Wolverine: Season One (Comic)

Ben Acker & Ben Blacker
Wolverine: Season One
Aus dem Amerikanischen von Caroline Hidalgo
Titelillustration von Julian Totino Tedesco
Zeichnungen von Salva Espin mit Cam Smith
Panini, 2013, Paperback mit Klappenbroschur, 116 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-86201-717-1

Von Irene Salzmann

Die Figur Wolverine wurde 1974 geschaffen von Len Wein und debütierte in „Hulk“ 180, gezeichnet von Herb Trimpe (dt. „Hulk“ 6, Condor Taschenbuch). Seinen nächsten Auftritt hatte er 1975 in „Giant Size X-Men“, ein Band, der für das Mutanten-Team eine neue Ära einleitete: Die jungen Schüler von Professor Charles Xavier wurden von einer internationalen Gruppe Erwachsener abgelöst.

Ursprünglich hatte Wolverine, der als etwas unsympathischer Berserker startete, nach einigen Episoden sterben sollen, doch unter John Byrne, Chris Claremont und schließlich Frank Miller wurde sein Charakter vertieft, das Berserkertum mit dem Samurai-Kodex (Bushido) verknüpft und er zu einem Protagonisten geformt, dem die X-Men und ihre Spin offs – Wolverine erhielt auch eigene (Mini-) Serien und viele Gast-Auftritte – ihre große Beliebtheit zu verdanken haben.

Er ist auch einer der ersten Comic-Helden, die sich in einer Grauzone bewegen, die nicht wirklich gut oder böse sind, so skrupellos wie ihre Gegner agieren, um überhaupt eine Chance zu haben, gegen sie zu bestehen, und Unschuldige zu beschützen. Wolverine ebnete den Weg für Figuren wie Azrael, Maverick, Deadpool, Spawn, Darkness und so weiter.

Lange waren die Entstehungsgeschichte und der wahre Name von Wolverine eines der am besten gehüteten Geheimnisse von Marvel. Seine Geschichte wurde mehrmals umgeschrieben (implantierte Erinnerungen). Inzwischen sieht seine Biografie so aus, dass er als James Howlett in Alberta, Kanada, im 19. Jahrhundert geboren wurde, ein aktiver Soldat im 1. und 2. Weltkrieg war (an der Seite von Captain America, später zusammen mit Sabretooth und Maverick). Von jeher verfügte er über animalische Instinkte, den Selbstheilungsfaktor und die Klauen. Das Adamantium wurde erst später während des Weapon-X-Programms an sein Skelett gebunden. Nachdem Wolverine seinen Peinigern hatte entkommen können, lebte er wie ein Tier in den Wäldern Kanadas – und hier setzt „Wolverine: Season One“ ein.

James und Heather Hudson werden von einem Unbekannten, der mehr Tier als Mensch ist, vor dem mystischen Wendigo gerettet. Schwer verletzt bringt das junge Paar den Mann in seine Hütte, pflegt ihn und bemerkt voller Verwunderung, dass sich dessen Verletzungen von selbst heilen. Als James Nachforschungen anstellt, wird er belogen und dazu aufgefordert, den Fremden zu Department H zu bringen. Unterdessen gelingt es Heather, zur menschlichen Seite des Verletzten durchzudringen und ihn davon zu überzeugen, dass er kein Tier ist und man ihm helfen kann – wenn er es zulässt. Weil sich der Namenlose, der bar jeglicher Erinnerung ist, in Heather verliebt hat, willigt er ein. Er unterzieht sich einem Training, doch es fällt ihm weiterhin schwer, die Bestie in sich zu kontrollieren. Beinahe tötet er sogar Heather! Schließlich soll er die DNA des Hulk beschaffen, der nach Kanada geflohen ist, weil Department H ein neues Supersoldatenprogramm initiieren will. Wolverine, wie man ihn nun nennt, erfüllt die Aufgabe, wird aber erheblich verletzt. Darum soll James – mit einer Rüstung, die ihn später zu Vindicator von Alpha Flight, dem kanadischen Superhelden-Team, macht – zusammen mit Victor Creed alias Sabretooth den Wendigo für Experimente einfangen und auch den flüchtigen Wolverine zurückbringen, lebendig oder tot.

Die Story, die hier ausgeführt wird, wurde bislang in verschiedenen Heften immer nur angedeutet. Geschrieben wurde sie von Ben Acker und Ben Blacker, die die TV-Serie „Supernatural“ prägten, und gezeichnet von Salva Espin („Deadpool“, „Exiles“ etc.), der vor allem der ungewöhnlichen Frisur so manches Panel widmet. Leider wirkt Wolverine oft etwas zu klein, zu gedrungen, zu kurzbeinig (barfuß wie die frühen Versionen von Hank McCoy/Beast).

Die Autoren konzentrieren sich auf ein knapp bemessenes Zeitfenster zwischen der ‚Zivilisierung‘ Wolverines durch die Hudsons, seine wenigen Missionen für Department H und schließlich seinen Wechsel zu den X-Men in der Hoffnung, dass man ihm dort helfen könne, seine Erinnerungen zurückzuerlangen und den Berserker zu kontrollieren.

Die zwiespältige Freundschaft zu James Hudson, dem idealistischen Anführer von Alpha Flight, der an anderer Stelle als wahrer Kamerad zu Wolverines Gunsten agiert, bleibt hier auf der Strecke. James erscheint blass und eindimensional, denn er sorgt sich ausschließlich um sein Land Kanada und an zweiter Stelle um seine Frau Heather. Er lässt sich lange von der Obrigkeit einwickeln, bevor er zu denken beginnt. Heather hingegen nimmt eine Schlüsselrolle ein. Sie dringt zu Wolverine durch, beruhigt ihn, wegen ihres Glauben an seine Menschlichkeit bemüht er sich, das Tier in sich zu besiegen. Sogar als er gegen Sabretooth kämpft, versucht er, die Kontrolle zu behalten, seine Freunde und sogar den Wendigo zu beschützen. Vor allem diese Szenen zeugen davon, welchen Stellenwert die inneren Konflikten der Titelfigur für die Autoren haben und wie spannend sie die Kämpfe von Wolverine, mittlerweile Logan, gegen sich selbst finden. Diese definierten ihn vor allem in seiner Anfangszeit und lieferten unvergessene, dramatische Szenen, wie man sie heute kaum noch findet.

„Wolverine: Season One“ ist ein weiteres interessantes Puzzle-Stück in der Biografie des Titelhelden, das man auch ohne Vorkenntnisse problemlos nachvollziehen kann.