatürlichen Funken und stellt ihn fortan unter seinen Schutz.

Gemeinsam ziehen sie und ihr kleines Heere von Schlacht zu Schlacht, wobei sich ihnen die geheimnisvolle Prinzessin Istvàna Kalia und ihre Truppe nicht minder unheimlicher Tafuren anschließt, ungarische Söldner, die ihre Toten niemals mitnehmen oder begraben. Sie erreichen zunächst Konstantinopel, um dann nach Jerusalem weiterzuziehen, während Tod und Wahnsinn ihr ständiger Begleiter sind. In der Stadt der Könige schließlich erfüllt sich ihrer aller Schicksal.

In „Traum von Jerusalem“ schicken Autor Philippe Thirault und Zeichner Lionel Marty den Leser auf eine Tour de force durch das 11. Jahrhundert, auf eine Reise durch blutiges Chaos, religiösen Wahn und Wunder, durch Gewalt, Mord und Intrigen, durch Lust und Laster. Obwohl die Handlung vor einem historischen Kontext angesiedelt ist, so handelt es sich dennoch um reinrassige Fantasy mit dem Schwerpunkt auf Action, auf geradezu epische Schlachten, von denen sich eine an die nächste reiht, sowie der Inszenierung von Wundern und „Hexenwerk“. Das Beziehungsgeflecht, in dem die drei schuldbeladenen Hauptfiguren gefangen sind, ist gleichermaßen labil, von Gewalt und Lust geprägt, von Angst und Demütigungen und ist wie die Handlung selbst ins Exzessive übersteigert.

Die Wahnhaftigkeit spiegelt auch das Artwork wider, dessen raue, kantig-grobe Bilder mit ihrer expliziten Darstellung von Gewalt, den kräftig-düsteren Farben und der hohen Dynamik einem Fiebertraum zu entstammen scheinen, einem Traum von Blut und Zerstörung.

Fazit: Historische Fantasy, deren Hauptanliegen allerdings die Inszenierung verstörender Gewalt und rasanter Action ist und die mit der Intensität eines Fiebertraums visualisiert wurde. Nichts für friedliebende Gemüter.