Edward Lee & Wrath James White: Der Teratologe (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 12. Juni 2013 22:25

Edward Lee & Wrath James White:
Der Teratologe
(The Teratologist)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Markus Mäurer
Titelillustration von Christian Martin Weiss
Festa, Taschenbuch, 136 Seiten, 12,80 EUR (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Was tun Gläubige nicht alles, um die Aufmerksamkeit ihres jeweiligen Gottes zu erwecken. Sie geißeln sich selbst, hetzten Andersgläubige zu Tode, verbreiten das Wort ihres Herrn, missionieren mit dem Buch der Bücher oder der Flamme der Inquisition. Dass sie dabei nur zu oft ihre Menschlichkeit aufgeben, dass Mitleid und Verständnis auf dem Altar der Religion geopfert werden, ist eine Begleiterscheinung von religiösem Extremismus.
Edward Lee und Wrath James White berichten uns auch von einem Mann, der auszog, seinen Gott zu suchen. Allerdings ist der Multi-Milliardär John Farrington nicht eben ein Mensch in der Nachfolge der Mutter Theresa. Statt mit seinem unermesslichen Reichtum Gutes zu tun, sein Karma durch Mildtätigkeit zu erhöhen, hat er einen anderen, einen perfiden Plan ausgeheckt. Mittels eines von seiner eigenen Pharmafirma entwickelten hoch wirksamen Aphrodisiakums bringt er entführte Religionsführer dazu, ganz gegen ihr eigentliches Naturell, sexuell enthemmt über hilflose Missgeburten, Behinderte und Unschuldige Herzufallen und diese zu missbrauchen. Ein solcher Frevel muss doch die Aufmerksamkeit Gottes erregen, muss ihn dazu verleiten, seine Engel zu entsenden, oder gar selbst am ruchlosen Ort der Vergewaltigungen zu erscheinen. Zwei Reporter sollen das Geschehen in Wort und Bild für die Nachwelt festhalten; ein Plan, der letztlich dazu führt, dass Gott auf ganz eigene Art und Weise eingreift…
Edward Lee ist, wir kennen dies aus seinen Romanen die bei Festa erschienen sind, ein Autor, der gerne und ausgiebig provoziert. Während mir sein Kollege White unbekannt ist, hat Lee es in seinen Romanen und Novellen immer wieder verstanden, auf ganz eigene Art und Weise die Darstellung des perversen, gewaltsamen Aktes mit einem gewissen religiösen Aspekt zu koppeln. Ähnlich wie in seinem ebenfalls in der Festa-Reihe „Extrem“ erschienen „Das Schwein“ fahren er und sein Kompagnon vorliegend auf, was anrüchig, abstoßend und pervers ist. Mit der Ausnahme pädophiler Beschreibungen ficken sich die Gefangenen des Milliardärs in allen denkbaren und unvorstellbaren Stellungen durch hilflose Opfer, strömen Körperflüssigkeiten en masse und wird ohne jegliche Rücksicht auf die Opfer Lusterfüllung gesucht (und selten wirklich gefunden…), was das Zeug hält.
Das ist zunächst eine Aneinanderreihung von plakativen, abstoßenden sexuellen Darstellungen, die den Leser eben durch ihre Abartigkeit an die Seiten fesseln sollen. Erst spät, fast zu spät, nimmt der Plot dann eine Wendung, wird ein phantastisches Element in die Handlung eingeführt und der Kurzroman an einer Stelle beendet, an der es eigentlich erst richtig interessant zu werden verspricht. Hier hätte ich, nachdem die etwas sinnlose Aufzählung der Vergewaltigungen überstanden waren, gerne weiter gelesen, hätte erfahren wollen, was auf die Provokationen des Milliardärs reagiert hat, wie und woher sich dieses Wesen am Ort des Geschehens manifestiert und ob die Handlungen wirklich Gottes Aufmerksamkeit erregt haben. Doch gerade, als es anfing interessant zu werden, bricht die Handlung ab, bleibt der Leser unbefriedigt zurück.
Wer Lees ganz eigene Auseinandersetzung mit der Religion in Verbindung mit deutlich geschilderten pornographischen Elementen mag, der wird auch hier bedient werden, auch wenn andere Romane des Autors meines Erachtens weit besser geschrieben sind, viele andere werden das provozierende Buch voller Ekel schnell zuschlagen, werden vor der Wucht der unappetitlichen Szenen fliehen.